Geesthacht. Die ersten Jahre waren nicht leicht für das Hospiz. Mit dem Tod wollte keiner was zu tun haben. Nun erfährt es breite Akzeptanz.
Ein herzliches Lachen schallt durchs Treppenhaus. Solch einen Laut hat der erstmalige Besucher hier nicht erwartet als erstes Geräusch. „Wir können ja nicht immer nur traurig sein“, sagt Manuela Glaubach-Gruse verschmitzt. Sie ist die Leiterin des Auxilium Hospizes. Auxilium ist lateinisch und bedeutet Beistand. „Wir haben hier viele Gäste, die von vornherein viel Humor mitbringen. Und ihn bis zum Schluss auch nicht verlieren“, erklärt sie. „Hier wird gelebt bis zum Ende.“
Auxilium Hospiz in Geesthacht: „Mit Sterben wollte keiner etwas zu tun haben“
Die Einrichtung in Geesthacht besteht am 1. Februar seit 20 Jahren. Eigentlich war eine große Feier geplant im Kleinen Theater Schillerstraße, das direkt vor dem Gebäude liegt. Wegen der Pandemie fällt die Feier aus, wenn möglich, wird sie im Sommer nachgeholt.
Sabine Willers vom Psychosozialen Dienst gehört seit Beginn zum Hospiz-Team, Manuela Glaubach-Gruse stieß wenige Wochen später hinzu. Träger war die Fontiva aus Potsdam. Nach dem Rückzug wird die Einrichtung seit 2010 von der gemeinnützigen Gesellschaft Auxilium getragen. Sie wurde mit Hilfe von Dr. Detlef Kramer und der Firma Intermed gegründet.
„Die Akzeptanz für ein Hospiz musste erst aufgebaut werden“, sagt Manuela Glaubach-Gruse „Mit Sterben wollte keiner etwas zu tun haben.“ So wurde zunächst viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht mit Ständen in der Fußgängerzone, auf der Geesthachter Messe und den Stadtfesten.
Das Auxilium Hospiz in Geesthacht hat 15 Betten
„Mittlerweile hat sich viel getan“, hat die Leiterin festgestellt. Zu den Schwierigkeiten der Anfangszeit gehörte, dass die Patienten monatliche Zuzahlungen leisten mussten von bis zu 800 Euro. Durch eine Gesetzesänderung 2008 übernehmen Pflege- und Krankenkassen die Kosten. Fünf Prozent trägt das Hospiz. Gestartet wurde mit sechs Betten, mittlerweile sind es 15. Als Höchstgrenze sind generell nur 16 Betten erlaubt, Hospize sollen klein bleiben.
Jeden Tag kommt ein Arzt zur Visite. Die Versorgung stellen Palliativmediziner vom Netzwerk Palliative Care Ratzeburg sicher, der Hausarzt sowie Fachmediziner vom MVZ an der Elbe in Geesthacht. Hinzu kommen 30 Mitarbeiter wie Pflegefachkräfte, sozialer Dienst, Verwaltung, Reinigung und Ehrenamtliche. Sie stehen zur Verfügung für Einkäufe, Gespräche, Spaziergänge und besondere Wünsche wie ein letzter Stadionbesuch oder auch der Gang ins Kino.
Heiner Lauterbach setzte sich nach der Vorstellung auf die Bettkante
Und manchmal lässt sich kurzfristig auch ein prominenter Helfer rekrutieren. So wie Heiner Lauterbach. Das Pflegeteam erfuhr, dass eine Patientin eine glühende Verehrerin von ihm ist. Als der Schauspieler kurz darauf im KTS auf der Bühne stand, wird diese Chance genutzt. Lauterbach hörte sich die Bitte des Pflegeteams an, und nach der Vorstellung ging er hinüber ins Auxilium, setzte sich zu der überraschten Patientin und wechselte ein paar nette Worte mit ihr.
„Zwischen 10 und 15 Todesfälle im Monat kommen vor“, berichtet Sabine Willers. Manchmal sterben drei an einem Tag, dann tagelang keiner. Und manchmal ist die Verweildauer nur ein Tag. „Viele Menschen würden wir gern länger kennenlernen, sagt Sabine Willers. Über 3000 Menschen wurden bisher im Hospiz in den Tod begleitet.
Viele Patienten bleiben lange in Erinnerung
Viele blieben in Erinnerung. So wie der Mann, der im Sterben lag. In letzter Sekunde rief seine Tochter an, der Kontakt war seit ihrer Kindheit abgerissen. Sie hatte lange nach ihrem Vater gesucht und seinen Aufenthalt erst erfahren, als es fast zu spät war. Ihm wurde der Hörer ans Ohr gehalten, die Tochter raunte dem Mann, der dahindämmerte, zu, sie käme morgen.
„Da hat er das Ruder noch einmal herumgerissen“, sagt Sabine Willers. „Das war wirklich ein Wunder.“ Sie hat mit Ute Becker ein Buch über solche Erlebnisse verfasst, „Geschichten einer Sterbeamme“ heißt es (2020, Ruhland Verlag).
Sabine Willer sagt, die Arbeit im Hospiz habe ihre Sicht auf das Leben verändert. „Man regt sich nicht mehr leicht auf. Die Sonne scheint, der Nachbar stört gar nicht und auch nicht das Knöllchen. Es gibt viel Schlimmeres.“