Das Konzept für eine neue Bewirtschaftungsform findet keine Mehrheit. Auf der Suche nach einer Lösung werden zwei Experten eingeladen

Geesthacht Auch dieser Anlauf ist gescheitert: Ein neues Forsteinrichtungswerk, das die Bewirtschaftung und damit die Zukunft des 276,38 Hektar großen Geesthachter Stadtwalds regelt, ist weiter nicht in Sicht. Der von der Verwaltung vorgelegte Entwurf fand im Ausschuss für Umwelt und Energie nicht die Zustimmung von Grünen, SPD, Linken und BfG. Diese vier Fraktionen haben mit sieben Stimmen eine Mehrheit gegenüber CDU und FDP, die auf vier Stimmen kommen.

Die Mehrheitsfraktionen wollen ein neues Konzept für das Forsteinrichtungswerk durchsetzen, nachdem das alte bereits Ende des vergangenen Jahres turnusmäßig nach zehn Jahren ausgelaufen war. Bis ein neues Konzept verabschiedet wird, gilt es aber weiter. Wenn es zu einem neuen käme, würde dieses rückdatiert auf den 1. Januar 2021 und bis Jahresende 2030 gelten.

Ablehnung kam überraschend, bereits im März wurden die Weichen gestellt

Die Ablehnung kam überraschend, denn eigentlich waren im März im Ausschuss die Weichen gestellt worden. Ein von den vier Fraktionen verabschiedeter Antrag legte die Ziele für die neue Forsteinrichtung fest. Die Herausforderungen durch den fortschreitenden Klimawandel, einer schwindenden Biodiversität und der steigenden Bedeutung als Naherholungsraum sollten stärker in den Mittelpunkt rücken, die Funktion des Stadtwaldes als Wirtschaftsfaktor zurücktreten.

Das neue Forsteinrichtungswerk soll sich im Wesentlichen an den Prinzipien der naturnahen Waldnutzung des sogenannten Lübecker Waldkonzeptes orientieren. Für fünf Jahre sollte ein Einschlagsmoratorium gelten, Bäume nur noch gefällt werden, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, der Wald ansonsten forstwirtschaftlich in Ruhe gelassen werden.

„Nicht beschlussfähig und bedarf einer Überarbeitung“

Im aktuellen Entwurf, den eine Firma aus dem bayrischen Weßling in der Nähe des Starnberger Sees erarbeitet hat, findet sich nach Lesart der vier Fraktionen von diesen Zielen allerdings nicht alles wieder. „Gewisse Rahmenbedingungen sind nicht sauber ausgearbeitet“, meinte Werner Flindt (SPD). „Es ist nicht beschlussfähig und bedarf einer Überarbeitung“, erklärte Sonja Higgelke (Grüne).

Aus Sicht der vier Fraktionen wurden wesentliche Punkte aus der Wunschliste nicht erfüllt. So würde das Lübecker Waldkonzept nicht explizit benannt. Ulrike Stüber (Fachdienst Umwelt) verteidigte das vorgelegte Werk hingegen. „Das steht auf Seite fünf“, meinte sie. Dort findet sich der Satz, „die Forsteinrichtung folgt damit den Prinzipien der ökosystem-orientierten Waldpflege in der für diesen Hang-Wald angepassten Form“. Das reicht den Kritikern aber nicht.

Wenig naturnahen Prinzipien und „schon gar nicht dem ,Lübecker Konzept’ gefolgt“

Einer, der sich in Sachen „Lübecker Konzept“ bestens auskennt, ist Dr. Lutz Fähser. Der Leitende Forstdirektor im Ruhestand führte das auch für Geesthacht verfolgte Ziel der naturnahen Waldnutzung bereits 1994 in dem von ihm verantworteten Lübecker Stadtwald ein. Er wurde von den vier Fraktionen um eine Stellungnahme gebeten. „Die Planungsgrundsätze und Einzelplanungen im Revierbuch und in dem Anhang folgen aber vielfach anderen, wenig naturnahen Prinzipien und schon gar nicht dem ,Lübecker Konzept’, das als Anhalt von der Stadtvertretung anvisiert wird“, urteilt Dr. Fähser über den Entwurf des bayrischen Gutachters.

„Die meisten dieser Experten denken als Forstwirte – mit der Betonung auf Wirtschaft“, erklärt Dr. Friedhelm Ringe. Die Meinungsverschiedenheiten rührten wohl von unterschiedlichen Sichtweisen her. „Der Wald hat aber andere Aufgaben als nur die Wirtschaft“, meint Dr. Ringe. Der promovierte Biologe macht beim Geesthachter Nabu mit und bei den Grünen, ist sowohl mit Dr. Lutz Fähser im Gespräch und hat sich auch mit Robert Reißig getroffen: „Es gibt zu viel Pflege, zu viel Nutzung, zu wenig wird die Natur sich selbst überlassen. Wir müssen mehr Geduld haben. Die Natur selbst liefert alles an. Was passt, wächst. Was nicht, wird selektiert.“

Gutachten könne nicht einfach mal so umgeschrieben werden

Wie es nun weitergeht, ist unklar, die Situation ist verfahren. Der vorgelegte Entwurf findet keine Mehrheit, und die Stadt gab an, nicht nachbessern zu können. Der Auftrag sei von der Firma Reißig abgeschlossen worden. Das Gutachten könne nicht mal einfach umgeschrieben werden, das sei nicht leistbar. „Aus Sicht der Verwaltung haben wir uns gemäß der Beschlusslage an dem Lübecker Model orientiert. Da dies im Ausschuss nicht so gesehen wird, werden gemäß Beschlusslage die genannten Experten zu einer Sitzung eingeladen“, teilt die Stadt mit.

Immerhin: Dieser auf dem Ausschuss formulierte Antrag zur Einladung war erfolgreich. Auf einem der nächsten Ausschüsse sollen nun sowohl Dr. Lutz Fähser als auch Robert Reißig ihre Meinung vertreten. Aber ob dadurch der gordische Knoten gelöst werden kann? „Ob die Meinung der Experten noch entscheidend auf eine Problemlösung einwirken wird, kann seitens der Verwaltung nicht beantwortet werden. Dazu muss die Sitzung abgewartet werden“, so die Stadt.

„Mit dem Ring durch die Nase durch die Ausschuss-Manege gezogen“

Mehr Schärfe bringt ein Statement der CDU zu den Vorgängen ins Spiel: „Die damaligen Antragspartner aus SPD, Linke und BfG zeigten sich in der Debatte zurückhaltend und werden mittlerweile durch die Grünen-Fraktion mit dem Ring durch die Nase durch die Ausschuss-Manege gezogen“, findet Sven Minge (CDU), der ebenfalls Mitglied im Umwelt- und Energieausschuss ist.