Geesthacht. Ihre Heimat ist Kenia, Marokko und die Philippinen. Wie 18 Männer in Geesthacht zu Berufskraftfahrern für Edeka ausgebildet werden.

Sie sind für den Fahrdienst Uber gefahren, haben Kleinlaster oder Bagger bewegt – in Afrika und den Philippinen. In einem Pilotprojekt werden 18 Männer derzeit im Verkehrsbildungszentrum (VBZ) an der Leibnizstraße für Edeka Nord zu Berufskraftfahrern ausgebildet.

Einer von ihnen ist Daniel Ryoba aus Kenia. Der 25-Jährige hat in Nairobi Informatik studiert, nebenbei als Taxi- und Baggerfahrer gejobbt. Als er über lokale Arbeitsvermittler vom Jobangebot aus Deutschland hörte, hängte er sein Studium an den Nagel: „Natürlich spielt das Geld eine Rolle. Hier kann ich viel mehr verdienen als in Kenia“, sagt Ryoba.

Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Berufskraftfahrer

Seit vergangenen Herbst ist er in Deutschland, macht ganz regulär eine dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer: „Ich gebe richtig Gas“, sagt der 25-Jährige, der sich wie alle Kenianer zunächst umgewöhnen musste: In der ehemaligen britischen Kolonie gilt Linksverkehr. Dass alle Teilnehmer hochmotiviert sind, bestätigt Karsten Renner, Büroleiter des Bildungsträgers VBZ.

Wie die übrigen 16 Kursteilnehmer sprechen Ryoba und Elefu sehr gut deutsch, denn das war eine Voraussetzung, um ausgewählt zu werden. „So eine Chance bekommt man nur ein Mal im Leben“, sagt auch Elefu Elefu (32) aus Mombasa in Kenia.

Ein Gespräch auf Deutsch führen ist Voraussetzung

„Unsere neuen Mitarbeiter mussten mindestens den B 2-Level nachweisen“, sagt Katharina Weste, Personalleiterin im Edeka Nord Fleischwerk in Lüttow-Valluhn in Mecklenburg-Vorpommern. B 2 bedeutet, komplexe deutsche Texte verstehen und ein Gespräch auf Deutsch führen zu können. Das nächste Level C 1 ist Voraussetzung für die Zulassung an einer deutschen Uni. Mindestens ein halbes Jahr haben die Edeka-Azubis deshalb in ihren Heimatländern eine Sprachschule besucht. Mit dem Ausbildungsvertrag haben sie ein zunächst auf sechs Monate befristetes Arbeitsvisum erhalten, das jetzt bis zum Ende der Ausbildung verlängert wurde. Nach der Ausbildung müssen die Einwanderer dann die nächste Verlängerung beantragten.

18 Berufskraftfahrer werden im Verkehrsbildungszentrum (VBZ) in Geesthacht derzeit auf ihre Tätigkeit bei Edeka Nord vorbereitet. Daniel Ryoba und Fahrlehrer Sven Unger am Steuer eines nagelneuen Mercedes Actros.
18 Berufskraftfahrer werden im Verkehrsbildungszentrum (VBZ) in Geesthacht derzeit auf ihre Tätigkeit bei Edeka Nord vorbereitet. Daniel Ryoba und Fahrlehrer Sven Unger am Steuer eines nagelneuen Mercedes Actros. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Früher wechselten viele Zeit- und Berufssoldaten in die Logistikbranche

Für Edeka Nord ist es ein Pilotprojekt: Mitarbeiter aus 18 Nationen arbeiten bereits im Fleischwerk vor allem als Fleischer, Lagerist oder Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Neben zahlreichen Mitarbeitern aus Osteuropa sollen die Afrikaner und Filipinos helfen, den Fachkräftemangel zu decken. Im Kraftfahrtgewerbe gebe es dafür vor allem zwei Gründe, sagt Sven Mischinger-Palme, Schulungsfahrer bei Edeka Service und Logistik in Valluhn: „Es ist zum einen der demografische Wandel, zum anderen die Bundeswehr.“ Früher seien viele Zeit- und Berufssoldaten nach ihrer Bundeswehrzeit mit dem dort erworbenen Lkw-Führerschein in die Logistikbranche gewechselt – mussten ihren Führerschein nur umschreiben lassen. Für die gewerbliche Nutzung des Lkw-Führerscheins ist mittlerweile aber eine Berufskraftfahrerqualifizierung mit entsprechenden Kosten- und Zeitaufwand notwendig. Mischinger-Palme: „Diesen zusätzlichen Aufwand scheuen viele, wechseln dann gleich in andere Branchen.“

Karsten Renner ist Büroleiter im Verkehrsbildungszentrum (VBZ) an der Leibnizstraße: 18 künftige Berufskraftfahrer aus Kenia, Philippinen und Marokko büffeln dort im Auftrag von Edeka Nord für ihre Führerscheinprüfung.
Karsten Renner ist Büroleiter im Verkehrsbildungszentrum (VBZ) an der Leibnizstraße: 18 künftige Berufskraftfahrer aus Kenia, Philippinen und Marokko büffeln dort im Auftrag von Edeka Nord für ihre Führerscheinprüfung. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

„Für uns ist das auch etwas komplett Neues“, sagt Karsten Renner, VBZ-Büroleiter in Geesthacht. An fünf Standorten in Norddeutschland bietet der Bildungsträger Aus- und Weiterbildungsformate für die Logistikbranche an: Neben den Führerscheinen für Lkw und Busse werden auch Mitarbeiter an Gabelstapler, Ladekränen oder in der Ladungssicherung ausgebildet. Obwohl die Schüler als Muttersprache Englisch, Kisuaheli, Filipino oder Französisch mitbringen, wird an der Leibnizstraße ausschließlich auf Deutsch unterrichtet. „Das ist wichtig und wir halten unsere Schüler an, auch untereinander deutsch zu sprechen, denn auch die Fahrprüfung verläuft auf Deutsch“, so Renner.

Schnee und Eis sind die größte Herausforderung

Ryoba und Elefu haben bereits Theorie und Praxis für die Pkw-Klasse B bestanden, dürfen damit Autos und Kleinbusse fahren – und müssen dies auch tun. Die Fahrschüler sind nämlich in von Edeka angemieteten Wohnungen bei Boizenburg und Malchow an der Mecklenburgischen Seenplatte untergebracht und kommen für die Schulung täglich nach Geesthacht. Zunächst hatte Edeka für die Shuttlefahrten eine Taxiunternehmen beauftragt, jetzt können jedoch schon einige der Teilnehmer selber den Transport per Kleinbus übernehmen.

„Das Aufregendste war der Schnee. Winter kennen wir bei uns nicht“, sagt Elefu. In Mombasa sei es nie kälter als 26 Grad. Mit Schnee und Eis auf den Straßen klarzukommen, sei nicht einfach gewesen: „Da sind wir sehr langsam gefahren“, so Elefu. Und noch etwas ist den beiden Kenianern aufgefallen: „Die Verkehrsregeln in Deutschland sind sehr komplex“, so Ryoba. Es gebe praktisch keine Straße, die ohne Verkehrsschilder und -regeln auskomme.

Familien zu Hause sind auf Unterstützung angewiesen

Der beständige Wechsel zwischen Sonnenschein, Schnee und Regen sei für ihn das Ungewöhnlichste in Deutschland, sagt auch Norman Roissing von den Philippinen. „Wir haben ein eher gleichmäßiges Wetter“, sagt Roissing, der regelmäßig seiner Frau und den zwei Kindern in der Heimat Geld überweist. Ob er sie nachholen wird, weiß der 32-Jährige, der in Manila für den Fahrdienst Uber gefahren ist, noch nicht: Auf den Philippinen gebe es eine lange Tradition der Arbeitsmigration, so der 32-Jährige: „Viele Filipinos fahren zur See oder arbeiten in den arabischen Staaten, während die Familie zu Hause ist.“ Laut einer Studie der Universität der Philippinen haben zwölf Prozent aller Haushalte mindestens ein Mitglied, das im Ausland arbeitet.

Norman Roissing (32) hat in Manila als Uber-Fahrer gearbeitet. Am Simulator im Geesthachter VBZ übt er jetzt das Fahren mit einem Lkw.
Norman Roissing (32) hat in Manila als Uber-Fahrer gearbeitet. Am Simulator im Geesthachter VBZ übt er jetzt das Fahren mit einem Lkw. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Für Edeka Nord sei dies ein Pilotprojekt, betont Katharina Weste: „Wir bauen unsere Netzwerke gerade auf.“ Zunächst wolle man aber den Erfolg dieses Projekts abwarten, plane keine neue Anwerbeaktion im außereuropäischen Ausland. Das Unternehmen erhalte allerdings durchaus Initiativbewerbungen, habe gerade vier Marokkaner eingestellt.

Angefangen habe man vor einigen Jahren in den von Edeka selber betriebenen Regiemärkten, dann habe die seit 2022 ebenfalls zur Edeka gehörende Bäckerei von Allwörden in Mölln Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland eingesetzt. Nun sind das Fleischwerk und die Logistikabteilung gefolgt. Insgesamt beschäftigt Edeka derzeit neben den 18 Kraftfahr- zwölf Fleischerei- sowie 44 Bäcker- und Konditorei-Auszubildende.

Wer auf der Suche ist: Edeka bietet am Standort Valluhn Ausbildungsplätze in zehn Berufen vom Berufskraftfahrer bis zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik an. Auch Quereinsteiger sind willkommen. 1200 Euro verdienen sie als Kraftfahr-Azubi im ersten Lehrjahr, im dritten werden es knapp 200 Euro mehr sein. Als Berufskraftfahrer liegt das Grundgehalt dann bei 2700 Euro, hinzu kommen Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit.