Geesthacht.

Dachdecker, Fassadendämmer, Betonbauer, aber auch Dienstleister wie Fensterputzer – eine Baustelle könnte all diesen Branchen über Jahre Aufträge bescheren. Beim Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel werden in den kommenden Jahrzehnten etwa 500 000 Tonnen Abfall (etwa 97 Prozent der Gesamtmasse) anfallen, die nach dem sogenannten „Freimessen“ (siehe Info-Kasten) als normaler Abfall entsorgt werden können – und von diesem Batzen könnte die lokale Wirtschaft profitieren, sagt Jürgen Wirobski, Vorsitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht (WVG). „Warum sollen Fremdfirmen das machen? Wir könnten hier in der Region ein Modell entwickeln, dass dann von Krümmel aus in andere Regionen übertragen werden kann“, wirbt Wirobski für den perspektivischen Blick auf das Kernkraftwerk: „Wir dürfen so eine Aufgabe nicht nur den Großen überlassen.“

Damit sich mehr Unternehmen für die Arbeit im und am Kernkraftwerk erwärmen können, dessen Reaktor seit 2007 fast ununterbrochen still steht, sei vor allem Aufklärungsarbeit erforderlich – besonders beim Nachwuchs. Wirobski: „Wir haben nur eine Schule, die sich überhaupt für den Rückbau interessiert – das ist miserabel. Da sind Berufe der Zukunft und es ist doch eine coole Nummer, wenn ich am Rückbau beteiligt bin.“

Welche Schulungen und andere Voraussetzungen ein Unternehmen erfüllen muss, um am Rückbau beteiligt werden zu können, will die WVG am 11. Mai (17 Uhr) erläutern. Im Schulungszentrum des Kernkraftwerks werden Experten Fragen beantworten und Abläufe verdeutlichen. Um Anmeldung unter info@ wvgeesthacht.de wird gebeten.

Politisch erntet Wirobski für den Vorstoß positive Reaktionen: In der Kombination aus Wirtschaft und Forschung sieht FDP-Landtagskandidat Jan Marcus Rossa für Geesthacht ohnehin eine Chance, sich langfristig zu positionieren. „Das Geesthachter Innovations- und Technologiezentrum ist ein Leuchtturm, durch den Neues entwickelt werden kann“, sagte er bei der Diskussionsveranstaltung mit den Landtagskandidaten für den hiesigen Wahlkreis, die die WVG organisiert hatte.

Uta Röpcke, die für die Grünen in den Landtag einziehen möchte, betonte in diesem Zusammenhang: „Lokale Betriebe sollten etwas vom Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel haben. Geesthacht könnte eine Modellregion werden.“

„Freimessen“ von Kraftwerkmüll

Beim sogenannten Freimessen wird die radioaktive Strahlung von Abfällen geprüft. Material, dessen Aktivität nachweislich die Freigabewerte der Strahlenschutzverordnung unterschreitet, gilt als freigemessen und kann freigegeben werden. Danach fällt das Material nicht mehr unter das Atom-, sondern unter das Abfallrecht. Die Überwachung des Freimessvorgangs erfolgt durch unabhängige Sachverständige der Atomaufsicht. Für den strahlenden Müll soll in Krümmel vor dem Rückbau ein weiteres Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe gebaut werden.