Geesthacht. Rund 500 Zuschauer im Autohaus Brinkmann erleben deftig-freches Sports-Entertainment – und eine wundersame Auferstehung.
„Move“ (englisch: Bewegt euch), herrscht der US-amerikanische Wrestler Karam ein Teil des Publikums im Autohaus Brinkmann an. Jetzt werden die Ordner unruhig. Sie eilen herbei und signalisieren den verdutzten Besuchern, dass sie schnellstmöglich ihre Sitze räumen müssen. Karam, aktueller Champion im FIP World Heavyweight, hat den Titelkampf gegen Florenz de la Hunt kurzerhand außerhalb des Wrestling-Rings verlegt. Kaum sind die Zuschauer aufgesprungen, pfeffert Karam seinen Hamburger Herausforderer in hohem Bogen in zehn Reihen von Klappstühlen. Dort bleibt de la Hunt regungslos liegen – ganz so, als ob er schwer verletzt wäre.
Wrestling – eine Show, die 500 Gäste im Autohaus verfolgen
Die Szene ist der spektakuläre Höhepunkt des ersten Wrestling-Kampfabends im Geesthachter Autohaus Brinkmann. Rund 500 Zuschauer sind gekommen, um die sieben Kämpfe des Veranstalters Power of Wrestling (POW) zu sehen – und die meisten dürften ihr Kommen nicht bereut haben.
Denn wie die anwesende deutsche Catcher-Legende Ulf Hermann (Herman the German) richtigerweise feststellt: „Wrestling ist Sports-Entertainment.“ Und die Massen zu unterhalten, verstehen die Kämpfer. Sie spielen mit dem Publikum, in ihren zum Teil festgelegten Rollen von „Gut“ und „Böse“. Die Catcher gehen auf Rufe aus dem Publikum ein, auf die sie teilweise empört reagieren.
Der Geesthachter Waldemar Redmann kannte Wrestling zuvor nur aus dem Fernsehen. Seine Freunde Nikolas Kaiser und Torsten Ruchotzki waren vor gut 30 Jahren als Kinder ein einziges Mal beim Catchen in der Alsterdorfer Sporthalle, als noch ein gewisser Hulk Hogan im Ring stand.
Nun verbringen sie einen launigen Abend im Autohaus Brinkmann, in dem bereits Justus Frantz am Klavier spielte oder mehrere Box-Veranstaltungen stattfanden. Die Karten haben sie Ruchotzki zum Geburtstag geschenkt. Je länger der Abend wird, desto mehr tauen sie auf – wie der Großteil des Publikums, darunter viele Familien mit Kindern.
Choreografie im Ring: Mit viel Tamtam geht es bei den Kämpfen zu
Das Publikum springt immer wieder auf und fühlt mit den Kämpfern, wenn sie mit lautem Scheppern auf dem (gefederten) Ringboden aufschlagen, nach akrobatischen Sprüngen ihres Kontrahenten zu Fall gebracht werden oder sich mit der Hand laut klatschende Schläge auf die Haut geben. Ein Zweier-Team trägt den passenden Namen „Watschn Club“.
Der Präsident von Power of Wrestling, Jörg Vespermann, trägt dazu ein knallbuntes Jacket mit Comic-Sprechblasen-Sprüchen wie „Bam“, „Pow“ oder „Zap“, die an die alte Batman-TV-Serie aus den 1960er-Jahren erinnert.
Mit viel Tamtam ging es auch in den Kämpfen zu. Vier sieht das Geesthachter Publikum vor der Pause, darunter einen Dreier- und einen Zweier-Team-Kampf. Nach der Pause stehen zwei Titelkämpfe an. Das Duell um den Intercontinental Titel der POW zwischen Hektor und Marius Al-Ani endet unentschieden. Beide Kämpfer hatten den Ring zu lange verlassen.
Im Anschluss folgt der eingangs geschilderte Kampf zwischen Florenz de la Hunt und dem US-Amerikaner Karam. Und siehe da: Florenz de la Hunt erlebt nach dem Wurf in die Stühle eine wundersame Auferstehung und wird nach einem Sprung vom obersten Ringseil neuer Champion.
Krönendes Finale ist dann ein großer Royal Rumble. Bei dieser Kampfart beginnen zwei Kontrahenten, nach jeder Minute stößt ein weiterer hinzu. Wer über das oberste Seil aus dem Ring geworfen wird, ist raus. Wer zuletzt übrig bleibt, hat gewonnen. Insgesamt sind 20 Wrestler dabei – ein herrliches Durcheinander. Unter den Kämpfern war mit der 19-jährigen „Bozilla“ auch eine junge Frau. Ihr wurde das Wrestling-Gen in die Wiege gelegt. Sie ist die Tochter von Herman the German.
Geburtstagskind Ruchotzki und seine Freunde rufen derweil immer wieder: „Heisenberg. Heisenberg.“ So heißt ihr neuer Favorit. Sie hatten zuvor nie von ihm gehört, den 1,97 Meter großen und 140 Kilogramm schweren Koloss aber sofort ins Herz geschlossen. Nun feuern sie ihn bedingungslos an, als dieser beim Royal Rumble als Erster den Ring betritt.
2,24-Meter-Wrestler Jannik „King Size“ Könecke gewinnt
„Am Anfang war es ein bisschen fremdschämen. Aber jetzt finde ich es geil. Man sieht, dass es gespielt ist, aber sie schonen sich nicht. Das ist echt cool. Geesthacht braucht mehr davon“, freut sich Ruchotzki, der die Karten zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, über einen gelungenen Abend. Selbst wenn ihr „Heisenberg“ als Vorletzter im Rumble ausscheidet. Es gewinnt Deutschlands größter Wrestler, der 2,24 Meter große Jannik „King Size“ Könecke.
Bekir Kabirci, der mit Sohn und Neffe gekommen ist, nutzt später die Gelegenheit, um Selfies mit den total nahbaren Kämpfern zu machen. Dass diese im Seilgeviert zuvor unerbittliche Konkurrenten gemimt hatten, davon ist später nichts mehr zu erkennen – auch wenn die Kämpfer wie Florenz de la Hunt am Ende teilweise dicke rote Striemen davontragen. Es ist zwar viel Show dabei, trotzdem will auch Fallen gelernt sein.
„Das war ein interessantes Experiment. Ich muss sagen: Die Wrestler machen eine schöne Show, die Stimmung ist gut“, kann sich Axel Brinkmann vom Autohaus eine Wiederholung mit Wrestling vorstellen. Zunächst aber steht am 1. Oktober wieder mal eine Ü40-Party im Autohaus an.