Geesthacht. Pumpspeicherbecken Untersuchung bestätigt Sediment mit bedenklich hohen Konzentrationen an Arsen, Quecksilber und Zink

Wer auf die riesige Wasserfläche des Pumpspeicherbeckens am Geesthang blickt, ahnt kaum, welch extrem belastete Masse sich über Jahrzehnte am Grund des künstlichen Sees angesammelt hat. Eine bislang nur in kleinen Teilen veröffentlichte chemische Untersuchung des Schlamms, die unserer Zeitung vorliegt, fördert nun erschreckende Erkenntnisse ans Tageslicht. Demnach enthält das Sediment neben anderen Belastungen zum Teil bedenklich hohe Konzentrationen an Arsen, Cadmium, Quecksilber und Zink.

Das Kraftwerk galt einst als Wunderwerk der Technik: Innerhalb von neun Stunden füllt sich das vier Millionen Kubikmeter fassende Speicherbecken mit Elbwasser. Doch mit jedem Pumpvorgang wurden auch Sand und andere Schwebteilchen in den künstlichen See gespült, immer und immer wieder. Wie eine 2015 von Betreiber Vattenfall in Auftrag gegebene Echolot-Analyse bestätigt, haben sich auf diese Weise in 58 Jahren nunmehr rund 640 000 Kubikmeter Sediment am Boden des Betonbeckens angesammelt.

Die dicke Schicht hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Wie Betreiber Vattenfall in einer Anmerkung zu dem Gutachten formuliert, würden die höher belasteten Sedimente unten liegen, überdeckt von immer neuem Sediment, das weniger oder kaum belastet sei. „Die sich über die Höhe des Sediments verändernde Zusammensetzung ist quasi der ,Zeitzeuge’ der sich wandelnden Flussqualität“, heißt es in der Einschätzung von Vattenfall. So wurden für die 45-seitige Studie, von denen bislang sechs Seiten öffentlich sind, Proben in verschiedenen Tiefen gezogen – und tatsächlich finden sich in den untersten Schichten die höchsten Werte. Und die sind alarmierend. So wiesen die Gutachter eine Belastung mit dem hoch giftigen Arsen von 191 mg pro Kilo nach. Selbst für nicht zugängliche Industrieanlagen gilt ein Grenzwert von 140 mg. Auch die Konzentrationen von Cadmium (20 mg), Quecksilber (24 mg) und Zink (2730 mg) sind ungewöhnlich hoch, wie ein Hamburger Experte für Gefahrstoffentsorgung unserer Zeitung bestätigt. „Diese Werte sind extrem“, sagt der Fachmann, der nicht namentlich in der Zeitung genannt werden möchte. „Vor diesem Hintergrund ist das Pumpspeicherbecken eigentlich nichts anderes als eine offene Deponie“, so der Experte.

Er stuft die abgelagerten Altlasten auf Grundlage des Gutachtens mindestens als Abfall der Kategorie Z2 ein – damit müssten die riesigen Mengen Sediment auf eine Deponie gebracht werden. „Allein die Kosten für die Annahme dieser Stoffe auf einer Deponie beginnen bei zehn Euro pro Tonne. Durch Zuschläge oder besondere Lagerungen kann sich der Preis aber schon mal auf 200 Euro erhöhen. Und da sind weder Transport-, Sicherungs- oder Ausbaggerungskosten enthalten“, erläutert der Unternehmer. Vor diesem Hintergrund hält er Gesamtkosten für die Entsorgung des Geesthachter Schlammbergs von 80 bis 100 Millionen Euro für durchaus realistisch.

Bei Vattenfall gibt es derzeit allerdings keine Pläne für eine Entsorgung des giftigen Sediments. „Es liegen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Bodens oder des Grundwassers unterhalb des Oberbeckens vor. Die Dichtheit des Beckens ist in Verbindung mit der Standsicherheit Gegenstand regelmäßiger Betrachtungen“, kommentiert der Energiekonzern das Gutachten weiter.

Zwar sei ein „Sedimentmanagement“ für den weiteren Betrieb des Kraftwerks angedacht – was mit den vorhandenen Ablagerungen passieren soll, dazu will sich der Konzern derzeit jedoch nicht äußern. Auch die genannte Entsorgungssumme will Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow auf Nachfrage unserer Zeitung nicht kommentieren. Dabei macht sich die Verschlammung mittlerweile auch im Betrieb des Kraftwerks bemerkbar: So verringert das Sediment den Betriebsraum des Beckens bereits um rund sieben Prozent, das haben Echolotmessungen 2015 ergeben.

Die Geesthachter Grünen-Ratsfrau Bettina Boll befürchtet, dass die jetzt bekannt gewordenen Untersuchungen nur die Spitze des Eisberges dokumentieren. „Das Pumpspeicherwerk steht neben zwei Atomanlagen und wurde genau während der Boom-Zeit der Atomindustrie betrieben“, sagt Boll. Sie fordert deshalb, den belasteten Schlamm auch auf radioaktive Rückstände zu untersuchen – was bisher noch nicht passiert ist. „Ich bin ganz sicher, dass sich hier auch Radionuklide nachweisen lassen. Dann hätte das noch eine ganz andere Dimension“, sagt die Grünen-Politikerin. Sie erwartet jetzt Konzepte für eine ordentliche Entsorgung.

Ob und wann es dazu kommt, ist allerdings völlig offen. Vor einer möglichen Alternative zum Ausbaggern warnt Dr. Alexander Gröngröft vom Institut für Bodenkunde an der Universität Hamburg: „Eine Einleitung in die Elbe würde zu starken Verschlechterungen führen. Meines Erachtens dürften die unteren Schichten des Sediments nicht einmal angefasst werden, sonst würde das Schlimmste wieder hochgewirbelt werden.“

Auch beim Kreis Herzogtum Lauenburg liegt das Gutachten bereits vor. „Zurzeit werden die Informationen von mehreren Dienststellen ausgewertet. Dann werden wir sehen, ob wir Konsequenzen ergreifen müssen“, sagt Kreissprecher Karsten Steffen.

Das Pumpspeicherkraftwerk wurde 1958 in Betrieb genommen und ist einmalig im Norden. Sind Überkapazitäten im Stromnetz vorhanden, wird mithilfe starker Pumpen Elbwasser in das Becken oberhalb des Grünen Jägers gepumpt. Wird mehr Energie benötigt, läuft das Wasser die dicken Rohre wieder hinunter und treibt drei Turbinen mit einer Leistung von jeweils 40 Megawatt an. Auf diese Weise kann in dem See – dessen Volumen von vier Millionen Kubikmetern etwa dem von Binnen- und Außenalster zusammen entspricht – nicht benötigter Strom quasi geparkt werden. Diente das Pumpspeicherkraftwerk früher als Not-Reserve für die Hansestadt Hamburg, ist es heute ein wichtiger Baustein der Energiewende im Norden – insbesondere, um die schwankende Stromproduktion aus Windkraft und Fotovoltaik abzupuffern. Das Kraftwerk ist dafür innerhalb von 70 Sekunden ohne Vorlauf einsatzbereit – und kann je nach Füllstand bis zu fünf Stunden am Stück Strom erzeugen. Der gesamte Pumpvorgang zum Wiederauffüllen des Beckens dauert nach Angaben des Betreibers Vattenfall neun Stunden. Der Energiekonzern hat die Anlage zur Jahrtausendwende von den Hamburgischen Electricitätswerken übernommen. (ger)

Ich kann mich noch gut erinnern, als in der 80er-Jahren herauskam, dass der Belag des Fußballplatzes neben meiner Schule mit belasteter Asche aus einer Müllverbrennungsanlage vermischt wurde. Aufgeregt wurden Proben gezogen, der Platz gesperrt und zur Hochsicherheitszone erklärt. Es folgte eine wochenlange Sanierung. So lange galt: Betreten streng verboten.

Beim Pumpspeicherbecken reden wir von anderen Dimensionen. Hier geht es nicht um ein kleines Fußballfeld, sondern um vielleicht 10 000 Lkw-Ladungen mit zum Teil hoch belastetem Schlamm. Was genau dort unten lagert, kann selbst das umfangreiche Gutachten noch nicht vollständig erfassen. Deshalb ist schnelles Handeln gefragt, müssen Konzepte her. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Das Argument, dass der Schlamm doch seit Jahrzehnten sicher dort unten liegt, kann hier nicht gelten – schließlich könnten die Gifte irgendwann einmal ins Grundwasser sickern, sollten sich an der Betonkonstruktion einmal Risse zeigen.

Die Situation, in der Energiekonzern Vattenfall nun steckt, ist zugegebenermaßen schwierig. Das Unternehmen hat den Dreck nicht verursacht und ist auch nicht Auslöser der Misere, schließlich wurden Arsen, Quecksilber und Co. hauptsächlich in den 70er- und 80er-Jahren aus dem Ostblock die Elbe runtergespült.

Allerdings lastet auf dem Betreiber nun das schwere Los der Verantwortung: Dafür, dass schnell belastbare Konzepte für den Umgang mit dem Schlamm gefunden werden – und das so transparent, wie es sich Vattenfall aktuell auch beim Rückbau des benachbarten Kernkraftwerks Krümmel auf die Fahnen geschrieben hat.