Oststeinbek. Günter Weigt fährt seit 30 Jahren mit dem Rad zur Arbeit. Durch den Verzicht auf das Auto hat er 135.000 Euro gespart.

Rund 135.000 Euro – so viel Geld hat Günter Weigt in den vergangenen 30 Jahren nach eigenen Berechnungen eingespart, weil er sich statt eines Autos mit dem Rad fortbewegt. Seit 1988 steuert der Lehrer aus Oststeinbek seine Arbeitsstätte, die Wichern-Schule am Horner Weg in Hamburg, mit einer kurzen Unterbrechung ausschließlich durch Muskelkraft an. Früher von Eimsbüttel aus, denn er zog erst 1995 nach Stormarn. Von dort sind es 20 Kilometer hin und zurück. Auch Einkäufe erledigt er auf zwei Rädern, hat dann einen großen Hänger angekoppelt. Vornehmlich geht es dafür nach Bergedorf. Günter Weigt ist ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz, lebte schon zu Zeiten umweltbewusst, bevor das Thema so richtig in den öffentlichen Fokus rückte.

„Man muss beim Radfahren aber Spaß haben, darf sich nicht quälen“, sagt der 64-Jährige. Freude daran hat er selbst an kalten Wintertagen und wenn es schneit. Bei minus 15 Grad streift er sich Skikleidung, Sturmhaube sowie eine Brille über. Der Pädagoge führt penibel Buch über die gefahrenen Kilometer zwecks Ketten- und Reifenwechsel. Die Wartung übernimmt er selbst. Das Verändern der Übersetzung ist für den Technikaffinen ein Klacks. Er zeigt seine Garage, in der neun Räder aneinandergereiht sind. Fünf davon gehören ihm – ein Tandem, ein Faltrad für den ICE, ein Mountainbike, ein Tourenrad sowie ein Reiserad. Einige Exemplare sind älter, aber top gepflegt. „Gutes Equipment ist wichtig“, so Weigt.

Umstieg auf das Rad wegen nerviger Parkplatzsuche

Vor den Rädern ist ein Montageständer installiert, mehrere Winterreifen sind in Kopfhöhe an einer Stange angebracht. Regenbekleidung in mehrfacher Ausführung hängt an Haken. Hier hat alles seine Ordnung. „Ich bin ohne Komfortverzicht unterwegs“, sagt der Oststeinbeker auch mit Blick auf ein Auto. Außerdem spare er nicht nur Geld, sondern auch Zeit. „Weil ich nicht in ein Fitness-Center gehen muss, um Sport zu treiben.“

Bewegung hat er zur Genüge. Der Arzt sei mit seinem Gesundheitszustand jedenfalls zufrieden. Er gönnt sich zwar Schokolade, achtet aber auf seine Ernährung: Wenig Fleisch und viel Fisch stehen auf dem Speiseplan.

Früher hat er gern mal 30 Minuten einen Parkplatz gesucht

Weigt ist auch politisch aktiv, allerdings parteilos, setzt sich seit vielen Jahren als wählbarer Bürger in der SPD-Fraktion für die Gemeinde ein. Momentan fungiert der Lehrer als Mitglied des Ortsbeirats Havighorst. Einer seiner Schwerpunkte: natürlich Verkehrspolitik mit der Förderung des Radfahrens. Er sagt: „Mit unserer Art zu leben sind wir dabei, Klima und Umwelt zu zerstören.“

Sein Umstieg vom Auto aufs Rad hatte allerdings praktische Gründe. „Damals wohnte ich in Eimsbüttel, die Parkplatzsuche war nervig mit 30 Minuten um den Block fahren“, erzählt Weigt. Also ließ er den Pkw stehen und bekam Spaß am Fahrradfahren, nachdem er dieses Fortbewegungsmittel mehrere Jahre nicht genutzt hatte. 1992 verkaufte er sein Auto. „Es war mit zu blöd, ein Fahrzeug zu unterhalten, dass nur steht und einen Stellplatz sichert.“

Auch im Urlaub ist das Rad fast immer dabei

Einen weiteren Vorteil seiner Mobilitäts-Variante beschreibt Weigt so: „Ich habe andere Eindrücke als Autofahrer, muss mich nicht auf den Vordermann konzentrieren und kriege mehr von der Umwelt mit, indem ich zum Beispiel Düfte der Natur einatme.“ Außerdem produziere sein Körper durch die Bewegung Glückshormone. Pro Jahr legt er mit dem Rad rund 8000 Kilometer zurück, weil es auch im Urlaub fast immer dabei ist – in Helsinki, Österreich und an der Nordsee. Dorthin ist er mit seiner Frau Nicola in deren Auto gefahren. Es waren einige der wenigen Strecken, die er motorisiert zurückgelegt hat. Mit seiner Gattin war er per Rad zum Beispiel auf Tour in den Alpen, bei längeren Fahrten nutzt die 63-Jährige inzwischen ein E-Bike.

Der Oststeinbeker ist seit seinem Kurswechsel nur kurze Zeit mit dem Pkw zur Wichern-Schule gekommen. Er nennt es einen „Ausnahmefall“. Weigt hatte sich die Schulter gebrochen und war gezwungen, aufs Rad zu verzichten. Dass es bei ihm auch heute nicht ganz ohne Benzin geht, dazu steht der Lehrer. „Ich fahre gerne Radlader, etwa im Winter, wenn Schneeschieben angesagt ist.“ Er wohnt auf einem ehemaligen Gut mit mehreren Wohneinheiten und einer langen Einfahrt abseits der Hauptstraße.

An Wochenenden geht es auf Tour mit dem Kollegium

In jungen Jahren war Weigt oft motorisiert auf Achse, finanzierte sich sein Studium durch einen Job als Lkw-Fahrer. Den Verkauf seines Autos hat er zu keinem Zeitpunkt bereut, animiert zudem das Kollegium zum Radfahren. An Wochenenden organisiert er Touren, 15 bis 30 Lehrer der Hamburger Bildungseinrichtung seien dabei. Das letzte Mal lud er zeitgleich zu den Cyclassics ein, dem größten Profi- und Jedermann-Radrennen Europas. Weigt hat keine Ambitionen, bei dieser Veranstaltung mitzumachen. Er bevorzugt ein entspanntes Tempo mit 18 bis 20 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.

Das Mitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs hat sich auch als Autor betätigt und zwei Radführer geschrieben. Einmal zeigt er 20 Touren in Hamburg, in dem anderen Buch erfahren Leser, wo sie in Schleswig-Holstein stillgelegte Bahnstrecken befahren können.