Kreis Segeberg. Erfolgsmodell: Lebensmittel werden auf Kattendorfer Hof seit 24 Jahren in Bio-Qualität produziert und unter Teilhabern verteilt.
Das Modell hat Zukunft. „Was wir hier praktizieren, hat die Bundesregierung als besonders förderfähig in den Koalitionsvertrag geschrieben“, sagt Mathias von Mirbach. Zusammen mit drei Unternehmerfamilien betreibt er den Kattendorfer Hof und ist gleich doppelt Vorreiter: Das eine Schlagwort lautet „Solidarische Landwirtschaft“ – Bürger werden Mitglieder und finanzieren so den Betrieb. Außerdem arbeiten von Mirbach und seine Mitarbeiter nach den Prinzipien des Ökolandbaus.
Seit 24 Jahren ist auf den Feldern rund um den Hof an der Dorfstraße alles öko, vor 24 Jahren gab es erstmals das Zertifikat von Demeter. Von Mirbach suchte ein alternatives Finanzierungsmodell, das ihm erlaubt, seinen Hof zu bewirtschaften und gleichzeitig zeigen zu können, dass „Lebensmittel keinen Preis haben“. Was Kartoffeln, Milch und Fleisch kosten, werde von den großen Ketten wie Aldi, Lidl, Edeka, Rewe und Co festgelegt, und zwar so, dass ausreichend Gewinn beim Einzelhandel verbleibe.
Die solidarische Landwirtschaft funktioniert andersherum: Die Kattendorfer Bauern ermitteln die Kosten und verteilen sie auf die Mitglieder, die den Betrieb finanzieren. Sie kaufen Ernteanteile und bekommen all das, was auf den 430 Hektar wächst, die sich rund um das Hofgelände verteilen. Tomaten, Möhren, Bohnen, Kartoffeln, Erbsen, Salat – je nach Saison. Dazu kommen Getreide, Weizen, Dinkel und Gerste für das Brot. Die rund 70 Kühe geben die Milch für Joghurt, Quark und Käse. Auch 14 Sauen leben im hofeigenen Stall, Angler Sattelschweine, eine alte Rasse, die, so von Mirbach, vom Aussterben bedroht ist.
Ein ganzer Ernteanteil kostet im Monat 218 Euro
Ein Ernteanteil entspricht dem, was auf 2500 Quadratmetern an Nahrung wächst. „Das ist ungefähr die Menge an Nahrungsmitteln, die ein erwachsener Mensch braucht“, sagt von Mirbach. Er hat mal ein paar Semester Agrarwirtschaft studiert und schnell gemerkt, dass er Praktiker ist. So ließ er die Theorie sein und machte seinen Landwirtschaftsmeister.
Wer die soziale Landwirtschaft unterstützen und Mitglied des Hofes werden will, zahlt monatlich für einen Ernteanteil 218 Euro und bekommt dafür pro Woche 1,5 bis 3,5 Kilo Gemüse, ein Kilo Kartoffeln, dazu Salat und Kräuter sowie 700 Gramm Fleisch oder Wurst und 7,5 Liter Milch in Produkten wie Joghurt, Saure Sahne, Quark, Frischkäse, Käse, Butter und Buttermilch. Für 185 Euro gibt es einen vegetarischen Ernteanteil. „Es ist auch möglich, halbe Ernteanteile zu erwerben“, sagt von Mirbach, der darauf hinweist, dass die Menge der Lebensmittel je nach Ernte schwanken könne.
„Gemüse etwa ist eine sehr emotionale Sache: Gibt es zu wenig Auswahl, werden die Leute unzufrieden.“ Mitglied der Wirtschaftsgemeinschaft kann werden, wer mindestens einen halben Ernteanteil beziehen möchte. Aktuell beläuft sich die Zahl der Mitglieder auf 700 Familien, die meisten wohnen in Hamburg. Die Lebensmittel holen sie in den vier Hofläden ab – auf dem Hof in Kattendorf, in der Schanze, in Eimsbüttel und in Barmbek. Außerdem gibt es die Ökoprodukte auf dem Markt in Ottensen.
Gegen Unkraut gehen die Kattendorfer mechanisch vor
Die Idee der solidarischen Landwirtschaft stammt aus den USA. Das dort Community Supported Agriculture genannte Prinzip entstand in den 1980er-Jahren, während derer sich auch in Deutschland durch Lebensmittelskandale und einen wachsenden Trend zum Fast Food viele wieder auf Bioprodukte besannen. Neben dem Kattendorfer Hof gibt es rund um Hamburg weitere Höfe, die nach dem Konzept arbeiten.
In Kattendorf kommt keine Chemie auf die Felder, kein Dünger und keine Mittel, um Unkraut zu bekämpfen. Um Schädlingen und störenden Pflanzen den Garaus zu machen, gehen von Mirbach und seine Mitarbeiter mechanisch vor. „Wir unterbrechen die erste Keimung des Unkrauts durch Abflammen“, sagt der Landwirt. Auch mit überdimensionalen Striegeln die hinter einen Trecker gehängt werden, kämmt das Team aus, was das Wachstum von Möhren oder Salat stört. Auch mit der Hand wird Unkraut gejätet. „Wichtig ist, dass wir dem Unkraut immer den entscheidenden Schritt voraus sind“, sagt von Mirbach.
50 Männer und Frauen arbeiten auf dem Hof als Landwirte und Gärtner, in der Hauswirtschaft, in der Vermarktung, im Hofladen und in der Verarbeitung, zum Beispiel in der Käserei. „Die Rinder lassen wir schlachten, verpacken aber das Fleisch selbst“, sagt der Bauer.
Geschlossene Betriebsabläufe sind wichtig für den Landwirt, der auch durch die Welt reist, um Vorträge über die solidarische Landwirtschaft zu halten. „Die Community ist gut vernetzt und wächst beständig“, sagt von Mirbach. Allein in Deutschland sei die Zahl der Betriebe, die nach diesem Prinzip wirtschaften, von 2011 bis jetzt von 14 auf 250 gestiegen. Die solidarische und ökologische Landwirtschaft schaffe Arbeitsplätze auf dem Land, wirke der Landflucht und Verödung ländlicher Regionen entgegen, sagt von Mirbach.
Und das Klima profitiert: Das Helmholtz-Institut errechnete, dass der Ökolandbau einen finanziellen Vorteil von 2000 Euro pro Hektar gegenüber dem konventionellen Ackerbau bringe. Luft und Boden würden nicht verschmutzt, die Gesundheit nicht belastet, die Folgekosten entfielen.