Lauenburg. Zwei Hamburger Studenten haben sich mit dem Krisenmanagement beim Hochwassers 2013 beschäftigt. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor.

Fast fünf Monate haben sich Alexandra Homann und Jörg Baumann mit den Ereignissen während des Hochwassers im Juni 2013 beschäftigt – vor allem mit der Frage: Was hätte während der Evakuierung der Altstadt besser laufen können? Am Donnerstagabend stellten die beiden Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Lohbrügge in der Osterwold-Halle die Zwischenergebnisse ihrer Semesterarbeit vor.

Präsentation vor rund 100 Besuchern

Grundlage ihrer Überlegungen war unter anderem eine Umfrage zu den damaligen Ereignissen. Von insgesamt 320 Fragebögen haben sie von den Altstadtbewohnern nur 63 zurückerhalten. Das auf den ersten Blick ernüchternde Ergebnis relativierte sich aber auf Nachfrage von Anwohner Sven Scharnweber: Immerhin 90 Prozent der 2013 direkt Betroffenen hatten sich an der Umfrage beteiligt. Für das große Interesse am Thema spricht auch: Etwa 100 Besucher folgten den Ausführungen der beiden künftigen Rettungsingenieure.

„Nicht alles optimal gelaufen“

Bauamtsleiter Reinhard Nieberg moderierte den Abend und begann mit einer selbstkritischen Einschätzung: „Bei dem Zusammenspiel der Entscheidungsträger ist damals nicht alles optimal gelaufen“, sagte er. Hintergrund: Wenn ein Katastrophenfall ausgerufen wird, geht die Verantwortung von der Stadt an den Kreis über – folglich auch die Entscheidung, ob evakuiert wird oder nicht.

Wie eine solche Entscheidung getroffen wird, erläuterten Alexandra Homann und Jörg Baumann anhand von Risikofaktoren. Ihr wichtigstes Kriterium für eine Gefährdung der Anwohner: der Brandschutz. „Wenn es in der Altstadt brennt und das Wasser steht zehn Zentimeter in der Straße, kann die Feuerwehr mit schwerem Gerät nicht anrücken. Das bedeutet höchste Lebensgefahr und spricht für eine Evakuierung“, sagte Homann. Diese theoretische Überlegung wollten die Altstadtbewohner so nicht gelten lassen. „Es ist doch zu unwahrscheinlich, dass diese beiden Ereignisse zusammentreffen, um davon eine Evakuierung abzuleiten“, meinte der SPD-Stadtvertreter André Peylo und erntete dafür allgemeine Zustimmung. Eine andere Überlegung der Studenten kam bei den Anwesenden dagegen ausgesprochen gut an: Künftig solle es keine allgemeine Evakuierung wie 2013 geben, sondern Einzelfallbetrachtungen nach Prognosen, Höhenlagen und anderen Gefährdungskriterien.

Betroffene wollen künftig mehr Eigenverantwortung

Peter Willbrandt von der Betroffenengemeinschaft Hochwasser will die Eigenverantwortung der Anwohner in den Mittelpunkt der Notfallplanung rücken. „Wir wollen die Freiheit, unser Eigentum zu verteidigen. Wenn wir wirklich raus müssen, sollte uns die Möglichkeit eingeräumt werden, regelmäßig nach unseren Häusern zu schauen“, so seine Forderung. Diese Prämisse gab auch Amtsleiter Nieberg den beiden Studenten mit auf den Weg: Regeln finden, wie Betroffene im Falle der Evakuierung nach ihren Häusern schauen können. Außerdem müsse dringend die Krisenkommunikation bei derartigen Ereignissen wie 2013 auf den Prüfstand.

Rückblick auf die Ereignisse im Juni 2013

Dienstag, 4. Juni

Stadt erlässt ein Durchfahrverbot für die gesamte Altstadt und kündigt den eventuellen Ausfall von Strom, Wasser und Abwasserentsorgung an. Altstadtbewohner sollen sich auf eine Evakuierung vorbereiten.

Mittwoch, 5. Juni

Es wird ein Pegelstand von 10,35 Meter erwartet. Der Landrat ruft den Katastrophenfall aus und kündigt die Evakuierung an. Rund 300 Altstadtbewohner sollen am Donnerstag ihre Häuser verlassen.

Donnerstag, 6. Juni

Die Prognose wird auf einen Pegelstand von 9,20 Meter nach unten korrigiert. Der Katastrophenstab des Kreises revidiert die Evakuierungspläne.

Freitag, 7. Juni

Erleichterung bei den Altstadtbewohnern. Die Polizei hält Schaulustige ab. Altstadtbewohner müssen sich ausweisen, um zu ihren Häusern zu gelangen.

Sonnabend, 8. Juni

Die Prognose wird erneut korrigiert: 10,10 Meter werden nun erwartet. Um 21.30 Uhr erfahren die Altstadtbewohner während einer Versammlung in der Osterwold-Halle, dass sie ihre Häuser am Sonntag nun doch verlassen müssen.

Montag, 10. Juni

Der Pegel steht bei 9,38 Meter. Lebensgefahr für die Retter. Die Feuerwehr baut ihre Pumpen ab, das Wasser kann ungehindert durch die Kanalisation in die Häuser fließen.

Dienstag, 11. Juni

Teile der Altstadt stehen 70 Zentimeter unter Wasser. Der Pegel steht bei 9,60 Meter.

Mittwoch, 12. Juni

Am Morgen erreicht der Pegel 9,64 Meter – 71 Zentimeter weniger als vor einer Woche vorhergesagt. Bis zum Abend sinkt der Pegel auf 9,59 Meter. Der Höhepunkt des Hochwassers ist überschritten.