Escheburg/Ratzeburg. Viele Briten setzen auf die Verlängerung ihres Aufenthaltsrechtes. Kreis Herzogtum Lauenburg hat 108 Personen angeschrieben.

In den vergangenen Monaten haben Ausländerbehörden in Deutschland gut zu tun gehabt, nicht nur mit Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern. Nach der Mehrheitsentscheidung der Briten, die EU zu verlassen, haben sich vermehrt in Deutschland lebende Engländer und Schotten, Waliser und Nordiren entschlossen, sich einbürgern zu lassen. Wer dies nicht tat, hat die vergangenen Wochen Post erhalten, so aus dem Kreishaus in Ratzeburg. 108 im Herzogtum gemeldete Briten wurden informiert, wie sie ihren Aufenthalt sichern können, wenn sie als EU-Ausländer weiter in Deutschland leben wollen.

Zunächst war bei vielen Briten abwarten und Tee trinken angesagt. „Als aber immer deutlicher wurde, dass ein harter Brexit ohne entsprechende Regelungen droht, war Druck im Kessel“, so ein Insider. Viele sind bereits tätig geworden, haben ihren Aufenthaltsstatus abgesichert, weiß Kreissprecher Tobias Frohnert. „Von den 108 angeschriebenen müssen nur noch 43 aktuell tätig werden.“ Sie haben bis 30. Juni 2021 Zeit, ihren Aufenthalt bei der Ausländerbehörde anzuzeigen.

Scarlet Savill hat ihre Einbürgerung bereits beantragt

Einen anderen Weg hat Scarlet Savill gewählt, die Mutter zweier in Geesthacht geborener Söhne hat ihre Einbürgerung beantragt. Der Vater ist Deutscher, die Jungs Bo (13) und Mika (15) haben beide Staatsangehörigkeiten, ihre in London geborene Mutter hatte bislang nur die britische. Und diese will die Escheburgerin auch, neben der deutschen, weiter behalten.

Die Familiengeschichte legt nahe, dass dies die einzig nachvollziehbare Lösung ist. „Mein Opa war kriegsbedingt in Deutschland stationiert, hat hier seine deutsche Frau kennengelernt.“ Auf die Großeltern folgten dann Eltern mit gemischter Nationalität. „Meine Mutter hat meinen Vater, einen Deutschen, in London kennengelernt, sie sind nach Hamburg gezogen.“

Die Familie hat britische und deutsche Wurzeln

Scarlet Savill lebt seit 1988 in Deutschland. Als ihre Mutter später auf die Insel zurückkehrte, blieb die heute 51-Jährige: „Ich bin immer noch da.“ Auch ihr Mann hat eine bunte Familiengeschichte. Der Nachfahre Russlanddeutscher kam in Schweden zur Welt. „Er hat aber längst einen deutschen Pass“, sagt Scarlet Savill, die als Redaktionsassistentin bei der Bergedorfer Zeitung arbeitet.

Sie habe auch schon früher darüber nachgedacht, die Einbürgerung zu beantragen, mit dem Ja der Briten zum Brexit habe sich der Beschluss gefestigt. „Aber ich bin auch sentimental, daher behalte ich auch meinen britischen Pass.“ Der wird ihr und auch ihren Jungs weiterhin problemlos ermöglichen, die Verwandten in England zu besuchen – unabhängig davon, wie der Abschied Großbritanniens aus der EU in die Realität umgesetzt wird.

Österreich sieht gar keine doppelte Staatsbürgerschaft vor

Während für eine Brexit-Regelung die Frist dieser Tage abläuft, hatte auch Scarlet Savill phasenweise die Zeit im Nacken. „Die Übergangsfrist, bis zu der in meinem Fall eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist, endet zum Jahresende.“ Auf die Nachricht, bis zu ihrer Einbürgerung könnten noch Monate vergehen, wandte sie sich an die Ausländerbehörde in Ratzeburg. „Danach ging doch alles schnell.“

Für die gebürtige Britin ist, wie für die meisten Ausländer, das deutsche und das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht schwer nachzuvollziehen. Dass etwa ein Kind ausländischer Eltern, das hier geboren wird, nicht automatisch die Staatsbürgerschaft des Geburtslandes erhält, verwundert viele Ausländer. Österreich macht ihnen eine Einbürgerung zusätzlich schwer. „Unsere Nachbarn sehen gar keine doppelte Staatsbürgerschaft vor“, bestätigt Frohnert.

Einbürgerung zwischen Selbstjustiz und Meinungsfreiheit

Obwohl sie ihren britischen Pass nicht aufgeben möchte, freut sich Scarlet Savill sehr über die deutsche Staatsbürgerschaft und die Erleichterungen, die mit ihrer Einbürgerung einhergehen. „Zu meinem britschen Pass musste ich bislang immer eine aktuelle deutsche Meldebestätigung mit meiner Adresse mitführen.“ Ein noch größerer Aufwand ist mit dem britischen Pass verbunden: „Benötige ich einen neuen, muss ich dafür heute nach Düsseldorf.“

Vor der Einbürgerung musste Scarlet Savill einen umfangreichen Fragenkatalog zur eigenen Familie beantworten, dazu kam der offizielle Einbürgerungstest mit Themen aus Gesellschaft, Politik und Religion. Er umfasst etwa die Frage, was eine Koalition ist, oder zu den Grundrechten in Deutschland: Als Antwortmöglichkeiten werden hier im Multiple-Choice-Verfahren neben Meinungsfreiheit auch Waffenbesitz und Selbstjustiz angeboten. „Ob aber jeder Deutscher erklären kann, was der Kniefall Willi Brandts in Warschau bedeutete, da habe ich doch Zweifel“, meint Scarlet Savill.