Lauenburg. Horst Wittenberg schippert im Schlauchboot von Nordenham nach Lauenburg. Hier hat er noch eine Rechnung offen.

Horst Wittenberg ist ein Seemann, wie er im Buche steht: 46 Jahre lang hat er als Schiffsingenieur die Weltmeere befahren und seinen Fuß in aller Herren Länder gesetzt. Nur Neuseeland stehe noch aus, sagt der heute 73-Jährige.

Für diese Reise ist das Schiff, mit dem er zurzeit unterwegs ist, aber auf keinen Fall geeignet. Schon diese Fahrt ist damit abenteuerlich genug: Vor 14 Tagen ist Horst Wittenberg mit einem Schlauchboot in Nordenham gestartet und nach Bremerhaven gefahren. Von dort aus ging es durch das Wattenmeer, wo er mit Windstärke 5 kämpfte, nach Brunsbüttel und weiter auf der Elbe bis nach Lauenburg.

Was hat seine Frau zu diesem waghalsigen Plan gesagt? „Wir sind 40 Jahre verheiratet, davon war ich ein Großteil auf Fahrt“, sagt er, als sei das Antwort genug. Die Seemannsfrau weiß sicherlich, dass ihrem Mann nach einiger Zeit an Land die Decke auf den Kopf fällt. Also hat sie ihm Dauerwurst, Brot und Wasser eingepackt, dazu das grüne Schlafzelt und den Benzinkanister, damit der 5-PS-Motor auf See nicht schlapp macht.

Immer, wenn Horst Wittenberg in den vergangenen zwei Wochen irgendwo sein Nachtlager aufgeschlagen hatte, kamen für die Planung des nächsten Tages Kursdreieck und Zirkel zum Einsatz. „Navigieren verlernt ein Seemann nicht. Schnickschnack, so ein elektronisches Gerät.“ Lauenburg habe er jedenfalls nie aus den Augen verloren.

Seit 47 Jahren in Lauenburg eine Rechnung offen

Warum es Horst Wittenberg ausgerechnet in die Schifferstadt gezogen hat, hängt mit seiner Zeit auf See und ein bisschen mit unserer Zeitung zusammen. Eine Notiz vom Dezember 1969 in der Lauenburgischen Landeszeitung kann er auswendig: „In der Nacht zu Dienstag versuchte ein Unbekannter in das Hotel Zur Alten Post einzubrechen. Als er versuchte, über die Dachrinne in ein Fenster im oberen Stock zu gelangen, stürzte er ab. Trotzdem gelang es ihm, unerkannt der Polizei zu entkommen.“

Was bis heute kaum jemand weiß, der „Einbrecher“ war Horst Wittenberg. Allerdings habe sich die Geschichte anders zugetragen: „Ich war 26 und durfte einen Kapitän nach Lauenburg begleiten. Wir sollten ein auf der Hitzler-Werft gebautes Schiff nach England überführen und übernachteten im Hotel Zur Alten Post“, erzählt er. Zwei, drei Bier und ein paar Kurze – und sein Vorgesetzter musste ins Bett.

Nicht jedoch der junge Horst: „Ich machte einen Zug durch die Gemeinde und bin gründlich versackt“, erinnert er sich. Als er am frühen Morgen das Hotel endlich wiedergefunden hatte, öffnete ihm niemand die Tür. So sei ihm schließlich diese verflixte Dachrinne ins Auge gefallen. „Als mich die Polizei später verhörte, versicherte die Wirtin, für mich die Hand ins Feuer legen zu können. Das war mein Glück, denn sonst hätte ich mir die Seefahrt abschminken können“, ist er sich sicher.

Erst Jahrzehnte später traf er als Schiffsingenieur seinen damaligen Kapitän zufällig in Nicaragua. Beide hätten herzlich über den „Einbruch“ gelacht. Gern hätte sich Horst Wittenberg auch bei der damaligen Wirtin entschuldigt. Doch sie und ihr Mann seien längst verstorben, haben ihm alte Lauenburger jetzt erzählt.

Nach Hause kommen – das Schönste am Seemannsleben

Morgen wird sich Horst Wittenberg mit seinem Schlauchboot wieder auf den Weg nach Hause machen. Wann er in Nordenham ankommen wird, weiß er aber noch nicht. Wo es ihm gefällt, schlägt er sein Zelt auf und lässt sich auf einen Schnack mit Skippern oder „Landratten“ ein. Gesprächsstoff gebe es immer. „Wer ist schon so verrückt, mit einem so lütten Schlauchboot über die Nordee zu schippern?“, fragt er lachend.

Wann er wieder in See stechen wird, weiß Horst Wittenberg noch nicht. Jetzt freut er sich erst mal auf seine Frau – so wie früher, wenn er nach langer Fahrt nach Hause kam. „Das ist schließlich das Schönste am Seemannsleben“, weiß er seit fast 50 Jahren.