Landkreis Harburg. Ein Dorf wächst über sich hinaus: Gasthof gekauft und renoviert, jetzt wird gefeiert. Faslamsnarren im gesamten Landkreis unterwegs.
Junge Leute in wilder Verkleidung, die mit dem Bollerwagen lärmend durch die Straßen ziehen, von Autofahrern Wegezoll verlangen und an jeder Tür klingeln, um Spenden einzufordern. DJs in Dorfgasthöfen, die bis in den frühen Morgen auflegen. Geschminkte Männer, die sich Mudder nennen. Junge Deerns, die sich als Vadder ausgeben. Tanzende, Feiernde, wohin man blickt. Und immer wieder der Ruf: FASLAAAAM.
Kurz nach Weihnachten beginnt der Wahnsinn: Der Landkreis Harburg dreht durch. Und folgt damit einer alten Tradition. So auch in Harmstorf vor den Toren Hamburgs. Das Besondere hier: Eine Genossenschaft hat den alten Brauch im 850-Seelen-Dorf gerettet.
Die Faslamstradition ist schon seit über hundert Jahre im Landkreis Harburg verbreitet und eindeutig ein typisches Dorf-Ding. Entstanden ist der Faslam wohl aus der Langeweile, die im Winter unter den Mägden und Knechten auf dem platten Land aufkam. Sie wollten feiern, hatten aber kein Geld. Also gingen sie schnorren und verzehrten die guten Gaben abends in geselliger Runde.
Gefeiert wird in Harmstorf drei volle Tage lang. Bräuche und Riten von Dorf zu Dorf verschieden
Geschnorrt wird auch heute noch. Wer sich auskennt im Dorf, macht die Tür auf, um die Schnorrer zu bedenken, das ist Ehrensache. Auch gefeiert wird gemeinsam, in Harmstorf drei volle Tage lang. Die Bräuche und Riten sind von Dorf zu Dorf verschieden. Wann wird geknobelt? Gibt es einen Faslamskerl, in dem sich die böse, erntegefährdende Kornmuhme versteckt und der deshalb verbrannt werden muss? Ziehen geschmückte Wagen durch die Straßen? Das ist Geschmackssache. Doch einen Gasthof mit Saal braucht es dafür auf jeden Fall.
In Harmstorf schloss das Gasthaus im Jahr 2021 seine Pforten. Damit stand die Faslamstradition kurzzeitig auf der Kippe. Doch noch im selben Jahr gründete sich die Genossenschaft „Uns Harmstörp“, die das Gasthaus übernahm. 261 Mitglieder zählt die Vereinigung heute. Die Mitglieder haben 300 Anteile von je 1000 Euro gezeichnet.
Der Vorstand hat aus dem EU-Leader-Programm zur Steigerung der ländlichen Lebensqualität einen Zuschuss von 200.000 Euro plus 50.000 Euro an Gemeindemittel eingeworben. Und für den Gasthof, der inzwischen „Der Harmstorfer“ heißt, mit Daniel Sliwinsky einen Wirt gefunden, der mit seiner unkomplizierten Art und seiner guten Küche viele Freunde und Stammkunden gewonnen hat.
Nur noch wenige Tage sind es bis zum Faslamsball in Harmstorf
Nur noch wenige Tage sind es bis zum Faslamsball in Harmstorf, der am Samstag, 27. Januar, um 21 Uhr steigen soll. Gegenwärtig wird mit dem Geld aus Brüssel und sehr viel Eigeninitiative der Festsaal des Genossenschaftsgasthauses schick gemacht. Keine Spur mehr vom Ambiente früherer Tage mit dunklen Farben an den Wänden und dunklen Balken an der Decke. In Eigenarbeit hat die Genossenschaft die Spuren der Vergangenheit – viele davon aus Plastik – getilgt. Und einen Maler engagiert, natürlich einen Unternehmer aus Harmstorf, der die Wände in hellen Farben streicht. Der Saal hat außerdem einen von den Gaststuben getrennten eigenen Eingang bekommen und einen Anbau mit neuem Sanitärbereich. Schon jetzt wirkt der Saal, der ca. 150 Leute fasst, großzügig und einladend.
Der Faslamsverein, elf junge Leute aus Harmstorf, haben schon mal Kostümprobe gemacht und den renovierten Gasthof begutachtet. „Das sieht gut aus“, findet das Team, das seit November mit den Vorbereitungen des turbulenten Wochenendes beschäftigt ist und im ganzen Ort selbstgemalte Veranstaltungsplakate aufgehängt hat. Die Regie beim kollektiven Faslamstaumel führt in diesem Jahr Florian Burgemeister. Er ist der Vadder. So heißt der Chef des Veranstaltungsteams. Ihm wird eine Art Vize zur Seite gestellt, die Mudder, im normalen Leben Yannik Peters genannt.
Mitglieder haben es geschafft, das Gasthaus schöner zu machen, als es vorher war
Der Faslamsverein ist voller Lob für die Genossenschaft. „Die Mitglieder haben es geschafft, das Gasthaus nicht nur zu erhalten, sondern schöner zu machen, als es vorher war“, finden Julia Reese und Anja Krüger. Sie müssen es wissen, denn vor ein paar Jahren waren sie selbst Vadder und Mudder. Während bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nur ledige junge Männer in den Faslamsverein Harmstorf aufgenommen wurden, ist auch hier längst die Gleichberechtigung eingezogen. Doch eines ist geblieben: Wer rein will in diesen verrückten Club, sollte mindestens volljährig sein und aus Harmstorf stammen. Oder zumindest eine Verbindung zum Dorf haben, erklärt Burgemeister. So wie die gebürtige Kielerin Reese, für die der kleine Ort vor den Toren Hamburgs längst Heimat geworden ist.
Die Pflege der Zusammengehörigkeit ist das Ziel jeden Faslams. Kennzeichnend für Harmstorf: die friedliche Stimmung, der Faslamsgeist, der alle beseelt, die mitmachen und sie – zumindest für einige Tage – in eine andere Welt versetzt. Freitagabend, wenn sich das Dorf in Verkleidung unter dem Motto „Schick oder scheußlich“ ab 20 Uhr zur Party mit DJ trifft. Am Sonnabend, wenn vormittags geschnorrt und abends beim Lumpenball in Verkleidung abgetanzt wird. Beim Kinderfasching am Sonntagnachmittag ab 15 Uhr.
Am Sonntagabend, wenn das Erschnorrte auf den Tisch kommt und der Vadder sein Amt verliert, indem der Stuhl, auf dem er sitzt ganz einfach abgesägt wird. Am Montag dann das Reste-Essen und -Trinken, bei dem das Team gemeinsam mit dem Wirt Bilanz zieht. Auch das Aufräumen ist für die Faslamsbegeisterten selbstverständlich. Denn sie wissen: Für Wirt Sliwinsky beginnt jetzt eine arbeitsreiche Saison, in der das Restaurant wieder fünfmal die Woche geöffnet ist und der Saal für Festlichkeiten aller Art gebucht werden kann.
Harmstorfer Gasthaus bald mit Terrasse hinter dem Haus mit Blick auf die Wiesen
Schon bald will das Genossenschafts-Gasthaus mit einer weiteren Neuigkeit punkten: Einer Terrasse hinter dem Haus mit Blick auf die Wiesen, auf der Getränke und Essen serviert werden. Auch das ein Projekt, das Geld kostet. Die Genossenschaft freut sich deshalb über jedes neue Mitglied, das mit Anteilskäufen hilft, den „Harmstorfer“ im Herzen des Ortes zu erhalten.
Kartenvorverkauf für die Mottoparty „Schick oder scheußlich“ am Freitag, 26.1., und den Lumpenball am Sonnabend, 27.1. direkt im Gasthaus (Kegelbahn), und zwar am Sonnabend, 13. Januar, 15-18 Uhr, und Mittwoch, 17. Januar 18-19.45 Uhr.
Genossenschaft: www.unser-harmstorf.de
Gasthaus: www.derharmstorfer.de
Wo und wann im Landkreis Harburg zünftig Faslam gefeiert wird
Hoopte: Großer Festumzug entlang des Hoopter Elbdeichs am Sonntag, 28. Januar, 12 Uhr. https://hoopter-faslam.de/termine/ Aus Richtung Stöckte kommend und an der Feuerwehr eine Ehrenrunde drehend, fahren, tanzen, laufen und wanken die Faslamsbrüder mit ihren Kostümen, Handwagen und großen Festwagen einmal komplett durchs Dorf. Für die Kinder werden Bonschen und Süßigkeiten verteilt, die Erwachsenen mit Schnaps versorgt. Das Ganze natürlich mit reichlich Musik und am Straßenrand gibt es außerdem noch diverse Buden für Speis und Trank.
Hanstedt: Faslamsumzug durchs Dorf am Sonntag, 20. Januar, 13 Uhr. Freitag Bunter Abend mit Tombola, Sonnabend Schnorren, Kinder-Faslam und Lumpenball. https://www.facebook.com/p/Faslamsclub-Hanstedt-eV-100064776695894/?locale=de_DE
Fliegenberg: Großer Festumzug am Elbdeich am Sonntag, 4. Februar, 12.30 Uhr. Das ganze Programm: https://fliegenberger-faslam.de/termine/
Toppenstedt: Großer Faslamsumzug am Sonntag, 11. Februar, 13.30 Uhr. Dazu ein buntes Programm mit Preisskat, Kinderfasching und Teenie-Disco. http://www.faslamtoppenstedt.de/
Winsen: Großer Festumzug, organisiert von den Stöckter Faslamsbrüdern, am Sonntag,11. Februar, Start 11.30 Uhr im Querweg in Stöckte, Vorbeizug am Winsener Rathaus gegen 14 Uhr. Mit dabei: Faslambrüder Tönnhausen
Pattensen: https://pattensener-faslamsklub.de/termine/