Geesthacht. Kosten für Anbindung bis Hamburg sind im Nahverkehrsplan nicht enthalten. Kreis-Grüne kritisieren eigene Landesregierung.

Die Kritik am Entwurf der Kieler Landesregierung für den Landesweiten Nahverkehrsplan (LNVP) will nicht verstummen. Tenor: Der Wunsch vieler Geesthachter nach einem Schienenanschluss werde im Papier stiefmütterlich behandelt, so sei eine Realisierung in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Tatsächlich gibt es neben einer Lücke von gut 100 Millionen Euro zur Finanzierung allein der bereits priorisierten Projekte weitere Fragezeichen zu den Realisierungsmöglichkeiten.

Diese blenden manche Kritiker aus, fordern etwa, wie die Grünen im Kreis Herzogtum Lauenburg, zugunsten des Bahnanschlusses auf eine neue Elbquerung bei Lauenburg und eine Umgehungsstraße zur Entlastung der Geesthachter Innenstadt zu verzichten. Geesthachts Bürgermeister setzt darauf, dass in den parlamentarischen Beratungen im Landtag noch Änderungen am LNVP erreicht werden. Wobei Olaf Schulze zu Realismus mahnt: „Mit dem S-Bahnausbau über Ahrensburg bis Bad Oldesloe (1,7 Milliarden Euro) werden wir nie konkurrieren können.“ Dabei gehe es neben dem Personennahverkehr vor allem darum, „auf vorhandenen Bahngleisen mehr Platz für den Güterverkehr Richtung künftigem Fehmarn-Belt-Tunnel zu schaffen“.

Kostenangaben nur für „kleine Lösung“ enthalten

Wer das 130-Seiten-Papier genauer betrachtet, erkennt, dass dort derzeit nur Kostenangaben für eine „kleine Lösung“ genannt werden, für eine Schienenanbindung Geesthachts, die bereits in Bergedorf endet. 74 Millionen Euro Investitionskosten sind veranschlagt – plus 17 Millionen Euro jährlich für den Betrieb.

Zu Kosten für die Anbindung Richtung Hamburger Hauptbahnhof schweigt sich das Papier aus. Aus gutem Grund: Was im LNVP als zweite Stufe genannt wird, hat einen umsteigefreien Regionalexpress bis Hauptbahnhof zum Ziel. Zwei Probleme müssten zuvor gelöst werden: Zwischen Tiefstack und Berliner Tor müsste die Strecke zweigleisig ausgebaut werden, um den zusätzlichen Verkehr aufnehmen zu können.

Zudem müsste für den chronisch überlasteten Hauptbahnhof eine Einfahrmöglichkeit geschaffen werden, „was bislang aus Kapazitätsgründen ausgeschlossen ist“, heißt es im LNVP.

Umweltpolitiker wie die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer sehen keine andere Lösung: „Der Wohnraumbedarf in der Metropolregion wächst. Ein vernünftiger Schienenanschluss funktioniert nur über Hamburg.“

Bahnanschluss oder Umgehungsstraße

Der Bahnanschluss für Geesthacht weit hinten im Landesweiten Nahverkehrsplan (LNVP) stößt vor Ort auf Protest. Dass die gewünschte Reaktivierung der Karoline-Strecke und die weitere Verbindung bis Hauptbahnhof zwar im Entwurf erwähnt wird, aber ohne Termin und Finanzierung bleibt, ärgert Grüne, Sozialdemokraten wie auch Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze. Rasmus Vöge dagegen, CDU-Kreisvorsitzender und Kandidat im Nordkreis für die Landtagswahl 2022, lobt die Ausweitung des zehn-Minuten-Taktes auf der S 21 bis Wohltorf/Aumühle.

Das reicht der Sprecherin des Grünen-Kreisverbands nicht. „Es ist enttäuschend, dass die einzigen Verbesserungen in den nächsten fünf Jahren lediglich für die neben Müssen kleinsten Orte mit Bahnanbindung, für Wohltorf und Aumühle, vorgesehen sind“, sagt Laura Schwabe. Und: „Anstatt Personal für die Planung von unsinnigen Straßenprojekten wie die Umgehung Geesthacht oder einer Elbquerung westlich von Lauenburg zu binden, sollte das Verkehrsministerium zügig die Anbindung der größten Stadt des Kreises ans Schienennetz voranbringen.“

Ein solches Entweder-oder ist in der Pressemitteilung der Geesthachter Grünen kein Thema. Die Forderung nach „vorrangiger Reaktivierung der Bahnstrecke Geesthacht–Hamburg“ wird mit der notwendigen Verkehrswende begründet sowie einer Warnung: Ohne Bahnanschluss gerate die größte Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg in Gefahr, „von der Metropole Hamburg abgeschnitten zu werden“, so Gerhard Boll, Vorsitzender des Planungs- und Verkehrsausschusses. „Unsere Geesthachter Fraktion wird nicht nachlassen in einer 30.000-Einwohner-Stadt auch weiter auf eine Bahnanbindung nach Hamburg zu setzen. Nur mit starken Grünen kann die Verkehrswende umgesetzt werden“, sagt Fraktionschef Ali Demirhan.

Verkehrswende für Geesthacht droht an Geld zu scheitern

Beide bleiben in ihrer Presseerklärung jedoch Auskunft schuldig, wie das Vorhaben finanziert werden soll. Wie berichtet, weist der vorgelegte LNVP-Entwurf schon eine Lücke von 104 Millionen Euro aus, die fehlen, um allein die priorisierten Projekte umzusetzen. Dazu zählen der Ausbau von S-Bahnlinien wie auch die Elektrifizierung der Bahnverbindung nach Sylt.

Als wichtigen Meilenstein will die Kreis-CDU die bloße Aufnahme der Bahnanbindung Geesthachts in den LNVP gewertet sehen. Man werde sich für eine sichere Finanzierung einsetzen, damit die Maßnahme auch realisiert werden könne, so Rasmus Vöge. Mit Kopfschütteln reagiert die Union auf Kritik der Grünen. „Ich erinnere die Grünen, dass sie mit Frau Heinold die Finanzministerin stellen und Mitverantwortung an der Finanzierung des LNVPs tragen“, so der CDU-Kreisvorsitzende Die Grünen dürften nicht in Kiel mitregieren und vor Ort polemisieren. „Die Kreis-Grünen sollten die Kritik direkt an die eigenen Parteifreunde richten oder konstruktiv an Verbesserungen mitarbeiten.“

Kritik vom Geesthachter Bürgermeister

Geesthachts Bürgermeister kann mit Blick auf Bahnanbindung und Umgehungsstraße einem Entweder-oder nichts abgewinnen. „Unter dem Durchgangsverkehr und besonders den Lkw leiden mehr Geesthachter, als von einer Reaktivierung der Bahnstrecke betroffen wären“, sagt Olaf Schulze (SPD). Zudem seien die verschiedenen Finanzierungstöpfe nicht miteinander verbunden.

Die aktuelle Einstufung des Geesthachter Bahnanschlusses wundert den Sozialdemokraten nicht. Ahrensburg und Neumünster hätten schon immer eine hohe Priorität genossen, das gelte auch für den Ausbau des S-Bahnverkehrs um Hamburg und die Bahnverbindung von Kiel und Lübeck. „Dass aber eine Verbindung Kiel–Schöneberg mehr Fahrgäste haben würde als Geesthachts Schienenanbindung an Hamburg wird doch wohl niemand behaupten wollen.“

Neue P&R-Parkplätze für Pendler Richtung Hamburg

Zweifel an prognostizierten 7000 Nutzern täglich hält Schulze für nicht gerechtfertigt. Einen solchen Anschluss würden nicht nur viele der rund 31.000 Geesthachter nutzen, auch Menschen aus der Nachbarschaft und selbst Lauenburg. Nicht jeder wolle den Bus nutzen oder von Lauenburg nach Büchen fahren, um dort in die Bahn zu steigen. Busse zwischen Hamburg und Geesthacht seien nicht ohne Grund stark genutzt. Schulze: „Wir haben mit dem Helmholtzzentrum mit gut 1000 Mitarbeitern nicht nur die größte Forschungseinrichtung des Landes, wir haben täglich fast 8000 Einpendler nach Geesthacht.“

Erhalte Geesthacht seinen Bahnanschluss, würden es noch mehr, so Schulze: „Wir würden gern P&R-Plätze für Pendler Richtung Hamburg schaffen, damit sie schon bei uns umsteigen können.“ Ohne politischen Druck sei dies schwierig: „Ich habe von Beginn an gesagt, das wird ein Bohren dicker Bretter.“