Wetterextreme werden zunehmen, prognostizieren Forscher. Es sieht so aus, als spürten die Landwirte schon heute die Klimasünden der Vergangenheit
Bauern sind wetterabhängig seit Ackerbau die Menschheit begleitet. Bei Trockenheit und Hitze verdorren die Feldfrüchte, Starkregen schwemmt das Erdreich weg, pflaumengroße Hagelkörner vernichten reifendes Obst. Solche Wetterextreme werden in Zukunft zunehmen, prognostizieren Klimaforscher.
Und es sieht in jüngster Zeit so aus, als spürten die Landwirte schon heute die Klimasünden der Vergangenheit. Auch in Norddeutschland. Unterstützt von Wissenschaftlern wappnen sie sich gegen die Folgen der Erderwärmung, wollen weniger anfällig werden gegenüber Wetterkapriolen.
Äcker wochenlang nicht befahrbar
„In Zeiten des Klimawandels treten Temperaturextreme häufiger auf, Niederschlagsmengen schwanken stärker“, sagt Diana Rechid vom Climate Service Center Germany am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. „2017 waren die Äcker wochenlang nicht befahrbar, weil sie zu nass waren.
Im Sommer 2018 war es dann viel zu trocken.“ Rechid leitet ein Projekt namens Adapter. Es soll der Landwirtschaft helfen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. „Eine wichtige Frage lautet: Wie oft treten solche Extreme in Zukunft auf? Hier geht es um Langfrist-Projektionen“, sagt die Wissenschaftlerin.
„Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, bevorstehende Risiken, etwa Dürreperioden, besser voraussagen zu können, damit die Landwirte rechtzeitiger reagieren können.“
Dürreperioden
Einige Klimafolgen wie das häufigere Auftreten von Dürreperioden, haben sich im realen Wettergeschehen bereits überdeutlich gezeigt. „Das zentrale Thema ist die Wasserbereitstellung, die Beregnung der Kulturen“, sagt Elisabeth Schulz von der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer.
Sie arbeitet im Regionalbüro Uelzen und damit in einer besonders betroffenen Region – die Landkreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg sind die trockensten der Metropolregion Hamburg. Auch 2019 ist eher zu trocken, vor allem die Hitzeperiode im Juni setzte der Landwirtschaft zu. Allerdings mit deutlich geringeren Folgen als im Vorjahr.
Da die Installation einer künstlichen Bewässerung oder der Betrieb einer mobilen Anlage sehr aufwendig und teuer ist, lohnt sie sich nur bei wertvolleren Kulturen, etwa im Gemüse- und Kartoffelanbau.
Getreide wird meist nicht bewässert
Getreide wird meist nicht bewässert. Es sei denn, es wächst im Rahmen der Fruchtfolge auf einem Acker mit fest installierter Beregnung, auf dem im Vorjahr vielleicht Kartoffeln wuchsen.
Das Forschungsprojekt Adapter geht noch mehr ins Detail. „Schleswig-Holsteinische Landwirte signalisierten der Zukunftswerkstatt Pflanzenbau, dass es wichtig ist, mögliche Änderungen der Witterung für den gesamten Jahresverlauf zu kennen“, sagt Rechid.
„Wir wollen das zusammen mit der Zukunftswerkstatt (ein Expertengremium aus Forschern und Praktikern, die Red.) zunächst für Schleswig-Holstein erarbeiten. Ziel ist die Darstellung in Form einer Jahresuhr.“ Grundlage sei das Wissen darüber, welche Witterungsbedingungen für welche Aktivitäten ideal sind.
Rechid nennt zwei Beispiele: Im Winter (Dezember bis Februar) wirken anhaltende Temperaturen unter fünf Grad positiv, denn sie unterstützen die Vegetationsruhe der (heimischen) Pflanzen. Diese sind auf solche Frostperioden vorbereitet.
Obstgehölze brauchen einen Kältereiz
Gerade Obstgehölze brauchen einen Kältereiz zur Überwindung der Winterruhe; er löst die Blütenbildung aus. Liegt dagegen die Temperatur längere Zeit um zehn Grad, werden viele Pflanzen in der Folgezeit frostempfindlicher und „erwachen“ womöglich zu früh aus der Winterruhe.
Auch können sich viele Schädlinge stärker vermehren. Im Herbst brauchen Landwirte ausgeglichene Niederschläge. Sie müssen ihre Felder gut befahren können.
Eine weitere Herausforderung ist die Züchtung. Rechid: „Pflanzenzüchter entwickeln langfristig Saatgut. Es muss zu den zukünftigen Anbaubedingungen passen. Sie wollen wissen, wo sich für einzelne Sorten geeignete Zonen befinden, in denen die Pflanzen gut gedeihen.
Erntezeitpunkte durch die Erwärmung vorverlagert
Diese Frage versuchen wir prototypisch zunächst für Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu beantworten. Die Ergebnisse werden zunächst Vertretern der Züchter vorgestellt. Später sollen sie allen Betrieben zugänglich sein.“
Schon heute haben sich die Aussaat- und Erntezeitpunkte durch die Erwärmung vorverlagert, die Vegetationsperioden verlängert. Im Alten Land blühen die Obstbäume im vergleich zu 1975 mindestens zwei Wochen früher, das macht sie anfälliger für späte Fröste.
Bei Dauergrünland führen warme Temperaturen im Frühjahr und feuchte Sommerzu Höchsterträgen. Ist der Sommer zu trocken, fallen die zweiten und dritten Grasschnitte mager aus. „Der Klimawandel wird – neben den ohnehin schon vorhandenen kurzfristigen Wetterschwankungen – die Landwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten vor große Herausforderungen stellen“, prognostiziert Diana Rechid.