Lauenburg. Vor 15 Jahren steckte Yildiz Frühauf in einer Lebenskrise. Doch sie machte daraus eine Chance. Heute blickt sie zurück.

Der Zettel ist leicht abgegriffen, doch für Yildiz Frühauf ist er eines der wichtigsten Dokumente überhaupt: ihre Gewerbeanmeldung mit Datum vom 27. Juni 2003. Dabei stand ihr Schritt in die Selbstständigkeit zunächst unter keinem guten Stern.

„Ich war ganz unten“

Eine junge Frau, die mit zwei Kleinkindern auf einem Boot lebt, ist wohl kaum das Bild, das man sich von einer künftigen Geschäftsfrau macht. Doch nachdem bei ihr eine Mehlallergie auftrat und auch noch ihre Ehe in die Brüche ging, konnte und wollte sie in der Wohnung über der Familienbäckerei nicht mehr leben. So zog sie Anfang 2000 mit ihren Kindern auf das Familienboot im Lauenburger Hafen. „Ich war ganz unten. Als Bäckereifachverkäuferin durfte ich nicht mehr arbeiten. Ich hatte keine Wohnung und kein Geld. Ich bettelte beim Amt, weil ich nicht mal die Kita-Gebühren bezahlen konnte.“

Ihren Kindern wollte sie das Leben auf dem Boot nicht länger zumuten. Deshalb überwand sie ihren Stolz und bat ihre türkische Familie, die Kinder vorläufig bei sich aufzunehmen. Schließlich stand der Winter vor der Tür. „Wir haben dir ja gleich gesagt, heirate keinen Deutschen“, musste sie sich anhören. Als sie jetzt davon erzählt, schießen ihr die Tränen in die Augen.

Aufgeben oder Neuanfang?

„Ich hatte nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich gehe mit meinem Boot unter oder ich springe ins kalte Wasser.“ Sie entschied sich für den zweiten Weg und als erstes musste eine Wohnung her. Vom Wasser aus schaute sie auf das leerstehende Gebäude der ehemaligen Reederei Burmester. Sie nahm allen Mut zusammen und fragte beim Hausmeister nach.

Von da an wendete sich das Blatt. „Ich mietete die kleine Wohnung an und kaum war ich eingezogen, klingelten die Skipper. Der Hafen lag ja völlig brach, und wer was über Lauenburg wissen wollte, der fragte eben mich.“ Da hatte sie eine Geschäftsidee: „Ich verkaufte Brötchen, Bockwurst und war nebenbei Auskunftsbüro“, erinnert sie sich. Und weil das so gut lief, verwarf sie den Plan, sich mit einem Taxiunternehmen selbstständig zu machen. Den entsprechenden Schein dafür hatte sie inzwischen bereits in der Tasche. Auch den Aushilfsjob als Kellnerin kündigte sie. Im Sommer 2003 eröffnete sie ihren Skippertreff. Auch finanziell ging es langsam wieder bergauf: Sie arbeitete oft zwölf Stunden am Tag und die Versicherung zahlte endlich wegen ihrer Berufsunfähigkeit. Der Rest ist schnell erzählt: Sechs Jahre später konnte sie den Yachthafen mit der Steganlage kaufen, seitdem ist sie Hafenmeisterin der Lauenburger Marina.

Stillstand ist nicht ihre Sache

Auch privat wendete sich schließlich alles zum Guten: Seit ein paar Jahren ist die Hafenmeistern mit Martin Frühauf verheiratet. Die Marina führen sie nun gemeinsam. Wobei er seine Frau wohl ab und zu bremsen muss, wenn es um neue Ideen geht. Jetzt schwebt ihr vor, die Steganlage so zu verändern, dass auch Hausboote hier festmachen können. „Das ist ein mittelfristiges Vorhaben“, erklärt Martin Frühauf. Doch er kennt seine Frau: Stillstand ist nicht ihre Sache. Kürzlich sie ihren Ausbilderschein gemacht. Jetzt werden im Skippertreff künftige Gastronomen ausgebildet.

Ein anrüchiges Problem

Einen Ärger wollen sie sich unbedingt vom Hals schaffen: Bisher sind die Camper, die bei ihnen übernachteten, oft nach Hohnstorf gefahren, um ihre Tanks zu entleeren. Das sorgt für dicke Luft. Dabei wollen Frühaufs das Problem ebenfalls lösen, schon um Touristen länger bei sich halten zu können. Doch weil lange nicht klar war, wo die Hochwasserschutzline an der Marina verlaufen wird, verzögerte sich das Projekt. Diese Frage ist nun geklärt. „Wir haben alles vorbereitet. Jetzt liegt es nur noch daran, mit der Stadt die Einleitung in das Kanalsystem zu klären“, sagt Martin Frühauf.

Wegen des schlechten Wetters begann die Saison spät. Doch jetzt hoffen viele Skipper auf einen Liegeplatz in der Lauenburger Marina. Das Telefon klingelt am laufenden Band. Yildiz Frühauf schiebt gedanklich Boote in der Steganlage hin und her – und ist dabei wieder ganz in ihren Element.