Geesthacht. . Möwen verbringen Winter am Hafen – Nabu liest Ringe aus
Sie lieben Wasser, Uferlandschaften, Wind – und Müll. Möwen fühlen sich heute nicht mehr nur an der Küste wohl, auch im Binnenland steigt die Zahl der Räuber stetig an. In Geesthacht sind Möwen inzwischen die auffälligesten Wintervögel. Etwa 150 Tiere haben in der Elbestadt aktuell Quartier bezogen – Tendenz steigend.
Etwa sechs brütende Möwenarten sind in Deutschland inzwischen heimisch. Rund 150.000 brütende Paare leben hierzulande – ihre Zahl hat sich in den vergangenen 50 Jahren etwa verdoppelt. In Geesthacht sind hauptsächlich Lachmöwen und einige Silbermöwen zu finden. Vor allem in der Nähe des stark frequentierten Menzer-Werft-Platzes und in der Innenstadt halten sich die Tiere gern auf. Denn: „Möwen sind Kulturvögel. Das heißt, wir ernähren sie unabsichtlich durch unsere Abfälle mit – und im Hafen werden sie sogar gefüttert“, erklärt Friedhelm Ringe von der Ortsgruppe des Naturschutzbundes. Für ihn sind die Geesthachter Tiere allerdings weniger wegen ihres Fress- als vielmehr wegen ihres Reiseverhaltens interessant. Gemeinsam mit Roland Doerffer und Hartwig Jürgens beobachtet er die Möwen in der Elbestadt seit einigen Jahren genauer – und zwar nach einem deutschlandweit praktizierten Muster.
Geesthachter beteiligen sich an bundesweiter Vogelstatistik
Initiiert von den Vogelwarten des Landes, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts mit der großflächigen wissenschaftlichen Beringung von Vögeln begonnen. Durch die Erfassung und Dokumentation einzelner Tiere konnten Detailkenntnisse über den Vogelzug vieler Arten erworben werden – zum Beispiel von Kranichen, Störchen und Schwalben. Die Zugrouten größerer Vögel lassen sich inzwischen sogar per Satellitensender verfolgen.
Die Vogelwarte Helgoland etwa beringt seit 1909 – und mit ihr arbeiten auch die Geesthachter Hobby-Ornithologen zusammen. Seit etwa drei Jahren melden sie regelmäßig, wenn sich eine beringte Möwe unter das Federvieh am Elbufer mischt. Meist läuft es so: Mit einem Fernglas ausgestattet, liest Hartwig Jürgens die Ringe an den Beinen der Vögel aus. Roland Doerffer verarbeitet die Daten dann elektronisch, sodass sie Teil der Statistik der Vogelwarte werden. „Die Vogelwarte gibt auch immer wieder Rückmeldung an uns, sodass wir wissen, wo unsere Vögel sind“, erklärt Ringe.
Etwa einmal pro Woche läuft dieses Verfahren, und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die meisten Möwen, die in Geesthacht überwintern, verbringen den Sommer im Baltikum. So praktiziert es auch Möwe VR-46: Im April 2013 wurde sie zur Brutzeit in Posen (Polen) dokumentiert. Im Juli 2017 zog es sie an die Loire (Frankreich). Geschwister-Möwe VR-47 kam schon dreimal im Winter in die Elbestadt – 2013, 2017 und 2019. Für die Geesthachter Nabu-Mitglieder ist das ein Beweis für die „Wintertreue“ der Möwen, von denen sich bis Ende März auch die letzten wieder auf den Weg in ihre Brutgebiete machen werden.