Aumühle. Das Deutsche Brotinstitut hat in Aumühle verschiedene Produkte von Bäckern getestet. Wie eine Brotprüfung abläuft.

Wie sie vergnügt im Schaufenster der Aumühler Bäckerei Baumgarten sitzen, könnten sie glatt als Radiomoderatoren durchgehen, die ein Fußballspiel kommentieren. Doch es geht um ein anderes Nationalheiligtum der Deutschen: das Brot. Prüfer Michael Isensee und der angehende Brotsommelier Nico Stoffels vom Deutschen Brotinstitut nehmen Brote und Brötchen der Bäckerinnung Nord unter die Lupe – oder besser unter die Nase.

Stoffels schneidet die Laibe mit einer Brotsäge auf, Isensee betrachtet die Hälften, saugt ihren Duft ein und probiert kleine Stückchen, die er aus der Scheibe reißt. Dann wieder halten sich die beiden Männer einzelne Scheiben vor die Nase – fast wie eine Maske. „Ich sag immer: Mach die Brote nicht so lang“, sagt Prüfer Isensee zu seinem Gegenüber. „Dann kommen die Leute eher wieder in die Bäckerei.“

Bewertung von Broten: sechs Kriterien fließen mit ein

Geruch und Aroma sind zwei von sechs Kriterien. Außerdem werden die Produkte auf Form und Aussehen, nach Oberfläche und Kruste, auf Lockerung und Krumenbild (ob keine Hohlräume enthalten sind, wie locker das Brot ist) sowie auf die Textur (Struktur und Elastizität) untersucht. Ein kleines Single-Brot könne nicht so gut schmecken wie die riesigen Laibe aus dem Restaurant im Urlaub. „Das ist schon nach einer Dreiviertelstunde aus dem Ofen“, sagt Isensee. „Backzeit bringt auch Aroma.“

Dirk Baumgarten (52), Obermeister der Bäcker-Innung Nord, hatte die Kollegen eingeladen, ihre Brote und Brötchen prüfen zu lassen. Von noch zehn Mitgliedern im Kreis waren vier und eines aus dem Nachbarkreis der Einladung gefolgt, hatten 34 Brote und zehn Brötchen eingereicht. 19 Brote wurden mit „sehr gut“ bewertet, zwölf mit „gut“, drei wurden nicht prämiert. Bei den Brötchen erhielten vier Sorten ein „sehr gut“ und sechs ein „gut“. Die Ergebnisse gibt Michael Isensee sogleich in den seinen Laptop ein.

Brötchenteig sollte über Nacht in der Kühlung reifen

„Manches ist auch typbedingt, manches regional“, sagt der Brotprüfer. Für jedes Brot gebe es eine Karte, auf der auch das Mischverhältnis von Roggen- und Weizenmehl angegeben ist. „Je mehr Roggen enthalten ist, desto mehr Sauerteig ist auch enthalten“, erläutert Isensee. „Daher muss es auch kräftiger schmecken. Wir prüfen also typ­entsprechend.“ Ob Weizen, Roggen, Dinkel oder Emmer: Bei der Brotprüfung sei alles dabei.

Geprüft werde auch, ob nach traditioneller Backart hergestellt werde. „Bei Brötchen etwa ist es von Vorteil, wenn der Teig über Nacht in der Kühlung reift“, sagt Dirk Baumgarten. „Am nächsten Morgen wird er dann langsam ausgebacken. So erhält er mehr Aromen und wird bekömmlicher.“ Woran liegt es denn, dass dies oft nicht mehr befolgt wird? Wollen die Bäckereien Zeit sparen? „Nein“, meint Michael Isensee. „Das liegt an den Kunden, die nicht mehr Geld ausgeben wollen und das husch, husch gebackene Brot aus dem Supermarkt kaufen.“ Dann könne es zu Weizenunverträglichkeiten kommen.“

Der Obermeister hat keine persönliche Lieblingssorte

Er prüfe am liebsten Brot, zu Hause aber esse er bevorzugt Brötchen. „Da habe ich mehr Auswahl passend zum Inhalt meines Kühlschranks“, sagt Michael Isensee.

Auch Dirk Baumgarten hat Brot und Brötchen nicht über, liebt aber die Abwechslung: „Morgens dürfen es gern Frühstücksbrötchen sein, abends eine schöne Scheibe Brot. Eine Lieblingssorte habe ich aber nicht, ich probiere gern verschiedene Sorten.“

Bergische Kruste, Korn an Korn und Lauenburger Landbrot erhalten Gold

Michael Isensee ist mit der Resonanz auf den Prüftermin zufrieden. „Eine Beteiligung von 50 Prozent aller Mitglieder wird in anderen Gegenden nicht erreicht“, sagt er. Und dass nicht alle prämiert worden seien, gehöre dazu: „Es kann nicht immer jeder der Erste sein. Es gibt immer mal Ausreißer. Wichtig ist, dass sich die Bäcker der Selbstkontrolle stellen.“ Gewöhnlich lädt Dirk Baumgarten einmal im Jahr zur Prüfung ein. Doch wegen Corona war der öffentliche Termin 2020 nicht möglich. „Das ist dieses Jahr erst meine zweite Prüfung“, so Isensee.

Auch eines der Brote von Dirk Baumgarten wurde nicht prämiert: zu wenig Salz. Er nimmt es sportlich: „Da können wir nur dazulernen. Wir haben in der Vergangenheit wegen der Prüfungen schon Rezepturen verändert. Beispielsweise, dass wir Sonnenblumenkerne jetzt im Ofen abrösten, bevor wir sie in den Brotteig geben. Das gibt mehr Aroma“, sagt der Obermeister. Immerhin: Zehn seiner elf eingereichten Brote wurden prämiert, drei davon – die Bergische Kruste, das Korn an Korn sowie das Lauenburger Landbrot – erhielten Gold für drei Jahre „sehr gut“ in Folge.

Am Ende ist der Geschmack der Kunden entscheidend

Michael Isensee hält sich auch mit strengen Urteilen nicht zurück: „Was habe ich oder er davon, wenn ich Dirk Baumgarten Honig ums Mauls schmieren würde?“, fragt er. „Ich will glaubwürdig bleiben. Die Leute wollen meine ehrliche Meinung.“ Die beiden Experten sind sich einig: Schließlich muss das Brot den Geschmack der Kunden treffen.

Verbraucher können auf der Homepage www.brotinstitut.de auf einer interaktiven Karte die Bäckereien finden, deren Produkte geprüft wurden.