Wentorf/Börnsen. Die Grenze zwischen Wentorf und Börnsen läuft direkt durch das Gebäude – und die Gemeinden können sich nicht einigen.

„Der reale Irrsinn“ heißt eine Rubrik der Satiresendung „extra3“ des NDR. Dabei geht es um Behördenpossen und Schildbürgerstreiche aller Art. Demnächst könnte dort auch der Zwist zwischen den Gemeinden Wentorf und Börnsen um das Möbelhaus Schulenburg durch den Kakao gezogen werden. Die Macher der Fernsehsendung haben bereits Kontakt zu den Bürgermeistern Dirk Petersen (Wentorf) und Klaus Tormählen (Börnsen) aufgenommen.

Darum geht es: Die Gemeindegrenze verläuft einmal quer durch das Möbelhaus. Das ist zwar schon so, seitdem die Familie Marks 1979 den Möbelpark Sachsenwald gegründet hat, aber heute in dieser Form rechtlich eigentlich gar nicht mehr erlaubt.

Wentorf und Börnsen streiten sich um Gemeindegrenzen

Das kam so: Als das Gebäude (blaue Fläche auf der Skizze) gebaut wurde, war dort in Börnsens Hoheitsgebiet noch das Lager integriert. Als das Möbelhaus jedoch vor rund 20 Jahren seine Verkaufsfläche vergrößerte und das Lager ausgliederte, hatte Börnsen auf einmal mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das ist laut Vorgabe der Landesplanung aber nicht zulässig. Denn, so Bürgermeister Klaus Tormählen: „Unser Ort mit seinen heute rund 4800 Einwohnern hat keine zentralörtliche Funktion.“

Die Grenze zwischen Wentorf und Börnsen verläuft genau durch das Möbelhaus Schulenburg.
Die Grenze zwischen Wentorf und Börnsen verläuft genau durch das Möbelhaus Schulenburg. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Dumm nur, dass dies dereinst weder dem Kreis Herzogtum Lauenburg noch dem Land Schleswig-Holstein aufgefallen ist. „Wir haben für alles eine Genehmigung bekommen“, weist Geschäftsführer Joachim Marks jede Verantwortung von sich. Auf den Fehler gestoßen ist die Landesbehörde erst, als der jetzige Besitzer des Möbelhauses, die Tessner Gruppe, den Bebauungsplan aktualisieren wollte.

Zunächst herrschte Einigkeit zwischen den Gemeinden – jetzt nicht mehr

Daraufhin wurden die Gemeinden Börnsen und Wentorf aufgefordert, das Problem zu lösen. Das Land schlug eine Umgemeindung des Börnsener Anteils nach Wentorf vor. Alternativ könne ein Planungsverband gegründet werden.

Zunächst herrschte zwischen den Vertretern beider Orte Einigkeit, keinen Planungsverband zu wollen. Dieser hätte die einzige Aufgabe, sich mit dem Bebauungsplan des Schulenburg-Grundstücks zu befassen, binde nur ehrenamtliche Kräfte und verursache jährliche Kosten. Im Juni vereinbarten beide Gemeindevertretungen, keinen Planungsverband anzustreben.

Wentorf will Gebietstausch, Börnsen einen Planungsverband

Diese Absichtserklärung ist seit Mittwochabend obsolet. Während sich die Wentorfer Gemeindevertreter bei einer außerordentlichen Sitzung einstimmig für eine Umgemeindung inklusive Kompensation in Form eines Ausgleichs der Einnahmeausfälle sowie Abtretung einer Alternativfläche aussprachen, stimmten die Börnsener plötzlich einstimmig für einen Planungsverband. „Das hätte man vielleicht auch besser hinkriegen können“, räumt Klaus Tormählen ein.

Joachim Marks, Geschäftsführer Möbelhaus Schulenburg in Wentorf, sitzt genau auf der Gemeindegrenze.
Joachim Marks, Geschäftsführer Möbelhaus Schulenburg in Wentorf, sitzt genau auf der Gemeindegrenze. © Dirk Schulz | Dik Schulz

Im Zwist um das Möbelhaus ist das Chaos jetzt perfekt. Während die Wentorfer Gemeindevertretung am Mittwoch einstimmig beschloss, die Angelegenheit mittels eines Gebietstauschs vom Tisch zu bekommen, fühlten sich ihre Börnsener Kollegen nicht mehr an eine Absichtserklärung vom Juni gebunden. Damals verständigten sich beide Kommunen darauf, keinen Planungsverband anzustreben. Doch genau für die Einrichtung dieses Planungsverbandes sprach sich Börnsens Gemeindevertretung nun ebenfalls einstimmig aus. Beide Organe hatten sich zeitgleich zu außerordentlichen Sitzungen getroffen.

Börnsen würde Ausgleichsfläche und finanziellen Ausgleich bekommen

„Das macht mich schon stutzig“, sagt Wentorfs Bürgermeister Dirk Petersen. „Ich hätte in Börnsen gern einen verlässlichen Partner. Wir sind ihnen in allen Punkten entgegengekommen“. Doch für die Nachbargemeinde war ein Gebietstausch dennoch kein guter Deal.

Für das lukrative Gelände des Möbelhauses Schulenburg mit den jährlichen Einnahmen durch Grund- und Gewerbesteuer hätte Börnsen von Wentorf im Gegenzug zwar eine dreimal so große, finanziell aber wenig attraktive Fläche im Naturschutzgebiet Wentorfer Lohe erhalten. Auch dass die Nachbarn bereit waren, die Einnahmeausfälle für zehn Jahre – mehr sind rechtlich nicht zugelassen – als Einmalzahlung zu leisten, konnte die Börnsener Politiker nicht überzeugen.

Wentorfs Bürgermeister spricht von „bürokratischem Monster“

„Die Nachteile waren nicht zu übersehen“, betont Felix Budweit von der Börnsener SPD. Und sein Grüner Bürgermeister Klaus Tormählen ergänzt: „Wir haben uns im Juni mangels anderer Informationen gegen einen Planungsverband entschieden.“ Nun allerdings hatte im Vorwege Christina Lehmann, die Direktorin des Amt Hohe Elbgeest, Fakten zusammengetragen, die die Börnsener umdenken ließen.

„Wir waren uns über Kosten und den Aufwand für einen Planungsverband uneins. Jetzt haben wir beschlossen, dass die Gemeinde den Einfluss beim Möbelhaus Schulenburg behalten will“, sagt Klaus Tormählen. Auf etwa 10.000 bis 12.000 Euro jährlich sollen sich die zu teilenden Aufwendungen belaufen, bis ein neuer Bebauungsplan für das Gelände aufgestellt ist. Danach soll sich die Summe auf einen niedrigen vierstelligen Betrag belaufen. „Das wird ein bürokratisches Monster“, sagt Dirk Petersen.

Nun müssen die Landesplaner entscheiden

Wie es nun weitergeht, liegt in der Entscheidung der Landesplaner, die eigentlich eine Einigung gefordert hatten. Eine Umgemeindung kann das Land nicht ohne die Zustimmung der Gemeinden veranlassen. Sehr wohl jedoch die Aufstellung eines Planungsverbandes.

So oder so: Dass die Satiresendung „extra3“ sich jetzt des Themas annehmen will, behagt Dirk Petersen gar nicht. „Wir sollen jetzt wie die Idioten dastehen, obwohl es um Entscheidungen geht, die weit vor unserer Zeit getroffen wurden“, sagt Wentorfs Bürgermeister. Ein Punkt, der nicht von der Hand zu weisen ist und bei dem er mit Kollege Tormählen einer Meinung ist.

„Das sind Altlasten, und wir leiden jetzt darunter“, so Tormählen. Schließlich müssen sich die Politiker mit Dingen auseinandersetzen, die vor mehr als 20 Jahren weder beim Kreis Herzogtum Lauenburg noch dem Land Schleswig-Holstein aufgefallen waren. Aber die Rubrik der NDR-Fernsehsendung heißt ja nicht umsonst „Der reale Irrsinn.“