Lauenburg. Lauenburg. Die in Lauenburg gebaute „Stephaniturm“ war 1981 an der Bergung eines riesigen Goldschatzes beteiligt.

Als der Maschinenbauingenieur Rainer Stoll 1991 seinen neuen Job in der Konstruktionsabteilung der Hitzler-Werft antrat, war er fasziniert von einer Geschichte, die ältere Kollegen immer wieder mit Stolz erzählten. Ein Schiff, das in Lauenburg gebaut wurde, sei in den 80er-Jahren bei der Bergung eines großen Goldschatzes beteiligt gewesen. Das war keineswegs Seemannsgarn, wie Rainer Stoll schnell feststellte. Das Offshore-Service-Schiff „Stephaniturm“ war 1978 bei Hitzler vom Stapel gelaufen – und hatte 1981 in der Barentsee seinen spektakulären Einsatz. Es ging darum, einen riesigen Goldschatz zu bergen, der dort seit dem Zweiten Weltkrieg in der Tiefe lag.

„Gebaut war die ,Stephaniturm’ für Arbeiten an Ölplattformen, um Reparaturen vornehmen oder Bohrungen wieder verschließen zu können“, erzählt Rainer Stoll, mittlerweile zweiter Vorsitzender des Heimatbund und Geschichtsvereins. Die „Stephaniturm“ hatte eine Taucherglocke an Bord – und genau die brauchten jene Schatzsucher, die im August 1981 vom schottischen Aberdeen aus starteten.

Ihr Ziel war das Meer nördlich des Polarkreises, 325 Kilometer von Murmansk entfernt. In 250 Metern Tiefe lag die „Edinburgh“, ein englischer Kreuzer, der 1942 von deutschen Kriegsschiffen zerstört worden war. 60 Männer kamen bei dem Torpedo-Angriff auf die „Edinburgh“ ums Leben, 800 Überlebende ließ der Kommandant von Bord gehen. „Außer der Besatzung nichts gerettet. Das Gold lag in einem Raum, der nach dem ersten Torpedotreffer überflutet worden war“, funkte er an London.

Fünfeinhalb Tonnen Gold sollten an Bord sein

Fünfeinhalb Tonnen Gold sollten noch immer an Bord sein – Teil jenes Entgeltes, mit dem Stalin Waffenlieferungen der USA an die Sowjetunion bezahlen wollte. Ein Schatz von fast unvorstellbarer Größe: „Sein Wert, am aktuellen Preis gemessen, beträgt über 180 Millionen Mark. Er stellt somit das größte all jener unterseeischen Vermögen dar, deren Lage bekannt und auf den diesbezüglichen Kartenwerken eingetragen ist“, schrieb der „Spiegel“ 1981 über die geplante Bergungsspedition.

Viele Goldjäger waren zuvor schon bei dem Versuch gescheitert, das Wrack überhaupt zu orten. Zudem galt das Schiff nach 1945 als „Kriegergrab“, später gab es noch keine Technik, mit der man in so großer Tiefe arbeiten konnte. Doch im Mai 1981 hatte die Bergungsfirma Jessop Marine Recoveries nach jahrelanger Suche endlich Erfolg. Den Experten gelang es, die „Edinburgh“ mithilfe einer Robotkamera zu filmen. „Sie liegt auf der Seite und ist immer noch aus einem Stück“, berichtete der Technische Direktor des Unternehmens. Er sollte auch die Goldsuche von Bord der „Stephaniturm“ aus leiten.

Es war ein hochriskanter Einsatz. Das knapp 70 Meter lange Spezialschiff wurde für die Bergungsaktion noch umgebaut, in Druckkammern an Bord sollten sich die Taucher schon während der Fahrt an die Verhältnisse unter Wasser gewöhnen. „Während ein Computer an Bord der ,Stephaniturm’ das Mutterschiff exakt über dem Wrack in Position hält, werden die Tauchglocke und deren Verbindungskabel durch eine kreisförmige Öffnung bis zu dem Kreuzer abgesenkt“, schrieb der „Spiegel“. Ein Taucher sollte für den Notfall in der Glocke bleiben. Ein anderer musste diese schützende Hülle verlassen, er sollte einen Tauchanzug tragen, durch dessen Schichten heißes Wasser als Schutz gegen die Eiseskälte zirkulierte.

Die „Operation Greyhound“ gelang

„Die Bergung wurde ,Operation Greyhound’ genannt – und sie gelang“, schreibt Günter Lanitzki in seinem Buch „Schatztaucher“. Wie viel Gold bei der spektakulären Aktion tatsächlich gehoben wurde, ist nicht überliefert. So schreibt der „Spiegel“ von 93 Holzkisten, in jeder sollen sich vier Goldbarren befunden haben, jeweils sieben Kilogramm schwer. „Auf 5,5 Tonnen kommt man da nicht“, sagt Rainer Stoll. Tatsächlich ergibt diese Rechnung „nur“ 2,6 Tonnen Gold. Werft-Chef Franz Hitzler ist jedoch überzeugt, dass es mehr war. „Ich besitze sogar noch eine kleine Münze, die die Reederei, die DDG Hansa, damals zu Werbezwecken aus einigen Barren prägen ließ“, erzählt er.

Laut „Schatztaucher“-Autor Günter Lanitzki wurde im September 1981 in Moskau ein Bergungsabkommen unterzeichnet. „Danach trug das Bergungsunternehmen alle Risiken, erhielt dafür 45 Prozent des gefundenen Goldes. Der Rest wurde zwischen der UdSSR und Großbritannien geteilt“, schreibt er. Die „Operation Greyhound“ war beendet – und in Lauenburg ist man noch heute stolz auf das große Abenteuer der „Stephaniturm“.

Was aus dem Schiff geworden ist, weiß Franz Hitzler nicht. Auf der Internet-Plattform www.shipspotting.com gibt es aber ein Foto von ihr – entstanden 2010 in Singapur.