Geesthacht. Die Strom- und Gaspreise am Markt explodieren. Einige Anbieter mussten bereits Insolvenz anmelden. Einige Kunden Ersatz suchen.

Aus Ärger über eine falsche Abrechnung hatte Daniel M. (Name von der Red. geändert) seinen Vertrag bei den Stadtwerken Geesthacht am Anfang des vergangenen Jahres gekündigt. Der Geesthachter fand einen privaten Energielieferanten, der preislich zudem etwa ein Drittel unter dem Angebot der Stadtwerke lag. Seit Ende 2021 ist Daniel M. dennoch wieder deren Kunde. Sein neuer Anbieter hatte Insolvenz angemeldet, M. rutschte automatisch in die Grundversorgung.

Das ist kein Einzelfall. 39 Energielieferanten mussten nach Angaben der Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr ihr Geschäft aufgeben. Die Zahl der Pleiten hat sich im Vergleich zu den Vorjahren beinahe verdoppelt. Hintergrund ist eine extrem unruhige Lage am Energiemarkt. „Seit August ist die Entwicklung nicht aufzuhalten“, bestätigt Dirk Pieper, der Vertriebsleiter der Stadtwerke Geesthacht.

An der Leipziger Energiebörse hat sich der Preis teilweise verzehnfacht

An der Leipziger Energiebörse hat sich der Preis für langfristig geplante Einkäufe verfünffacht, kurzfristig eingekaufter Strom ist sogar zehnmal teurer geworden. „Eine Kilowattstunde Strom, die jahrelang für fünf Cent bezogen wurde, kostet derzeit mehr als 30 Cent“, sagt Dirk Pieper. Beim Erdgas zeige sich eine ähnliche Entwicklung.

Auch die Stadtwerke mussten darauf reagieren und ihre Preise für Bestandskunden zum 1. Januar anpassen – allerdings in einem vergleichsweise moderaten Rahmen. Für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 15.000 Kilowattstunden (kWh) Gas bedeutet das Mehrkosten von 26,10 Euro brutto im Monat, beim Strom und einem Jahresverbrauch von 2500 kWh sind es 6,34 Euro brutto mehr.

Grundversorgung ist derzeit sogar rund 1000 Euro im Jahr günstiger

Damit liegt der preislich lange Zeit nicht gerade attraktive Grundversorger derzeit aber immer noch unter früheren Billiganbietern. Laut Vergleichsportal verivox.de kosten 20.000 kWh Gas bei einem Jahresvertrag in der Grundversorgung der Stadtwerke rund 1800 Euro im Jahr. Das günstigste Angebot eines anderen Anbieters lag derweil bei dem Check unserer Redaktion am Freitag bei 2800 Euro im Jahr.

Angesichts der aktuellen Entwicklung ist den Stadtwerken aber eines wichtig zu betonen: „Wir stehen für Versorgungssicherheit und wollen unseren Kunden angesichts der Lage auf dem Energiemarkt ein sicheres Gefühl geben. Strom und Gas müssen bezahlbar bleiben. Unsere Bestandskunden sind von der aktuellen Situation nicht betroffen“, sagt Dirk Pieper.

Durch zwei Pleiten rutschten rund 360 Kunden in die Ersatzversorgung

Zumindest bis zum Ende dieses Jahres garantieren die Stadtwerke Geesthacht stabile Preise. „Anders als Billiganbieter wirtschaften wir nachhaltig. Das ist aktuell ein Vorteil für uns“, ergänzt Pieper. Andere Anbieter, wie der von Daniel M., kündigten dagegen bestehende Verträge oder meldeten gleich Insolvenz an.

Allein durch die Pleiten von Gas.de oder Stromio rutschten am Jahresende rund 360 Kunden in die Ersatzversorgung der Stadtwerke, die zu 75,1 Prozent im städtischen Besitz sind. Die restlichen 24,9 Prozent hält die E-On-Tochter Service Plus. Um die bestehenden Konditionen garantieren zu können, können neuen Kunden derzeit keine Sonderprodukte angeboten werden. Diese liegen rund 100 Euro pro Jahr unter dem Grundversorgungstarif.

Das Versorgungsgebiet der Stadtwerke Geesthacht.
Das Versorgungsgebiet der Stadtwerke Geesthacht. © HA/Frank Hasse | Unbekannt

E-Werk Sachsenwald berichtet von Kundenansturm

Die Stadtwerke beliefern aktuell rund 21.500 Kunden mit Strom und Gas. Für Erdgas umfasst das Versorgungsgebiet Geesthacht und die Gemeinden Hamwarde, Worth, Wiershop, Gülzow und Kollow. Beim Strom beschränkt sich das Gebiet auf die Stadtgrenzen.

Die Entwicklung der Energiemärkte beobachtet auch Moritz Man­they, Vertriebsleiter beim E-Werk Sachsenwald. Dieses beliefert rund 8300 Haushalte in Reinbek, Wentorf, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek, Aumühle und Wohltorf mit Gas und 25.000 Haushalte mit Strom. Auch das E-Werk musste Anfang des Jahres seine Preise um rund zehn Prozent anheben. „Das lag auch an der gestiegenen CO2-Abgabe“, sagt Manthey.

Kunden aus Bergedorf oder darüber hinaus können wir derzeit nicht versorgen

Mit 7,2 Cent pro Kilowattstunde (bei einem jährlichen Verbrauch über 7135 kWh) in der Grundversorgung und 5,8 Cent/kWh im Sondervertrag ist der Preis zu anderen Energieversorgern beim E-Werk immer noch moderat. Kein Wunder, dass die Zahl wechselwilliger Kunden groß ist. Der Kundenzuwachs beim Gas liegt bei rund zehn Prozent im Monat, beim Strom bei fünf Prozent. Ein Teil der Neukunden kommt aus den Insolvenzen der Konkurrenten.

Allzu sehr wachsen will der lokale Versorger aber nicht. Manthey: „Das E-Werk Sachsenwald versorgt vornehmlich Kunden im eigenen Versorgungsgebiet. Kunden aus Bergedorf oder darüber hinaus können wir derzeit nicht versorgen.“