Knapp 100 Einwohner der Gemeinde Zarpen betreiben die solidarische Gemeinschaft Solawi und setzten auf Nachhaltigkeit.

Wo ihr Gemüse herkommt, weiß Barbara Schrage genau. Sie hat es sich selbst vom Acker geholt, so Verpackungsmüll und Transportwege gespart. Die 66-Jährige ist Teil einer knapp 100 Mitglieder zählenden Gemeinschaft, die in Zarpen solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, betreibt. Geteilt werden nicht nur die Ernteerträge, sondern auch die Kosten für eine lokale und nachhaltige Landwirtschaft.

Die Mitstreiter nennen sich „Solawistas“ von Zarpen

Es ist ein Konzept, das für beide Seiten Vorteile bringt: Die Erzeuger können mit einem festen Einkommen kalkulieren, sind unabhängig von Preisentwicklungen am Markt und teilen sich Witterungsrisiken mit ihrer Kundschaft. Die erhält im Gegenzug frische Ware aus der Region, kennt den Betrieb, der sie produziert, und erfährt viel über den Anbau von Lebensmitteln. Noch sind die Zarpener die Einzigen im Kreis, die ein solches Konzept verfolgen.

Barbara Schrage hofft jedoch, dass die solidarische Landwirtschaft bald Schule macht. Im Februar 2017 gründete sich die Zarpener Solawi unter dem Titel „Junges Gemüse“. Als „Solawistas“ bezeichnen sich die Mitglieder. „Von jungen Familien mit Kindern bis grauhaarigen Rentnerinnen ist alles vertreten“, sagt Schrage. Sie selbst ist seit dem Projektstart dabei. Sich zu beteiligen, war für die Rehhorsterin auch eine politische Entscheidung. „Damit Kleinbetriebe überleben können, besteht von Seiten der Politik Handlungsbedarf“, sagt Schrage. Mit ihrer Solawi-Mitgliedschaft möchte sie selbst einen Beitrag leisten. Ihr Vater war Landwirt, sie entschied sich bewusst gegen die Weiterführung des Familienbetriebs. „Als mein Vater in Rente ging, hat es für uns gerade noch so gereicht“, sagt Schrage. Heute sind die Zeiten für kleinere Betriebe ihrer Auffassung nach weitaus schwieriger.

Die Preise haben sie selbst festgelegt

Was die Zarpener Solawistas für ihr Gemüse zahlen wollen, haben sie gemeinsam bei einer Mitgliederversammlung beschlossen. Aktuell sind es 70 Euro im Monat für eine große Kiste Gemüse wöchentlich, 40 Euro für eine etwas kleinere Ration. 24 Gemüse- und Kräuterarten wurden in den Sommermonaten angebaut, darunter Auberginen, Fenchel, Süßkartoffeln und Zitronenmelisse. Als bissfest und besonders geschmackvoll beschreibt Schrage die in Zarpen gewonnene Ernte. „So wie früher aus dem eigenen Garten.“ Ihr eigenes Gemüsebeet ist mittlerweile einer Rasenfläche gewichen. „Man hat ja auch mal etwas Anderes zu tun und wird auch nicht jünger“, sagt die 66-Jährige. Nun kann sie beim Pflanzen, Jäten und Ernten nach Belieben mithelfen – unverbindlich und nur, wenn sie Lust dazu hat.

Die meiste Zeit kümmert sich Gärtner Michael Polanski um die Bewirtschaftung des 1,7 Hektar großen Ackers. Er war es auch, der Teile der Anbaufläche im Herbst 2016 beim Zarpener Redderhof pachtete und das Projekt so ins Rollen brachte. Zwei 450-Euro-Kräfte helfen dem Familienvater in der Hauptsaison. Jeden Donnerstag und Freitag wird den Tag über geerntet. Die frischen Lebensmittel werden dann in Kisten zu den einzelnen Depots gebracht, wo sie von den Mitgliedern abgeholt werden. Übrig gebliebenes oder unliebsames Gemüse wandert in sogenannte Tauschkisten, auf die alle Mitglieder Zugriff haben. Neben dem Depot in Zarpen bestehen weitere in Lübeck, Bad Oldesloe und Rehhorst-Willendorf. In erntereichen Monaten erhalten die Mitglieder ihre Gemüseanteile wöchentlich. Zum Winter und Frühjahr kann es zu Lieferpausen kommen. Auf synthetische Düngemittel wird gänzlich verzichtet. Für den gegenseitigen Austausch nutzen die Zarpener zum Großteil E-Mails.

Für neue Mitglieder fehlen momentan die Kapazitäten

Eine weitere Plattform bietet die Homepage solawi-junges-gemuese.org, auf der Erntetermine, Anbaupläne und Rezeptideen veröffentlicht werden. Durch das Projekt ist auch die Gemeinschaft unter den Mitgliedern stetig gewachsen. Ihre Solidarität stellten die Solawistas vor allem in diesem Sommer unter Beweis: Aus familiären Gründen war es Michael Polanski mitten in der Hauptwachstumszeit mehrere Wochen lang nicht möglich, das Feld zu bestellen. „Es waren immer genug Leute da, um das Projekt zu unterstützen“, sagt Schrage. Ebenfalls erhielten die Stormarner Hilfe von der solidarischen Gemüsegärtnerei des Krumbecker Hofes im ostholsteinischen Stockelsdorf. Dort wird seit einem Jahr ein ähnliches Konzept verfolgt. Das Interesse der Bevölkerung an solidarischer Landwirtschaft sei in den vergangenen Jahren gestiegen, wie Barbara Schrage weiß. Zehn Interessenten stehen momentan auf der Warteliste der Zarpener Solawis. Doch in dieser Saison besteht laut Schrage keine Chance mehr für eine Aufnahme.

Schrage: „Wir sind an unsere Grenze gestoßen und können nicht mehr Mitglieder versorgen.“ Doch auch sonst sollte ihrer Meinung nach die kleine Gemeinschaft zunächst nicht weiterwachsen. „Ein Acker ist mit sehr viel Handarbeit verbunden“, sagt die Rehhorsterin. Durch mehr Mitglieder steige gleichzeitig der Finanzierungs- und Organisationsaufwand, zudem müsse weiteres Personal eingestellt werden. Erst in dieser Saison habe die Gemeinschaft ein Gefühl dafür entwickelt, welche Mengen benötigt würden und wie fruchtbar der Boden sei. „Wir wissen jetzt, wie es geht“, sagt Schrage. „Das macht die Arbeit sehr viel entspannter.“ Diese Routine möchten die Zarpener Solawistas vorerst nicht aufgeben.