Geesthacht. Plaza-Parkplatz in Geesthacht: Eine Postkarte mit dieser Adresse hat Ellen Lerchl noch nicht erhalten. Aber würde jemand auf die Idee kommen, sie zu schicken, käme sie wohl an.
Das Häuschen, das Tag für Tag von parkenden Autos umgeben ist, kann man kaum übersehen. Es liegt an der Norderstraße - und das schon seit 1892. Doch in 119 Jahren hat sich alles rundherum verändert.
Für Ellen Lerchl ist das kein Wunder. "Was hat sich in dieser Zeit nicht verändert?", fragt die 74-Jährige, bei der Plaza auch schon mal angefragt hat, ob sie verkaufen wolle. "Die wollen hier auch noch Parkplätze bauen, aber da müssen sie noch ein bisschen warten", sagt Ellen Lerchl. Schließlich hängt sie an dem Backsteinhaus, dem Elternhaus ihres Mannes Otto. Und: "Alles ist nahebei, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten." Als junge Ehefrau zog sie 1960 ein, ihre Tochter und ihr Sohn, heute 51 und 46 Jahre alt, sind hier aufgewachsen. "Erst 1962 ist die Norderstraße geteert worden. Das alte Kopfsteinpflaster war damals von den Lastwagen des Holertschen Sandsteinwerks völlig ausgefahren", erinnert sie sich.
Den großen Garten hat ihr Mann unermüdlich beackert. Zwei Drittel des Grundstücks verkauften die Lerchls vor gut zehn Jahren, als das Plaza-Center gebaut wurde. Der Garten reichte früher bis ans Ende des heutigen Plaza-Parkdecks. Doch auch heute ist noch genug Platz für Brombeeren, Blumen, einen Pflaumen- und einen Apfelbaum. "Es ist ein alter Baum, im Stamm nisten jedes Jahr Meisen", erzählt Ellen Lerchl. Die Äpfel taugen zwar nur für Apfelmus, sind aber so süß, dass man keinen Zucker dafür braucht. Ihre Kinder sind dankbare Abnehmer für die selbst gemachte Marmelade und das Kompott - ein Gruß aus dem elterlichen Garten, mitten vom Plaza-Parkplatz.
Hecken schützen vor lästigen Blicken. "Plaza und der Verkehr stören mich nicht", sagt Ellen Lerchl. Nur am Wochenende sei es am ZOB manchmal sehr laut, wenn betrunkene Jugendliche dort herumgrölen. "Dann bin ich froh, wenn der letzte Bus weg ist", so die 74-Jährige.
Sie wohnt in der einen Haushälfte, die andere hat sie vor 15 Jahren an eine Familie aus Kasachstan vermietet, die bis heute dort wohnt. "Gute Nachbarn und Freunde sind das ", sagt sie. So ist die Geesthachterin nicht ganz allein im Haus, denn ihr Mann ist vor drei Jahren gestorben. "2010 hätten wir Goldene Hochzeit gehabt", erzählt sie mit Tränen in den Augen.
Ellen Lerchl möchte im eigenen Haus bleiben, so lange es geht. "Und morgens sehe ich immer an den Fahnen auf dem Plaza-Deck, woher der Wind weht."