Geesthacht. Energetische Sanierung: Die Vonovia investiert am Farmsener Weg in Geesthacht zwei Millionen Euro. Einher geht eine Erhöhung der Miete.
Immer wenn Silvia H. (Name von der Redaktion geändert) aus ihrem Küchenfenster am Farmsener Weg in der Geesthachter Oberstadt blickt, kommen die Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer fünf Kinder wieder hoch. Die alleinerziehende Mutter sieht dann die Wohnblocks gegenüber, die entweder in ein Gerüst verpackt sind oder bereits teilweise eine modernisierte, sprich wärmegedämmte Außenfassade bekommen haben. Auch ihr Mehrfamilienhaus – einer der für das Hansa-Viertel typischen Backsteinbauten – soll im kommenden Jahr an der Reihe sein.
Damit einher geht natürlich eine Erhöhung der Miete. Rund 150 Euro monatlich mehr wird dann die Vonovia, Deutschlands größter Immobilienkonzern, für H.‘s 80 Quadratmeter große Vierzimmerwohnung verlangen. „Ich weiß nicht, wie ich mir das noch leisten soll“, sagt die Geesthachterin. Als Aufstockerin auf Hartz IV liegen die 900 Euro, die aktuell fällig sind, bereits 27 Euro über dem ihr bewilligten Satz. Die Differenz zahlt die Frau, die wegen ihrer Kinder nur in Teilzeit arbeiten kann, selbst.
Mischform aus Modernisierung und Instandsetzung
Wegziehen sei keine Lösung, sagt H., die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil sie sich wegen einer ihrer Ansicht nach fehlerhaften Nebenkostenabrechnung vor Gericht mit der Vonovia streitet und sich vor Nachteilen gegen sie sorgt. „Als Frau mit fünf Kindern ist es nahezu unmöglich, eine andere Wohnung zu finden. Fakt ist doch: Das hier in der Oberstadt ist ein sozialer Brennpunkt. Hier kommt jeder her, der es sich woanders nicht leisten kann“, sagt die besorgte Mieterin. Ihr einziger Wunsch: eine bezahlbare Wohnung.
Zwei Millionen Euro investiert die in Bochum ansässige Vonovia, der in Deutschland, Österreich und Schweden 400.000 Wohnungen gehören, allein für die sechs Blocks mit den Hausnummern 17 bis 25 des Farmsener Wegs, die in diesem Jahr dran sind. Darin enthalten sind Maßnahmen der Modernisierung wie Wärmedämmung, Einbau von Rollläden im Erdgeschoss oder eine Vergrößerung der Balkone. Hinzu kommen Instandhaltungen wie der Einbau einer neuen Briefkastenanlage, neuer Außenbeleuchtung, Dachrinnen oder Elektroleitungen im Treppenhaus.
Mieterhöhung auf zwei Euro pro Quadratmeter begrenzt
„Als größtes Wohnungsunternehmen Deutschlands sehen wir unsere gesellschaftliche Verantwortung: Gebäude tragen einen großen Teil zu CO2-Emissionen bei. Deshalb unterstützen wir die Ziele der Bundesregierung. Wir können diese erreichen, indem wir unsere Häuser energetisch sanieren. Dabei achten wir darauf, dass das für unsere Mieter bezahlbar bleibt und führen die Maßnahmen stets mit Augenmaß durch“, betont Vonovia-Sprecherin Panagiota-Johanna Alexiou.
Generell begrenze die Vonovia Mieterhöhungen freiwillig auf zwei Euro pro Quadratmeter. Im Fall des Hansa-Viertels liege die „Anpassung“ bei durchschnittlich 1,63 Euro pro Quadratmeter. Billiger sollten im Anschluss dagegen die Nebenkosten werden. „Ein unabhängiger Gutachter hat eine theoretische Einsparung von 0,68 Euro pro Quadratmeter ermittelt“, sagt Alexiou. Und weiter: „Wir passen die erwartete Einsparung der Heizkosten nach Abschluss der Arbeiten automatisch an.“
Es gebe auch die Möglichkeit, sich an das firmeneigene Härtefall-Management zu wenden. „Aus der Oberstadt haben sich bisher fünf Mieterinnen und Mieter bei uns gemeldet. Unser Quartiersmanager hat sich gekümmert und wir konnten gute Lösungen finden“, so die Vonovia-Sprecherin weiter.
Silvia H. hat anderes beobachtet: „Die Ersten sind hier schon ausgezogen.“ Nachbar Ralf T. (Name geändert), der sich vor einer Kündigung sorgt, sollte sein richtiger Name veröffentlicht werden, bestätigt dies: „Meine Nichte ist aus einer Wohnung in der Oberstadt raus, die schon fertig ist, weil sie es sich nicht mehr leisten konnte“, sagt T., der vier Kinder alleine aufzieht.
Mieterverein sind Probleme mit der Vonovia bekannt
Dem Mieterverein Geesthacht und Umgebung sind Probleme mit der Vonovia nicht unbekannt. „Eine Vielzahl unserer Kunden sind Vonovia-Mieter“, sagt die Vorsitzende Christiane Ritzer. Ihre Stellvertreterin Petra Boockhoff ergänzt: „Kompliziert wird es, wenn es sich um eine Mischung aus Modernisierung und Instandsetzung handelt. Instandsetzungen dürfen nicht auf die Miete umgesetzt werden. Das ist der Hauptpunkt, den man kritisieren kann.“ Als Beispiel führte sie einen Fall aus Schwarzenbek an, bei dem die Vonovia eine neue Heizung als Modernisierung verkaufen wollte. „Das war aber nur eine Instandsetzung“, erklärt Boockhoff.
Mieter sollten sich im Zweifel die ganzen Rechnungen zeigen lassen. Allerdings sagt Boockhoff: „Bei der Vonovia zeigt die Erfahrung, dass man den Klageweg beschreiten muss. Das zieht sich dann ewig hin und wird belastend für die Mieter.“
Die Nebenkostenabrechnung genau ansehen
Besonders ein Blick auf die Nebenkostenabrechnung könne sich aber lohnen. „Gerade in der Oberstadt schreiben wir diesbezüglich rege. Da soll ein Haus für einen Spielplatz zahlen, der von diesem gar nicht genutzt wird. Oder es wird dreimal Sperrmüll abgerechnet“, sagt Petra Boockhoff.
Silvia H. ist wegen ihrer Nebenkostenrechnung im Konflikt mit dem Vermieter. „Anstatt die Häuser von außen schön zu machen, sollten sie lieber die Wohnungen in Ordnung bringen. Warum ist denn fünf Jahre nach einem Rohrbruch im Keller immer noch Panzertape darum?“ Nachbar T. hat resigniert: „Wir bezahlen für die Verwaltung und nichts passiert. Drei Monate war das Licht auf dem Dachboden kaputt. Seit vier Jahren ist Schimmel im Keller. Ich rufe die gar nicht mehr an, mache alles selbst.“
Dazu sagt die Vonovia-Sprecherin Alexiou: „Notwendige Arbeiten führen wir selbstverständlich durch. Jedoch sind sie immer eine zusätzliche Belastung. In bewohnte Wohnungen gehen wir daher nur, wenn zum Beispiel akute Reparaturarbeiten erforderlich sind.“ So werden am Farmsener Weg etwa gerade Stromleitungen im Treppenhaus erneuert. Solche essenziellen Dinge wünschen sich auch Silvia H. und Ralf T. – und nicht eine Wärmedämmung, die ihrer Meinung nur dazu dient, unliebsame Klientel aus den Wohnungen loszuwerden.
Der Mieterverein Geesthacht und Umgebung hat rund 1000 Mitglieder, die dadurch rechtsversichert sind. Der Verein hat Außenstellen in Schwarzenbek, Lauenburg und Reinbek.
Sozialwohnungen: In Deutschland fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. In Geesthacht müssen sich nach einem Beschluss der Ratsversammlung Investoren daher bei einem neuen Bebauungsplan verpflichten, 25 Prozent im sozialen Wohnungsbau zu errichten. Aktuell gibt es in der Elbestadt 405 Sozialwohnungen, dazu kommen 61 noch nicht fertiggestellte Einheiten in der Hafencity an der Steinstraße. Bis Ende 2027 verlieren insgesamt 124 Wohnungen ihre Mietpreisbindung. Im Hansa-Viertel gibt es keine Sozialwohnungen.