Ratzeburg/Klein Zecher. Eltern hatten Arzt wegen eines Krampfanfalls des Kindes gerufen. Eltern erheben schwere Vorwürfe. Fachgutachten in Auftrag gegeben.

Es ist der Alptraum vieler Eltern. Das eigene Kind erkrankt – und stirbt dann in ärztlicher Behandlung. Der Tod des damals siebenmonatigen Säuglings Lönne im Januar 2021 beschäftigt jetzt die Staatsanwaltschaft Lübeck. Sie hat Ermittlungen gegen Notarzt Dr. H. aufgenommen, wie zuerst das Schleswig-Holstein-Magazin des NDR berichtete.

Mitte Januar hatten Martje und Niklas Ratzow die 112 gewählt. Lönne hatte einen Krampfanfall. Die Eltern dreier Kinder hatten so etwas schon mit einem älteren Kind erlebt. Zunächst, so berichten sie dem NDR, schien die Situation unter Kontrolle: Die zuerst eintreffenden Sanitäter hätten ihrem Sohn krampflösende Zäpfchen gegeben, worauf sich Lönne beruhigte.

Tod eines Kleinkinds: Notarzt soll falsche Medikamente gegeben haben

Beim zweiten Krampfanfall war der Notarzt eingetroffen. Der Mediziner mit eigener Praxis fährt freiberuflich als Notarzt im Kreis Herzogtum Lauenburg Einsätze im Auftrag des DRK. Dr. H. will Lönne intravenös ein Medikament verabreichen. Als dies misslingt, trifft der Arzt eine folgenschwere Entscheidung. Er will dem kleinen Körper das Medikament über das Knochenmark zuführen. Um die Schmerzen zu mildern, die mit einem solchen Eingriff einhergehen, erhält der Säugling ein Lokalanästhetikum: Lidocain.

Schwach dosiert kommt Lidocain auch in Deutschland zum Einsatz, gegen Schmerzen zahnender Kinder etwa. Die US-Aufsichtsbehörde FDA hat jedoch bereits 2014 mit Blick auf Säuglinge gewarnt, Überdosierung könnten schwere Hirnschäden, Herzprobleme und Krampfanfälle auslösen.

Tubus für die Atmung war nicht richtig platziert

Lönnes Herz hört auf zu schlagen. Gut eine Stunde lange mühen sich die Sanitäter und der Arzt, den kleinen Jungen auf dem Küchentisch seiner Eltern in Klein Zecher wiederzubeleben. Doch alle Anstrengungen bleiben vergebens.

Im Uniklinikum Lübeck hat nach NDR-Recherchen dann ein Kinderarzt erkannt, dass der kleine Tubus, der zur Beatmung in die Luftröhre des Säuglings hatte eingeführt werden sollen, nicht richtig platziert war. Die Eltern erheben schwere Vorwürfe gegen den Arzt: Hätte er externe Hilfe zurate gezogen, könnte ihr Sohn noch leben.

Staatsanwaltschaft gibt Fachgutachten in Auftrag

Die Staatsanwaltschaft hat ein Fachgutachten in Auftrag gegeben. Nach rechtsmedizinischen Erkenntnissen könnten die „verabreichten Medikamente … zum tödlichen Verlauf beigetragen haben“. Es solle nun geklärt werden, „ob ein ärztlicher Behandlungsfehler ursächlich für den tödlichen Verlauf war“.

Kritischen Nachfragen, ob Notärzte nicht für die Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern speziell geschult sein müssten, tritt der Kreis als Träger des Rettungsdienstes entgegen. „Das ist durch das Land nicht vorgegeben. Es gibt aber auch keinen Baby-Notarzt“, sagt Kreissprecher Karsten Steffen. Zugleich stellt er klar: „Die Neuvergabe der Notarztversorgung durch den Kreis hat mit diesem tragischen Fall nichts zu tun.“