Geesthacht. Die ersten “Spaziergänge“ fanden mit 14 Personen statt. Jetzt sind es bereits 100 Impfpflicht-Gegner, die sich montags treffen.

Etwa 100 "Spaziergänger" und 32 Gegendemonstranten – so viele waren es noch nie. Es wird voller am Montagabend auf dem Rathausplatz in Geesthacht, wo sich die Kritiker der Impfmaßnahmen treffen, um zum Rundgang durch die Innenstadt zu starten. „Wir sind Gegner der Impfpflicht“, stellte einer von ihnen klar, der seinen Namen nicht nennen möchte. So seien einige der Teilnehmer sehr wohl gegen Corona geimpft. Gestartet wurden die Spaziergänge Ende Dezember von 14 Leuten.

Alles blieb friedlich, die Meinung der Gegendemonstranten wurde im Wesentlichen durch das Hochhalten von selbstgemalten Plakaten geäußert, die meisten standen zusammen und versprühten gute Laune. Es herrschte fast die Stimmung eines Happenings.

Corona-Protest in Geesthacht: Bürgermeister Schulze im Gespräch mit Spaziergängern

Auch Bürgermeister Olaf Schulze mischte sich erneut unter die Menge, stand für Gespräche bereit und räumte ein Missverständnis aus. Es hatte fälschlich geheißen, er habe über die "Spaziergänger" geäußert, man könne mit ihnen nicht reden. „Doch, kann man“, beteuerte er.

„Es ist sehr wichtig, dass wir keine tiefen Gräben zwischen uns ausheben, die wir nicht mehr zuschütten können. Wir müssen im Gespräch bleiben.“ „Sehr vorbildlich, dass er sich der Diskussion stellt“, lobte dann auch jemand aus den Kreisen der Impfpflichtgegner.

Die Polizei begleitete den friedlichen Marsch durch Geesthacht

Die Polizei bildete den Abschluss der Gruppe.
Die Polizei bildete den Abschluss der Gruppe. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Um 18 Uhr setzte sich der Trupp in Bewegung zum Rundgang durch die Stadt. Der Aufmarsch der Polizei war moderat. Ein Streifenwagen parkte neben der Wache, ein weiterer begleitete die "Spaziergänger", er bildete den Abschluss – fast wie bei einem Laternenumzug.

„Eine klassische Demo ist das hier nicht“, meinte dann auch Kai Bretsch vom Geesthachter Polizeirevier. Er konnte keine Lager ausmachen wie Rechts gegen Links. Bretsch: „Was mich besonders freute: Übergreifend aus beiden Seiten haben uns viele ihr Mitgefühl ausgedrückt wegen der beiden erschossenen Kollegen in Rheinland-Pfalz, sogar Kerzen wurden vor die Wache gestellt.“

Doch trotz der bisher unproblematischen Stimmung – die Polizei wird die "Spaziergänge" weiterhin begleiten, erläutert die Polizeidirektion Ratzeburg. „Es ist eine Gratwanderung. Lassen wir die Kräfte weg, gibt es vielleicht beim nächsten Mal Stress“, erklärt PD-Sprecherin Jacqueline Fischer. „Wir machen stets eine aktuelle Lagebewertung, gehen mit Augenmaß und angemessenem Kräftebedarf ran. Wir betreiben Recherchen, behalten die einschlägigen Portale im Auge.“

Teilnehmer hätten angeblich keine „rechte Gesinnung“

Am Ball bleibt vor Ort auch die Gruppe Omas gegen Rechts. „Wir möchten vor der Unterwanderung von Rechts warnen, was allerdings in Geesthacht nur ein unterschwelliges Problem ist“, räumt Renate López ein. „Außerdem möchten wir für die Impfung werben. Je mehr gesunde Erwachsene geimpft sind, desto weniger Chancen hat das Virus, sich zu verbreiten oder weiter zu mutieren.“

Einer der "Spaziergänger", der namentlich ungenannt bleiben möchte, wehrt sich vehement, in die rechte Ecke gestellt zu werden, beteuert, Grün- und SPD-Wähler zu sein. Auch ansonsten habe er keinen mit rechter Gesinnung auf den "Spaziergängen" getroffen. „Da würden wir weggehen und ihn allein stehenlassen“, meint er zur Taktik, sollte es Unterwanderungsversuche geben.

Der Mann ist nicht geimpft, ihm ist die Datenlage zu dünn, das Geschehen zu intransparent. Er fürchtet sich vor einem Lobby-Einfluss und geht davon aus, dass noch einige Demos montags folgen werden, auch wenn die Impfpflicht vom Tisch ist. „Denn wir wollen auch unsere Grundrechte zurückhaben. Das Vertrauen ist weg bei uns.“