Geesthacht. Geesthacht. Sie sind überall – im Kleintierhaus, beim Hundeauslauf und im Wildlingsdorf – Rote Waldameisen und sie müssen verschwinden.
Eigentlich leben sie schon seit fast fünf Jahren auf dem Nachbargrundstück, aber jetzt breiten sie sich auf dem ganzen Gelände des Tierheims an der Lichterfelder Straße aus – die Rede ist von Roten Waldameisen. „Seit neun Wochen haben die Tiere unser Kleintierhaus in Beschlag genommen“, berichtet Sarah Kubisch, Vorsitzende des Tierschutzvereins, die das Geesthachter Tierheim betreiben.
Rote Waldameisen nehmen Tierheim „auseinander“
Die Kaninchen, die bisher in dem Haus lebten, wurden nun an anderer Stelle im Tierheim untergebracht. „Das Problem ist, dass die Ameisen sich immer weiter ausbreiten und wir jetzt schon drei Hügel haben“, erzählt Kubisch. Als die Tiere auch noch anfingen, die Einrichtungen, wie einen Unterstand und den Hundeauslauf „auseinanderzunehmen“, fiel die Entscheidung, dass die Ameisen umgesiedelt werden müssen – auch vom Nachbargrundstück.
Ameisen brauchen Futterbäume wie die alten Eichen
Leichter gesagt, als getan. „Erst der Kammerjäger klärte uns auf, dass die Ameisen unter Naturschutz stünden“, sagt die Vorsitzende, die auch zugibt, dass das ein Schock war. „Wir hatten große Angst, das auf uns viele Kosten zukommen.“
Hilfe bekam das Tierheim dann vom städtischen Ordnungsamt und vom Kreisveterinäramt. Beide Einrichtungen stellten Kontakt zur Unteren Naturschutzbehörde in Hamburg und zu Dr. Willi Müller her. „Er hat uns wirklich geholfen und sich viel Zeit genommen, in dem er sich alles genau angesehen und erklärt hat“, sagt Kubisch.
Revierförsterei Grünhof nimmt die Insekten auf
So erfuhr das Tierheim-Team, dass die Ameisen sogenannte Futterbäume haben. In diesem Fall die alten Eichen, die auf dem Grundstück stehen. „Dann mussten wir noch jemanden finden, der bereit ist, die Tiere aufzunehmen“, erklärt Kubisch. In Geesthacht leben unter anderem Rote Waldameisen am Elbe-Wanderweg in Grünhof-Tesperhude und natürlich in den Wäldern rund um Geesthacht. „Wir benötigten allerdings eine Stelle, an der Eichen stehen, weil dies ihre Futterbäume sind“, berichtet Kubisch nur von einem Problem, das es zu lösen galt.
Mit Förster Wolfgang Kruckow von der Revierförsterei Grünhof fand sich jemand, der die Ameisen aufnehmen will. „Beim Grünen Jäger gibt es einen passenden Ameisenhügel, aber vorher musste noch geklärt werden, ob sich die Ameisen überhaupt verstehen“, erzählt Kubisch. So nahm Dr. Müller aus beiden Hügeln ein paar Tiere und steckte sie in einem Glas zusammen.
Um 7 Uhr früh beginnt am Sonntag die Umsiedelung
„Zum Glück haben sie sich vertragen, denn sonst hätten wir einen neuen Hügel bauen müssen“, sagt Kubisch. Nun können die Tiere einfach rund um ihr neues Zuhause verteilt werden. Wichtig ist, dass alle Königinnen mit umgesiedelt werden.
Dazu packen Vorstand und weitere Helfer an diesem Sonntag um 7 Uhr morgens an. „Wir werden in Schutzanzügen ganz vorsichtig die Hügel abtragen und den Sand mit den Ameisen in Umzugskartons packen, und diese dann schnell verschließen“, erklärt Kubisch. Die Vorkehrungen sind notwendig, weil die Tiere aggressiv werden und eine Art Säure verspritzen. Das Tierheim-Team hofft, bis Sonntagmittag mit der Umsiedelung fertig zu sein – und dann Ruhe zu haben.
Info: Die Rote Waldameise
Die Rote Waldameise ist in Europa, Nordamerika und Sibirien heimisch. Ihre großen Nestbauten sind zumeist Waldrändern zu finden. In einem Ameisenhügel leben zwischen 200 000 und zwei Millionen Tiere. Aus Pflanzenmaterialien und Erde errichten die Ameisen Nestkuppeln, die bis zu zwei Meter hoch werden und einen Durchmesser von fünf Metern erreichen können. Eine enorme Leistung für die rund sechs Millimeter langen Insekten. Ein Ameisenhügel ist zudem nie fertig gebaut, es werden stetig Veränderungen vorgenommen.
Um den Bau herum verlaufen strahlenförmig Ameisenstraßen, die mit Duftstoffen markiert sind. Zur Nahrungssuche entfernen sich die Tiere in einem Radius von etwa 50 Metern vom Nest und erklimmen dabei sogar Bäume. Da viele ihrer Nahrungsquellen als Forstschädlinge gelten, trägt die Rote Waldameise zum ökologischen Gleichgewicht ihres Lebensraumes bei. Seit 2009 steht sie auf der
Liste der gefährdeten Arten und gilt damit als besonders schützenwürdig. Es ist streng verboten, hügelbauende Waldameisen
in der Natur zu töen.