Jürgen Plagemann: Vor 50 Jahren holte der Lauenburger Ruderer mit seinem Team olympisches Silber
Vergessen hat Jürgen Plagemann dieses Rennen nicht. Der 15. Oktober bei den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio. Über der Regattastrecke Toda tobte vor dem Finale des Achter-Rennens ein Hurrikan. Die Veranstalter mussten die Entscheidung in der Königsklasse des Rudersports zeitlich nach hinten verlegen. Plagemann erinnert sich: "Das waren widrige Umstände. Bei unserem Rennen war es abends um 20 Uhr stockfinster. Lediglich im Zielbereich wurden Magnesiumfackeln angezündet. Dazu hatten wir auf der Mittelbahn starken Gegenwind, das Siegerboot der USA im Uferbereich deutlich weniger", schildert der 77-Jährige seine legendären sportlichen Momente.
50 Jahre ist dies nun her, und der Silber-Achter will dieses Jubiläum zu einer Zusammenkunft während der Internationalen Ratzeburger Ruderregatta (14. und 15. Juni) nutzen. Sechs von acht Medaillengewinnern leben noch, und Jürgen Plagemann ist die Triebfeder des Wiedersehens, brachte eine Rundmail auf den Weg. Nicht einfach, wenn sich die damalige Crew weltweit verteilt hat.
"Es war eher eine Zweckgemeinschaft", sagt Plagemann rückblickend, "man hat ein Ziel und arbeitet daraufhin." Das war olympisches Gold - das wurde aber verpasst. Vor Olympia formierte sich das 1961 neue deutsche Flaggschiff, war ab dem Folgejahr ungeschlagen unter dem legendären Trainer Karl Adam und holte den Triumph bei Premieren-Ruder-WM in Luzern (1962) sowie zwei Europameistertitel in Kopenhagen (1963) und Amsterdam (1964). Sogar der ehemalige amerikanische Präsident John F. Kennedy, selbst ein passionierter Rudersport-Fan, wollte das deutsche Team kennenlernen, was vor Olympia der Konkurrenz aus USA und UdSSR serienweise das Nachsehen gab. "Was mich bei Kennedy faszinierte: Er kannte sich aus, wusste unsere Namen und redete uns mit dem Vornamen an." Hätte der am 22. November 1963 ermordete Kennedy noch gelebt, hätte er ein paar Monate später jedoch seine Landsleute bejubeln dürfen. "Bei Olympia 1964 waren die Amerikaner einfach besser", sagt Plagemann.
Dennoch blickt der 77-Jährige auf eine stolze Sportlerlaufbahn zurück. Denn diese ging nicht automatisch mit dem Ausscheiden aus dem Achter nach Tokio zu Ende. Plagemann betreute sieben Jahre lang die Ruder-Nationalmannschaft (1978-1985), war außerdem bis zum Jahre 2000 30 Jahre lang Chef der Verwaltung des Bundesleistungszentrums der Ruderer in Ratzeburg. Neben der aktiven Olympia-Teilnahme schaffte er es als Funktionär zwei weitere Mal zu den Spielen: 1972 in München als Rennbeobachter, 1984 in Los Angeles als Berater des Deutschen Ruderverbands. Zudem erruderte sich der ehemalige Leistungssportler sämtliche Flüsse und Seen in Deutschland, dazu weitere Touren durch Ägypten oder Kanada.
Auch mit 77 Jahren sitzt Lauenburgs einziger Medaillengewinner bei Olympia noch zweimal pro Woche im Boot. Dienstags nachmittags ist er in seinem Stammverein RG Lauenburg im Rentner-Achter unterwegs. 16 Kilometer werden wöchentlich auf der Elbe abgespult. Außerdem fährt der gelernte Versicherungskaufmann immer Donnerstag früh zum RC Allemannia. Um 6.30 Uhr wird der "Boston-Achter" der Senioren zu Wasser gelassen, eine Rudergemeinschaft, die sich nach der legendären "The Head of the Charles regatta" in der Hauptstadt des US-Bundesstaats Massachusetts benannte. "Ich muss mich sportlich betätigen. Zum anderen ist es diese Gemeinschaft, die ich nicht missen möchte."
Und war schon in Kindertagen so. Seit er zehn Jahre alt war, packte Jürgen Plagemann das Ruderfieber. Vater Hermann, selbst einmal Deutscher Vizemeister im Einer, gehörte zum Gründungsstab der RG Lauenburg im Jahre 1926. "Während mein Vater als Kassenwart abrechnete, probierte ich mich mit zehn Jahren erstmals im Einer", sagt Plagemann. 1957 zog es ihn beruflich nach Hamburg und sportlich dann zur Allemannia, wo er bei Trainer Otto Wille Einerrennen bestreiten wollte. Der bot aber stattdessen einen Sitz im Achter an, wovon Plagemann erst gründlich überzeugt werden musste. Mit gutem Erfolg, wie sich herausstellte - und beinahe mit dem olympischen Triumph in düsterer Nacht.