Hochwasser-Bilanz: Elb-Anrainer hoffen auf schnelle Hilfe - und haben einiges zu kritisieren
Fast 100 000 Euro für die vom Hochwasser in seiner Stadt betroffenen Menschen sind bereits auf dem Spendenkonto eingegangen. Gerade brachte die Firma Colgate zusätzlich zu einem Sattelzug voller Putzmittel noch 10 000 Euro in bar mit. Zur Fluthelfer-Party wird zudem Gerhard Stephan von den "Kielschweinen" eine 1000-Euro-Spende des befreundeten Shanty-Chores aus dem Ostseebad Kellenhusen mitbringen. Am vergangenen Wochenende bekam Thiede in Harmstorf bei Lensahn an der Ostsee mehr als 4000 Euro Erlös eines Fußballturniers für die Flutopfer in die Hand gedrückt. Und am kommenden Sonntag startet ein Benefiz-Tag in Geesthacht.
"Wir werden uns große Gedanken darüber machen müssen, wie wir das gespendete Geld, das eins zu eins den Betroffenen zugute kommen soll, gerecht verteilen", sagt Thiede. Seine Idee ist, mit einigen Betroffenen sowie Vertretern der Parteien und der Kirche einen Arbeitskreis zu gründen, der sich darum kümmert. "Ein Einzelner kann diese Entscheidungen nicht treffen", so Thiede. Persönliche Verhältnisse sollen ebenso Berücksichtigung finden wie der Grad der Betroffenheit und der Schwere der Schäden.
Mittlerweile hat die Bundesregierung auch den Flut-Fonds mit acht Milliarden Euro freigegeben. "Wenn wir von diesem Geld nur ein Prozent nach Lauenburg holen könnten, wäre uns sehr geholfen, sagt der Bürgermeister. Das wären 80 Millionen Euro von Bund und Ländern.
Wie dringend Geld benötigt wird, zeigt die Situation vieler Betroffener. "Ich fange jetzt erst an, die Schäden aufzunehmen. Ich habe mir eine Auszeit gegönnt, weil ich keine Sandsäcke mehr sehen konnte", berichtet Axel Müller-Blech. Der Glasbläser lebt in einem 1876 errichteten Haus an der Elbstraße 56. "Das Wasser ist durch den Keller reingekommen und in den Wänden hochgekrochen, weil ich ja evakuiert war und nicht mehr pumpen durfte", sagt er. Ähnlich sieht es auch bei Jürgen Mahnecke einige Häuser elbabwärts aus. "Nach ersten Schätzungen habe ich einen Schaden von mehr als 55 000 Euro", sagt er. Zurzeit stemmt er den Estrich im Erdgeschoss raus, wirft passgenaue Einbauschränke auf den Müll: "Das muss alles neu."
In größeren Dimensionen bewegt sich die Schaden-Einschätzung von Yildiz Frühauf, Hafenmeisterin der stark verwüsteten Marina. Auf 400 000 Euro beläuft sich ihre vorläufige Bilanz. Dazu hadert sie mit der Lauenburger Feuerwehr, die Wasser aus der Kanalisation auf das Gelände gepumpt hätte. "Die haben die Dreckbrühe quasi direkt an Wohn- und Restaurantgebäude gepumpt, obwohl ich sie gebeten habe, die Schläuche weiter weg zu platzieren. Jetzt stinkt es hier nach Fäkalien", schimpft sie und hofft auf schnelle Unterstützung aus dem Hilfsfonds: "Wenn das Geld nicht bald kommt, müssen wir Kredite aufnehmen."
Mit Unterstützung zahlreicher Freunde hat Sönke Ellerbrock vom Hotel "Zum alten Schifferhaus" bereits weitgehend klar Schiff gemacht. "Es ist einfach nur traurig", sagt Ellerbrock. Das Wasser stand stellenweise bis zu 70 Zentimeter hoch im Erdgeschoss seines 350 Jahre alten Hauses. Und "klar Schiff" bezieht sich nur auf den Abriss der zerstörten Einrichtung. "Wir haben hier mehr als 400 Schubkarren Schutt rausgefahren", sagt Holger Krause, der gemeinsam mit Uli Schulz und Thorsten Jenckel noch immer nassen Putz abschlägt.
Nur langsam kehrt unterdessen in der Lauenburger Altstadt auch wieder normales Leben ein. "Wir sind mit einem blauen Augen beim Hochwasser davongekommen, leiden jetzt aber darunter, dass viele Menschen die Elbstraße meiden", sagt Maik Peters vom "Altstadtfriseur". Peters: "Die Menschen denken, hier wäre alles im Chaos versunken. Aber es muss ja weitergehen." Darauf hofft auch Ellerbrock. "Im Hotel biete ich wieder Übernachtungen an, das Frühstück und kleine Speisen gibt es dank einer in Zelten auf der Terrasse untergebrachten Notgastronomie", erklärt der Wirt.