Lauenburg. Der Knecht, der hier oben früher die Winter verbracht hat, hatte kein leichtes Leben. “Er hat jämmerlich gefroren, immerhin wurde es bis zu minus 20 Grad kalt und das Dach war überhaupt nicht isoliert“, erzählt Dr. Wichmann von Meding.

Der Lauenburger Historiker hat 1994 das Haus an der Elbstraße 85 gekauft und dessen Geschichte erforscht. Er öffnet die alte Tür zum alten Dachboden. Plötzlich steht man hier im Mittelalter. "Der Boden ist noch im Urzustand. Hier hat seit dem Bau des Hauses 1517 niemand viel verändert", erzählt von Meding. Abgestandener Geruch, Spinnenweben, altes Holz und Gemäuer - all das erzählt Geschichten von über 500 Jahren.

"Als das Haus Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet wurde, zählte es zu den größten Gebäuden der Stadt", sagt von Meding. Es gehörte der Kaland-Bruderschaft, die sich ihren Lebensunterhalt durch Handel verdiente. Und so nimmt von Meding an, dass der Dachboden als Lagerraum diente. Davon zeugt auch noch eine alte Seilwinde aus dem Jahr 1517 an der Decke des Bodens. "Die Radwinde stammt aus dem Jahr 1517 und wurde im 19. Jahrhundert vom Polsterer Peter Rieckmann an diese Stelle versetzt", sagt von Meding. An der Winde wurden Waren durch eine Luke hinauf- und hinabgelassen.

Wichmann von Meding hat lange an der Geschichte seines Hauses geforscht. Beeindruckt habe ihn, wie sparsam die Menschen mit Material umgingen. "Wenn eine Holzplatte eine Kante hatte, dann wurde die nächste passend gemacht, um kein Holz zu verschwenden", sagt er und weist auf eine eben solche Diele. Teilweise sind die Dielen hier oben zerfressen. Spannend auch der schräge Kamin. "Ich vermute, dass man hier einen Schornsteinfegerjungen durchgeschickt hat, damit er mit seinem Körper fegt. Damit er hochkam, hat man den Kamin schräg gebaut."

Nachdem sich die Kaland-Bruderschaft während der Reformationszeit aufgelöst hatte, riss sich der Fürst Franz I., Herzog zu Sachsen, Engern und Westphalen, 1555 das Haus unter den Nagel und brachte dort diplomatische Vertreter unter. Als das Fürstengeschlecht ausstarb, kaufte im Jahre 1704 eine Brauerei das Haus an der Elbe.100 Jahre lang wurde hier Bier gebraut und Schnaps gebrannt. Hopfen, Malz und Korn hat man wahrscheinlich auch auf dem Dachboden gelagert.

Von Meding hat recherchiert, dass zeitweise 17 Personen in dem Haus lebten. "Damals wurde sicher auch der Dachboden genutzt, um Dienstpersonal unterzubringen", so von Meding. Davon zeugen auch noch Tapetenreste aus dem 19. Jahrhundert an der Wand einer Kammer des Dachbodens. Direkt neben diesem Raum ist die alte Räucherkammer des Hauses. Wo früher Schinken haltbar gemacht wurde, hängen heute Spinnenweben. Die Balken sind jedoch noch immer rabenschwarz.

Nach der Brauersfamilie lebten im 19. Jahrhundert ein Konditor, ein Schuster und zwei Polsterer im Haus. Einer von ihnen war Peter Rieckmann. Sein Knecht - eben jener, der im Winter in der kleinen Kammer so fror - stopfte hier oben auch Matratzen mit Seegras. Und er war wohl froh, wenn es Sommer war in Lauenburg und er ohne zu bibbern auf dem geschichtsträchtigen, aber in der kalten Zeit sehr ungemütlichen Dachboden einschlafen konnte.