Lauenburg. Lauenburg vor 60 Jahren Leser der Lauenburgischen Landeszeitung diskutieren über den Kirchturm
Wir schreiben das Jahr 1956: Seit acht Jahren haben die Lauenburger mit der D-Markt wieder eine vertrauenswürdige Währung in der Tasche. Doch trotz Vollbeschäftigung müssen viele Familien den Pfennig dreimal umdrehen. Wir blättern im Stadtarchiv (Amtsplatz 4) in den Ausgaben der Lauenburgischen Landeszeitung von 1956.
Lauenburger wollen Wahrzeichen der Stadt zurück
Der Zweite Weltkrieg ist schon elf Jahre vorbei, aber für die Lauenburger noch allgegenwärtig: Der zerstörte Turm der Maria-Magdalenen-Kirche erinnert sie nämlich täglich an die schreckliche Zeit. Bereits Anfang 1956 hatte die Lauenburgische Landeszeitung erstmals zwei Holzmodelle vorgestellt, über die die Lauenburger eifrig diskutiert hatten. In der Ausgabe vom 19. Oktober 1956 präsentiert Architekt Ulrich Flörke gleich vier Turmvarianten für das Lauenburger Wahrzeichen. „Der alte Turm ist wohl noch genügend in Erinnerung, so daß ein Vergleich hier nicht besonders gezeigt werden braucht. Er erscheint unbedingt zu hoch, wenn man ihn neben seiner Umgebung sieht“, zitiert die Zeitung den Architekten. Flörke präsentiert eine Variante, die sieben Meter niedriger war. Außerdem gönnt er sich als weiteren Vorschlag eine „architektonische Spielerei“ und zeichnet allerlei Zierrat an den Turm. Noch zwei weitere Varianten schlägt der Architekt den Lesern vor und serviert auch gleich die Kosten des Projektes: „Das ganze Bauvorhaben soll 35 000 DM kosten, mit Kupferdach (schön wär’s) etwa 20 000 DM mehr.“
Die Reaktion der LL-Leser lässt nicht lange auf sich warten. Nur zwei Tage später erscheint der Leserbrief eines Herrn A. Meyer. „Es ist erfreulich, daß die Planung eines neuen Kirchturms bereits feste Gestalt annimmt. Man sollte man in der Kostenfrage nicht allzu engherzig sein“, begann er sein Schreiben. Kritisch äußert er sich allerdings zur Ansicht des Architekten, den künftigen Turm „schrumpfen“ zu lassen. „Mitten in der Horizontalen der breit hingelagerten Stadt die leidenschaftlich aufstrebende Vertikale des Kirchturms, Ausdruck der Sehnsucht des Menschen empor aus der Enge, empor aus dem Alltag, zu dem, was höher ist als die Vernunft“, schwärmt Herr Meyer, nicht ohne einen kleinen Seitenhieb auf den zugezogenen Architekten: „So selbstverständlich es ist, daß unsere Heimatvertriebenen Anteil am Leben unserer Stadt haben, so meine ich doch, daß die Gestalt der Bauten geprägt sein sollten vom Stilgefühl der norddeutschen Menschen.“
Lauenburgs damaliger Bürgermeister Richard Reuter soll übrigens noch im gleichen Jahr der langen Diskussion ein Ende gemacht haben: „De Tom kümmt so wedder hen, wie he west is!“
Traum erfüllte sich erst 1993
Trotz der kernigen Aussage des Stadtoberhauptes von 1956 mussten die Lauenburger noch viele Jahre warten, bis sie ihren Kirchturm wieder hatten. 1991 hatte der Verein „Freunde und Förderer der Kirche“ endlich das Geld zusammen. Vier Jahre lang hatten die Vereinsmitglieder um Hans-Jürgen Boisen unermüdlich dafür geworben und Spenden in Höhe von 130 000 DM gesammelt. Zusammen mit Fördermitteln waren die Gesamtkosten von 310 000 Mark gesichert. Doch der Lauenburger Kirchenvorstand lehnte aus moralischen Gründen angesichts des schlechten Zustands der Kirchen in der DDR vorerst ab. Ein Jahr später war es dann doch soweit: Der Turm der Maria-Magdalenen-Kirche trägt seitdem wieder einen weithin sichtbaren Kupferhelm.