Geesthacht. Verdi-Oper zieht 950 Menschen auf den Menzer-Werft-Platz – Fröhliches Schunkeln zum traurigen Thema
Sommerhitze, lauschiger Abend, Dämmerung und immer wieder traumhaft schöne Musik, unter freiem Himmel gespielt – das sind die (Erfolgs-)Komponenten, mit denen Opern von Giuseppe Verdi aufgeführt werden. Rund 950 Zuschauer haben am Sonnabend auf dem Menzer-Werft-Platz mit „Nabucco“ eine der bedeutendsten Verdi-Opern erlebt. Das tschechische Ensemble, Solisten, der Festivalchor Prag und das Orchester der Festspieloper Prag, mehrere Wochen auf Deutschland-Tournee, bot unter Leitung von Martin Doubravský eine saubere Aufführung. „Wir sind nahezu jeden Abend irgendwo zu Gast, mal im Rheinland, mal in Bayern, mal in Brandenburg. Die Besucherzahl liegt dabei zwischen 500 und 700 Gästen. Somit hat Geesthacht mit fast 1000 verkauften Karten alles getoppt“, sagte die Mitveranstalterin Melinda Thompson sichtbar glücklich.
Die Aufführung begann mit halbstündiger Verspätung, weil die Bühnenbauer bei ihrer Arbeit vom Unwetter behindert wurden. Doch das nahm das Publikum absolut gelassen. „Obwohl es geregnet hat, hat Petrus es nur gut mit uns gemeint“, sagte Stadtmarketing-Leiter Frank Kaldenbach schmunzelnd. Der Regen am späten Nachmittag sorgte für angenehme Luft und einen staubfreien „roten Platz“.
Unterm fast wolkenfreien Himmel begann das Geesthachter Open-Air. Schon die ersten Szenen, allen voran der Einstieg mit dem Zaccharias (Jurij Kruglov) kündigten das große Drama an. Das Libretto von Temistocle Solera (1816–1878) ist eine schwere Kost. Die Handlung speist sich aus Legenden um den biblischen Herrscher Nabucco (deutsch: Nebukadnezar II.), König Babylons von 605 bis 562 vor Christus. Mit seiner Herrschaft sind Werke wie das Ischtartor, die Hängenden Gärten und der Babylonische Turmbau verbunden. Hintergrund der Opernhandlung sind die Eroberung Jerusalems 587 vor Christus und die Wegführung des jüdischen Volkes in babylonische Gefangenschaft im Jahr darauf. Giuseppe Verdi, der völlig verzweifelt nach dem Tod seiner Frau und zweier Kinder das Komponieren aufgeben wollte, nahm die Herausforderung an und vertonte die komplexe Geschichte zu einer Oper, die ihn nach der Uraufführung in der Mailänder Scala (1842) zum erfolgreichsten Opernkomponisten Italiens katapultierte.
Gekonnt haben die tschechischen Solisten und die klein, aber feinst besetzten Chor und Orchester die dramatische Handlung in der Regie von Oldřich Kříž dargestellt. Ob die unterjochten Hebräer, der Machtkampf zwischen den Nabucco-Töchtern Fenena (Dana Stastná) und Abigaille (Anna Todorová) oder Wortgefechte zwischen Nabucco (Nikolaj Nékrassov), Ismaele ((Josef Moravec) und Zaccharias – die Dramatik wurde spürbar. Was zweifellfrei viele „Opernfreunde“ an die Elbe lockte, war der berühmte Chor der Gefangenen „Va, pensiero, sull’ali dorate!“, der am Ende als Zugabe noch einmal erklang. In herrlichem Piano, bei gedimmter Beleuchtung und inzwischen dunklem Himmel ertönte das Meisterwerk. Ausgerechnet hier leistete sich das Publikum, vermutlich aus Unkenntnis des Inhalts der Oper, einen wahrlich unerwünschten Stilbruch: Mehrere Reihen setzten sich im Dreier-Takt in Bewegung und schunkelten fröhlich…
Alles in allem ein rundum gelungener Opernabend. „Ich finde es klasse, dass sowas in unserem kleinen Geesthacht geboten wird. Bei aller Illusion war für uns ein Hauch von Verona spürbar“, meinte der Geesthachter Thorsten Grolms, der mit Frau und Eltern den „Nabucco“-Abend genossen hat.