Kreis Segeberg. Das Vertrauen in die Politik haben sie verloren. Zum Abschluss der Serie stellen wir junge Klimaschutzaktivisten vor.
Sie gehen auf die Straße für ihre Zukunft. Sie machen dort den Druck, der nötig ist, damit die Generation der Eltern und Großeltern begreift, dass es beim Klimaschutz nicht fünf vor zwölf ist, sondern bereits eine Minute vor zwölf. Unter Kindern und Jugendlichen ist das nachhaltige und umweltbewusste Verhalten kein Thema mehr für randständige Öko-Freaks, sondern es ist zu einem zentralen Bedürfnis im Zentrum der Jugendkultur gewachsen. Die „Fridays for Future“-Bewegung mit ihrer schwedischen Ikone Greta Thunberg steht an der Spitze eines historischen gesellschaftlichen Wandels. Wir haben Jugendliche aus der Region getroffen, die Teil dieser Bewegung sind.
Jule Demandt (17), Henstedt-Ulzburg: Kürzlich, bei der ersten „Fridays for Future“-Demonstration in ihrer Heimatgemeinde, ist Jule Demandt in der ersten Reihe des Protestzuges mitgelaufen. Sie ist in der Ortsgruppe der globalen Klimaschutz- und Umweltbewegung aktiv. „Die Politik sieht die Klimakrise und die Herausforderungen, aber sie handelt nicht! Deswegen verschaffen wir junge Menschen uns jetzt Gehör. Auch eine kleine Demo kann etwas bewirken. Vielen ist das ja nicht bewusst, die denken, allein könne man ja nichts bewirken. Greta Thunberg saß anfangs allein bei ihrem Streik.“
Sie selbst will ein gutes Beispiel sein, versucht, sich vegetarisch zu ernähren. „Ich probiere viele Alternativen. Und in Henstedt-Ulzburg fahre ich viel mit dem Fahrrad.“ Jule Demandt macht eine Ausbildung zur Maßschneiderin – und nutzt ihre Kenntnisse auch privat. „Eigentlich kaufe ich meine Kleidung nur auf dem Flohmarkt ein“, sagt sie. Und was nicht passt, wird passend gemacht.
Jan Ohe (17), Norderstedt: Den Großteil seines jungen Lebens wurde Jan Ohe aus Norderstedt von seinen Eltern erzogen – seit einiger Zeit ist es umgekehrt. „Mein Vater, er arbeitet als Oberarzt, fährt inzwischen jeden Morgen mit dem Fahrrad von Poppenbüttel nach Barmbek. Ich bin froh, dass ich ihn davon überzeugen konnte, sein Auto stehen zu lassen.“ Seine Mutter verzichte nun, genau wie er, auf Schweine- und Rindfleisch. „In erster Linie ernähre ich mich vegan – nicht nur wegen des Tierwohls, sondern vor allem zugunsten des Klimas.“
Der Schüler des Albert-Schweizer-Gymnasiums organisiert die großen „Fridays for Future“-Demonstrationen in Hamburg mit. Im März stellte er in Norderstedt, seiner Heimatstadt, eine Kundgebung mit 700 Leuten auf die Beine. Eineinhalb Jahre bevor „Fridays for Future“ aufkam, ist er der SPD beigetreten. „Ich wollte mich gern politisch engagieren. Heute bin ich in der Partei aber nicht mehr aktiv“, sagt das Mitglied der Jusos. Er merke, dass eine Jugendorganisation kaum Mitspracherecht habe. Deswegen gehe er lieber demonstrieren. Weil er sich aber immer noch mit den Forderungen, unter anderem von Juso-Chef Kevin Kühnert, identifizieren könne, bleibe er vorerst Mitglied.
Das Fliegen sieht Jan wie viele andere Klimaaktivisten sehr kritisch. „Kurzstreckenflüge gehen gar nicht. Die sollte man direkt verbieten.“ Der Elftklässler denkt darüber nach, genau wie Greta Thunberg mit dem Segelboot die Welt zu entdecken. Zum Beispiel die Karibik. „Der Entdeckergeist ist definitiv da – aber es funktioniert auch ohne Fliegen.“
Jan Trost (21), Henstedt-Ulzburg: „Join the Green Side“ ist Jan Trosts Forderung, kommt auf die grüne Seite. „Es geht um das nachhaltige Leben“, sagt der Student der Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Harburg. „Als Student fahre ich immer mit der Bahn nach Harburg. Es ist wichtig, dass jeder auch im Kleinen anfängt. Das heißt auch, kein Fleisch aus Südamerika und keine Palmöl-Produkte zu kaufen. Für Fleisch kann man auch gern einmal fünf Euro mehr ausgeben.“
Jan beschäftigt sich viel mit Mobilität – der ÖPNV müsse viel günstiger sein und nicht immer wieder teurer werden, fordert er. „Je weniger wir Auto fahren, desto besser.“ In ein Flugzeug würde er sich nicht mehr setzen. „Ich bin nur einmal mit meiner Schulklasse nach Wien geflogen. In Europa kommt man doch überall mit dem Zug hin, selbst das Auto ist umweltfreundlicher als ein Flugzeug. Und in Kroatien kann man genauso gut Strandurlaub machen wie in Australien.“ Wobei er am liebsten mit seiner Freundin in Österreich wandert. „Das Thema Klimakrise verbreitet sich über die sozialen Medien, das finde ich gut. Die Brände in Südamerika wurden lange nicht beachtet, dann viel auf Instagram geteilt, da merkten es die Leute so langsam.“ Jan Trost will mal in der Energie- und Umwelttechnik arbeiten, zukunftsweisende Technologien mitentwickeln.
Ramona Schmitt (19), Kaltenkirchen: (großes Foto) Ihre Eltern hätten ganz erstaunt geguckt, als sie das erste Mal in Hamburg mit „Fridays for Future“ demonstrieren ging. „Es ist wichtig, sich zu engagieren, Zeichen zu setzen. Es fängt bei jedem Einzelnen an.“ Die Stimme dort erheben, wo andere nicht genug tun. „In der Politik hat sich nicht viel verändert.“
So weit es geht, verzichtet Ramona auf Plastik. Das ist nicht leicht. „Selbst Bioprodukte sind in Plastikfolie verpackt.“ Gedanken um eine tierfreundliche Ernährung macht sie sich schon lange. „Mit 16 wurde ich Vegetarierin. Jetzt versuche ich, auf vegane Ernährung umzustellen. Ich habe Dokumentationen geguckt und gesehen, dass es den Nutztieren so richtig schlecht geht.“
Sie verzichtete zunächst eine Woche auf Fleisch – und blieb dabei. Demnächst beginnt Ramona mit einem Studium der Kulturwissenschaften in Lüneburg, dann will sie sich noch stärker engagieren.
Nico Dürrfeld (11), Henstedt-Ulzburg: Alter ist für Nico Dürrfeld kein Kriterium. Schon in der Grundschule habe er ein Referat über Tierschutz gehalten. „Es ging um Eierproduktion, um Pelze. Das sollte 15 Minuten lang sein, es wurden 55 Minuten. Die waren alle ganz erstaunt.“ Mit Mutter und Schwester habe er zunächst auf Bio umgestellt, und jetzt seien sie alle Vegetarier. „Für mich hat Umweltschutz viel mit dem Regenwald zu tun, der abgeholzt wird. Und mit den Meeren, die voller Plastik sind.“ Nico sagt, jeder könne nur sich selbst verändern. „Früher sind wir immer mit dem Auto hin- und hergefahren worden. Aber seit ich sieben bin, nutzen wir viel die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad.“
Gemeinsam informieren sich die Dürrfelds über Youtube mit Dokumentationen und Hintergründen, auch diverse Podcaster sind auf dieser Plattform aktiv zu Themen aus den Bereichen Klima, Umwelt oder Ernährung. „Bei Politik bin ich erst mal noch raus“, sagt Nico. „Ich weiß nicht, ob die es hinbekommen. Sie wissen ja, was getan werden muss – aber machen es nicht.“