Geesthacht. 88 „Spaziergänger“ haben sich via Telegram abgesprochen und am Rathaus getroffen. Die Politik berät über eine gemeinsame Erklärung.

Auf dem Vorplatz des Geesthachter Rathauses kommen Menschen eigentlich nur aus erfreulichen Anlässen zusammen: Entweder hat jemand geheiratet, oder ein Junggeselle muss an seinem 30. Geburtstag fegen. Neuerdings treffen sich hier auch die Gegner der deutschen Corona-Politik. 88 Personen waren es nach Angaben der Polizei am Montag.

Über den Messengerdienst Telegram oder auf protestkarte.de wird zu der Zusammenkunft aufgerufen. Die „Spaziergänger Geesthacht“ – so der Name der Gruppe – halten weder Plakate hoch noch rufen sie Parolen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Einige haben Lichterketten um den Hals. Sie versammeln sich einfach still am Rathaus, ziehen einmal in die Fußgängerzone und wieder zurück.

Geesthacht: Gegner der Impfpflicht vor dem Rathaus

Dass es sich bei der Gruppe um Gegner der Corona-Maßnahmen handelt, wird nur dadurch deutlich, dass sie keine Masken tragen und ohne Abstand eng beieinander stehen.

Erst waren bei den „Spaziergängen“ nur ein paar wenige Teilnehmer dabei. Nachdem die „Omas gegen rechts“ am vorvergangenen Montag eine Gegendemonstration auf die Beine gestellt hatten, verdoppelte sich nun die Zahl der Corona-Kritiker nahezu.

Bürgermeister Schulze: "Haben keine großen Debatten geführt"

„Das sind Leute, die gegen das Impfen sind“, sagt Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, der die Zusammenkünfte vor Ort verfolgt. Schulze hat versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Viel mehr weiß er nicht. „Wir haben keine großen Debatten geführt. Wenn man die Leute anspricht, antworten sie in der Regel nicht“, sagt der Verwaltungschef.

Auch die Geesthachter Sozialdemokraten, vor deren Büro der Treffpunkt der Gruppe ist, behalten die „Spaziergänger“ im Auge. „Im Verhältnis zur Einwohnerzahl (etwa 31.000, die Red.) halte ich die Zahl für übersichtlich“, sagt die Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister.

Fraktionsvertreter erwägen gemeinsame Erklärung

Mit einer öffentlichen Reaktion hielten sich sowohl Schulze als auch Burmeister bislang zurück. Sie wollten ihnen keine große Bühne bieten. Gleichwohl waren die „Spaziergänger“ am Mittwochabend nach Redaktionsschluss Thema bei der Sitzung des Geesthachter Ältestenrates. Im Raum stand, dass sich die Fraktionsvertreter darauf einigen, auf der kommenden Sitzung der Ratsversammlung am 4. Februar eine Erklärung abzugeben.

Die Geesthachter Gruppe ist eine von 16, die sich am Montag in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn versammelte. Die Polizei hat insgesamt 1100 Teilnehmer gezählt. Davon 109 in Büchen und 64 in Schwarzenbek. Zudem gab es fünf Gegendemonstrationen mit 160 Teilnehmern. Laut Polizei verliefen die Aufzüge weitgehend störungsfrei. In Bargteheide wurden zwei Männer bei einer Auseinandersetzung leicht verletzt. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung und Störung einer Versammlung.

Geesthachter fragt: Sind "Spaziergänge" ohne Maske überhaupt erlaubt?

„Dürfen die das überhaupt? Und warum schreitet die Polizei nicht dagegen ein? Schließlich dürfen sich doch nur noch zehn geimpfte Personen treffen.“ Diese Fragen hat ein Geesthachter unserer Redaktion gestellt, der die Zusammenkunft vor dem Rathaus zufällig beobachtet hat.

Die Polizei verweist auf Nachfrage dabei auf die geltende Corona-Landesverordnung, nach der die im Grundgesetz geltende Versammlungsfreiheit weiterhin gilt. Zudem besteht bei Demonstration bis 100 Personen keine Maskenpflicht – auch nicht für Gegner der Impfpflicht, obwohl die mitunter gern von einer Corona-Diktatur sprechen. In Geesthacht handelt es sich, wie bei so vielen Corona-Protesten, um keine angemeldete Demonstration. Doch auch bei vermeintlich spontanen Zusammenkünften – dazu zählt der „Spaziergang“ formal – gilt die 100-Personen-Regel. „Wir beobachten die Zusammenkünfte genau“, sagt Jacqueline Fischer, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg.

"Omas gegen Rechts" kündigen eine Gegendemonstration an

Als etwa am Montag die Zahl der „Spaziergänger“ in Büchen (insgesamt 109) die Grenze überschritt, wurde auf die Maskenpflicht hingewiesen. Daraufhin teilte sich die Gruppe auf. Weiteres Problem der Polizei: „Das Einhalten von Abständen und das Tragen einer Maske wird in der Landesverordnung auch nur empfohlen“, ergänzt Fischer, die feststellt: „Wir machen die Gesetze nicht, wir setzen sie nur um.“

Derweil ist Jutta Bellwinkel von den „Omas gegen Rechts“ über die steigende Teilnehmerzahl in Geesthacht entsetzt. „Die werden ja immer mehr“, sagt sie und kündigt für den kommenden Montag eine angemeldete Gegendemonstration an. Sie hat mit einem „Spaziergänger“ gesprochen. „Der meinte, impfen bringt nichts. Wir bleiben auch ohne gesund“, berichtet Bellwinkel. Zur Einordnung: 88 Spaziergänger waren es am Montag, Dienstag gab es allein in Geesthacht 581 Corona-Infizierte.