Hamwarde. An den Straßen nach Geesthacht und Worth fehlen die Hinweistafeln. Blöd nur, dass sich das auch nicht so schnell ändern wird.
Als um die Jahrtausendwende das Internet populär wurde, fragte Tennisstar Boris Becker einst in einer Kult gewordenen TV-Werbung: „Bin ich schon drin, oder was?“ Genauso dürfte es Autofahrern derzeit gehen, die über die Geesthachter Straße nach Hamwarde kommen. Doch die Frage, ob man schon im Dorf „drin“ ist oder nicht, kann aktuell gar nicht so leicht beantwortet werden.
An dieser Stelle fehlt seit einigen Wochen das Ortsschild. Ein Autofahrer knallte bei Glatteis dagegen. Doch damit nicht genug: Langsam gehen Hamwarde die Schilder aus. Denn seit Donnerstag fehlt auch das Schild am anderen Ende des Ortes in Richtung Worth. Dort konnten Unbekannte die gelbe Tafel offenbar gut gebrauchen und schraubten sie ab.
Vorerst freie Durchfahrt: Ortsschilder haben lange Lieferzeiten
Die „freie Durchfahrt“ (Bürgermeister Friedrich Wilhelm Richard) wird eine Weile so bleiben. Der SPD-Politiker hat zwar ein neues Schild sowie einen neuen Rahmen, der bei dem Unfall beschädigt worden war, bestellt. Aber: „Wann die Lieferung erfolgt, konnte nicht mitgeteilt werden“, erklärt Richard.
Es handele sich bei Ortsschildern um Sonderanfertigungen mit gewissen Gütenormen, die erfüllt werden müssen, teilt der schleswig-holsteinische Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) mit. Und weiter: „Die Lieferzeiten sind überall sehr lange. Ein Neubeschaffung dauert vier bis sechs Wochen.
Entwendetes Hamwarder Ortsschild wurde auf Facebook präsentiert
Die Kosten, um eine neues Schild samt Rahmen aufzustellen, belaufen sich auf rund 300 Euro. Beim gestohlenen Schild hat der Bürgermeister Anzeige erstattet, die Versicherung des Unfallverursachers trägt die anderen Kosten. „Vor allem bedeutet so ein geklautes Schild aber viel Ärger für mich“, sagt Friedrich Wilhelm Richard.
Vor einigen Jahren hatte der Bürgermeister Glück, als ein entwendetes Hamwarder Ortsschild auf Facebook präsentiert wurde und dadurch wiederbeschafft werden konnte. Doch meist verschwinden die Ortsschilder für immer in den Partykellern oder Gartenlauben der Souvenir-Jäger.
Wacken bietet Ortsschilder inzwischen zu Kauf an
Und so ein Diebstahl ist keine Seltenheit. Erst kürzlich wurden Schilder in Trittau und Rümpel (Kreis Stormarn) geklaut. Der Kreis Herzogtum Lauenburg verzeichnete 2021 rund zehn entwendete Ortsschilder auf Straßen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen.
Doppelt geklaut wurde keins. Andere Gemeinden mit lustigen oder beliebten Namen sind da schwerer getroffen. Der Bürgermeister von Wacken bietet nach unzähligen Diebstählen die bei Heavy-Metal-Fans beliebten Tafeln inzwischen zum Kauf an. Auch die Gemeinden Kalifornien und Brasilien (Kreis Plön) können ein Lied davon singen. 2017 fehlte in den Vier- und Marschlanden monatelang das Schild, das Kirchwerder und Neuengamme trennte.
„Fucking“ zu oft geklaut: Ort in Österreich benennt sich um
Zu einer radikalen Maßnahme griff ein österreichisches Dorf an der deutschen Grenze. Weil das im In- und Ausland begehrte Ortsschild „Fucking“ so oft geklaut wurde, benannte sich die Gemeinde 2021 kurzerhand um und heißt jetzt „Fugging“.
Einen neuen Namen für sein Dorf sucht Hamwardes Bürgermeister noch nicht. Und auch um vermeintliche Raser, die wegen der fehlenden Beschilderung innerorts nicht auf die Bremse treten, muss er sich keine Sorgen machen. Auch ohne die gelbe Tafel, die die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Stundenkilometern kennzeichnet, haben Kraftfahrer keinen Freifahrtschein, was das Tempolimit angeht, wie Fahrlehrer Ralf Hapke erläutert. „Wenn ein Prüfling mit 70 oder 80 hier durchbrettern würde, wäre die Fahrt an dieser Stelle sofort beendet. Ein Fahrer muss auch anhand von baulichen Gegebenheiten erkennen, dass er in einer Ortschaft unterwegs ist.“