Lauenburg. Hunde fördern die Konzentration von Kindern. Das Projekt „Lesen frei Schnauze“ gibt es in Lauenburg seit 2016.

„Ich kann noch nicht so gut lesen“, sagt Finn leise. Der Neunjährige freut sich trotzdem auf die Vorlesezeit in der Stadtbücherei. Sein Zuhörer „Sam“ lacht nämlich nicht, wenn er sich mal verhaspelt. Er wird auch nicht ungeduldig, wenn er aus Versehen mit dem Finger in den Zeilen verrutscht.

Fynn hat sich das Kinderbuch „Alfons – Volle Fahrt voraus“ ausgesucht. Bevor es losgeht, legt ihm „Sam“ seinen großen Kopf auf die Beine. Es sieht aus, als würde der Hund tatsächlich zuhören, wenn der Junge ihm von Alfons vorliest, der sich freut, mit der alten Bimmelbahn endlich wieder seine Oma zu besuchen. Wenn Fynn die Buchseiten umblättert, blinzelt „Sam“ manchmal mit einem Auge, ansonsten gibt der Hund keinen Mucks von sich.

Kinder lesen „Sam“ gern vor

Einmal in der Woche kommt Sabine Tairinowski mit ihrem „Sam“ in die Stadt- und Schulbücherei am Weingarten. Sie weiß dann schon, welche Kinder ihrem Hund heute vorlesen werden. „Sam“ wird sofort von einer Gruppe Mädchen umringt, die alle gern Vorleserinnen für den tierischen Zuhörer sein würden. „Lesen frei Schnauze“ heißt das Projekt, und die Deutschlehrer der Weingartenschule sind froh darüber, dass sich auch solche Kinder um die Zeit mit „Sam“ reißen, die sonst mit Büchern nicht allzu viel am Hut haben.

Der Landseer-Berner Sennen-Mischling von Sabine Tarinowski bringt alles mit, was für einen Zuhörerhund wichtig ist: Es scheint nämlich, als könne den schwarz-weißen Riesen nichts aus der Ruhe bringen. „Und er mag Kinder über alles“, erzählt sein Frauchen. Büchereileiterin Uta Silderhuis weiß, wie positiv sich das Projekt auf die Kinder auswirkt. „Wir hatten es auch schon mal mit einem anderen, kleineren Hund ausprobiert, aber der war einfach zu quirlig“, sagt sie.

Ruhe überträgt sich auf die Kinder

„Sam“ dagegen ist der ideale Zuhörer. Sabine Tarinowski freut sich, wenn sie merkt, dass die meisten Kinder deutliche Fortschritte machen, wenn sie ihrem Hund mehrmals vorgelesen haben. Nur ganz selten korrigiert sie eine Textzeile, meist sitzt sie nur still dabei und legt „Sam“ eine Hand auf das Fell. Diese Ruhe überträgt sich auf die Kinder. Auch Fynn lässt sich nicht ablenken vom quirligen Büchereibetrieb. Und so erfährt „Sam“, dass es nicht nur Alfons ist, der mit der alten Bahn fahren möchte: Herbert Elch, Bodo Bär und Dr. Eichhörnchen sind mit von der Partie.

Wer einen kinderlieben, ruhigen Hund hat, tagsüber etwas Zeit und das Projekt unterstützen möchte, kann sich bei Uta Silderhuis unter der Nummer (0 41 53) 20 96 melden. „Es wäre schön, wenn wir noch mehr Kindern diese Leseförderung ermöglichen könnten“, wünscht sich die Büchereichefin.

Projekt „Lesen mit Hund“

Die Lesekompetenz von Kindern unter Einbeziehung von Hunden zu fördern, gewinnt zunehmende Bedeutung in der pädagogischen Praxis. Erste wissenschaftliche Studien dokumentieren positive Effekte des Lesens mit Hund, sowohl hinsichtlich Lesekompetenz als auch Motivation der Schüler. Ein weiterer Aspekt ist der Stressabbau bei den Kindern. Dadurch werden insgesamt gute Bedingungen für Lernerfolge, wie positive Stimmung, gesteigerte Konzentration und Motivation unterstützt, argumentieren Befürworter.

In Lauenburg gibt es dieses Projekt seit zwei Jahren. Die Deutschlehrer entscheiden, welchem Kind diese Leseförderung helfen könnte. Kosten entstehen den Eltern dafür nicht. Die Hundebesitzer sind ehrenamtlich dabei.