Geesthacht. Umweltschützer warnen: Nach Stilllegung des Kohlekraftwerks in Moorburg könnte der Betrieb der Aufstiegsanlage gefährdet sein.
Geesthacht. Anfang September erlebte das Stauwehr in Geesthacht einen prominenten Menschenauflauf mit Führungskräften aus Politik und Verwaltung. Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) übergab die Genehmigung für den Bau der seit Langem von Umweltschutzverbänden geforderten Heberleitung. Diese sorgt nun seit dem 30. September für eine für wandernde Fische wichtige Lockströmung (wir berichteten), ohne die die Tiere den Weg zu Fischtreppe nicht finden.
Die aus Röhren bestehende Heberleitung sollte zunächst ein Provisorium sein, bis dann im Frühjahr 2021 neue Strömungsrinnen ins Wehr gefräst werden sollten. Die alten sind verfüllt, als im Sommer 2019 Unterspülungsschäden am Wehr festgestellt wurden.
Damit schienen die Sorgen von Naturschützern wie dem Geesthachter Aktionsbündnis Future 4 Fishes um den Fischaufstieg von der Unter- in die Oberelbe beendet. Irrtum: Die Sorgen gehen weiter.
Wer ist künftig verantwortlich für die Fischtreppe?
Anfang Dezember wurde bekannt, dass Vattenfall sein Kohlekraftwerk im Hamburger Stadtteil Moorburg schließen wird. Die Kohleverfeuerung könne spätestens zum 1. Juli 2021 eingestellt werden, hieß es. Dann nämlich, wenn die deutschen Übertragungsnetzbetreiber bis Anfang März über die Systemrelevanz von Moorburg entscheiden. Sollte es als systemrelevant eingeschätzt werden, muss das Kraftwerk für einen noch zu bestimmenden Zeitraum in Reserve gehalten werden. "Vor dem Hintergrund des deutschen Kohleausstiegsgesetzes haben wir mehrere Alternativen für Moorburg sorgfältig geprüft, einschließlich eines Brennstoffwechsels und des Verkaufs des Kraftwerks. Jetzt werden wir die Planungen für die vorzeitige Schließung vorantreiben", sagte Vattenfalls Deutschland-Chef Tuomo Hatakka.
Diese Pläne haben nun jedoch Konsequenzen für die Fischtreppe. Denn auch deren Betreiber ist Vattenfall. Nicht freiwillig, Europas größte Aufstiegsanlage ist eine Schadensbegrenzungsmaßnahme für die Entnahme von Kühlwasser für das Moorburger Werk.
"Die Genehmigung zur Stilllegung hat zur Folge, dass die mit der Fischtreppe Nord verbundene Betriebsgenehmigung und damit auch das Interesse an deren Unterhaltung von Seiten der Vattenfall GmbH entfällt", teilt das Aktionsbündnis mit. Die Umweltschützer fragen sich: Wer ist künftig verantwortlich für die Fischtreppe? "Man kann die Fischtreppe nicht einfach sich selbst überlassen", sagt Jens Gutzmann vom Geesthachter Nabu. „Eigentum verpflichtet“, stellt das Aktionsbündnis fest.
Ernüchternde Resonanz auf Online-Konferenz am 22. Dezember
Ein Runder Tisch mit Vertretern aus Ministerium, Amt und von Vattenfall, zu dem das Aktionsbündnis am 22. Dezember eingeladen hatte, scheiterte zunächst. Die Resonanz auf die Online-Konferenz war ernüchternd, berichtet Jens Gutzmann. Es hagelte Absagen, so blieben die Umweltschützer unter sich. "Alle wieder abgetaucht", sagt Gutzmann knapp mit Blick auf die Vertreter, die im Sommer bei der Baugenehmigung der Heberleitung noch zu Gast waren.
Die Zeit drängt. "Momentan läuft Moorburg noch. Jetzt ist das Eisen noch heiß, wenn Moorburg erst abgewickelt ist, ist keiner mehr da als Ansprechpartner", sagt Jens Gutzmann. Er befürchtet danach einen rechtsfreien Raum. Gutzmann geht es darum, dass Vattenfall beim Business-Plan zur Abwicklung Geld für die Fischaufstiegsanlage und die neuen Strömungsrinnen mit einpreist. Allein das Herrichten von neuen Rinnen dauert sechs Monate. Da werde es wieder eng mit der nächsten Laichsaison, wenn unklar bleibe, wer für die Verbesserung am Wehr bezahlt, sorgt sich das Bündnis Future 4 Fishes.
Wenn Vattenfall langfristig als Betreiber ausfällt, müsste eigentlich der Bund einspringen, erwarten die Umweltschützer. Schließlich gäbe es das Verschlechterungsverbot für die ökologische Situation von Flüssen gemäß der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Und die Fischtreppe auf der Südseite der Elbe, die gerade wiederhergestellt wird, reiche da nicht aus, meint Jens Gutzmann.
"Die Fischtreppe auf der Nordseite ist für alle Fische, die auf der Südseite wird eher von schwimmstärkeren Fischen aufgesucht. Und der Stör kann aufgrund seiner Ausmaße da gar nicht durch, er ist auf die Nordseite angewiesen. Sie ist auf ihn abgestimmt worden." Zudem werden die Arbeiten zur Restaurierung wohl erst im 1. Quartal 2023 beendet sein.
So gibt es nun eine Art Déjà-vu-Erlebnis um die Fischtreppe. Die Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis, Dr. Nina Scheer, hat Fragen zum Fortbestand an den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages übermittelt, zudem ist Vattenfall aufgefordert, die künftigen Pläne zur Fischtreppe schriftlich vorzulegen, wie Heike Kramer, Geesthachter Nabu-Vorsitzende, berichtet. Die Landtagsabgeordnete Kathrin Bockey (SPD) aus Geesthacht hat Umweltminister Albrecht über die aktuelle Situation in Kenntnis gesetzt. Und für Anfang des Jahres ist eine neue Online-Konferenz geplant.
"90 Prozent des Einzugsgebietes liegt hinter dem Wehr", schildert Jens Gutzmann die ökologische Wichtigkeit einer funktionierenden Fischtreppe. Wäre das Hinterland für die Wanderfische abgeschnitten, hätte das übergreifende Auswirkungen bis Sachsen. "Geht die Vogelpopulation zurück, sehen es alle. Bei den Fischen im Wasser sieht es niemand."