Winsen. Meditieren unter Bäumen oder in der Heilkräuter-Apotheke stöbern: Die Luhegärten in Winsen sind eine Oase der Naherholung.
Bei den „Gärtner-Fantasien“ immer geradeaus: Wer durch die Winsener Luhegärten im Landkreis Harburg spazieren will, muss sich beim Verlaufen wirklich Mühe geben. Das Rasenlabyrinth der Landesgartenschau ist verschwunden, und der Rest des Geländes ist so übersichtlich angelegt, dass sich hier ein Bummel ohne jede Vorbereitung anbietet.
Den berühmten Katzensprung vom Winsener Schloss und damit von der Innenstadt entfernt, tut sich auf der anderen Seite der Luhe eine kleine, aber abwechslungsreiche Oase für Naherholung auf.
Die Heilkräuter-Apotheke ist ein Überbleibsel der Landesgartenschau
Von Eppens Allee führt ein Sandweg in Richtung der Gärten, wer das grüne Schild mit der Aufschrift „Gärtner-Fantasien“ sieht, ist richtig. Vorbei an Stauden und einer kleinen Sammlung Findlinge, die nach der vorletzten Eiszeit mit den Gletschern aus Skandinavien hergekommen sind, liegt nach wenigen weiteren Schritten rechts die „Heilkräuter-Apotheke“: Und tatsächlich, wie Schubladen von Apothekerschränken sehen die rostigen Metallladen aus, in denen die Heilkräuter wachsen – vom Blut-Storchschnabel bis zur Zitronen-Taglilie. „Ein Überbleibsel der Landesgartenschau“, erklärt Ragna Raabe.
Die Handorferin hat die Luhegärten für sich entdeckt, als eben jene Großveranstaltung eine halbe Million Menschen nach Winsen lockte. Eine Zeit lang bot die zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin Touren durch die Gärten an, mittlerweile arbeitet sie bei der Touristinformation Winsener Elbmarsch im Marstall.
Den Ort zum Meditieren finden nur Eingeweihte
Ehrenamtlich ist sie noch immer zuständig für Führungen durch die Gärten: als Mitglied im Förderverein Gartenschau Winsen e.V., der die Stadt bei der Pflege der Gärten unterstützt und jedes Jahr im April das Tulpenfest ausrichtet.
Also dreht Ragna Raabe auch mit dem Abendblatt eine Runde durch die Gärten. Und zeigt eine versteckte Ecke: „Kommen Sie mal mit“, sagt sie und stapft hinter dem Apothekergarten über auf der Erde liegende, runde flache Steine in eine verwunschene Zone. „Das hier ist ein Ort zum Meditieren.“ Auf viele Menschen jedenfalls wird man hier kaum stoßen, denn kein Schild, kein Hinweis führt unter diese Bäume.
Wer im Frühling herkommt, wird hier Tausende Tulpen sehen
Schräg gegenüber, in unserer Laufrichtung links des Sandweges, liegt der Obstbaumgarten des Naturschutzbundes NABU. „Ein Stück Wildnis“, sagt Raabe und wirkt, als würde sie sich am liebsten für einen Moment auf der Bank im hoch gewachsenen Gras niederlassen.
Über eine kleine Brücke, und da liegt er, der Platz für einen Kaffee im Park. Oder auch einen Drink am Abend, denn ab dem 2. Juni wird das Café Luhegarten freitags und sonnabends seine Öffnungszeiten bis kurz vor Mitternacht verlängern. Gegenüber geht es hinein in den Klostergarten, Fläche für Open-air-Gottesdienste und eigene Andachten. Ein Kreuzgang aus Obernkirchner Sandsteinplatten lädt zur inneren Pause ein, die Bänke gönnen auch dem Körper eine.
Im Juli blühen hier Astern, Salbei, Katzenminze und Leuchtender Sonnenhut
Wer im Frühling herkommt, wird ein paar Meter weiter Tausende Tulpen sehen – und wer im Juli wiederkommt, etwa 1800 Dahlien. Wie viele es sind, weiß Günther Homann ziemlich genau. Schließlich kontrolliert der Rentner die Knollen regelmäßig und zuverlässig in jedem Winter. Homann ist der ehrenamtliche Gärtner des Vereins, wer ihn hier trifft, wird ihn selten ohne Schubkarre sehen. Gerade haben er und andere Aktive aus dem Verein an die 500 Blühstauden gepflanzt, „alles bienen- und insektenfreundlich, damit sie dann ins Hotel gehen“, erzählt Homann und zeigt auf den Nistkasten für die kleinen fliegenden Gäste.
„Im Juli, wenn alles blüht, ist hier reger Verkehr“, prophezeit er. Dann blühen hier Astern, Salbei, Katzenminze und Leuchtender Sonnenhut.
Da wird selbst der Hamburger Dahliengarten neidisch
Und wo zurzeit nur kleine Holzstäbe aus der Erde ragen, werden ab Ende Juli und bis in den September dann die Stars des Gartens blühen: die Dahlien. „Da wird selbst der Hamburger Dahliengarten neidisch“, sagt Homann und kann sich den Stolz auf die 1800 Blumen nicht verkneifen.
„Manch ein Gartenbesitzer scheut sich vor Dahlien, weil man sie im Winter aus der Erde nehmen muss“, weiß Homann. „Das Tolle an ihnen aber ist: Man kann sie vermehren. Sie bilden neue Knollen aus, und die lassen sich teilen. Aus einer Dahlie werden im nächsten Jahr auf einmal drei.“
Mehrfach kontrolliert der Dahlien-Vater im Winter die Knollen
Damit sie keinen Schimmel ansetzen oder faulen, geht der Dahlien-Vater mehrfach im Winter in ihr Lager bei den „Luhegärtnern“ des Herbergsvereins und kontrolliert die Knollen. „Außerdem kaufen wir vom Verein jedes Jahr neue Sorten zu.“
Bei den Tulpen, der im Jahresverlauf ersten Pracht des Parks, hat der Verein in diesem Jahr das Einsetzen per Pflanzmaschine in den Rasenflächen ausprobiert. Etwa fünf Jahre lang sollen die Frühblüher immer wieder ihre Hälse zwischen den Halmen emporrecken, erzählt Ragna Raabe. Ein Problem allerdings gibt es mit den Blumen: Nicht nur die Spaziergänger mit zwei Beinen mögen Tulpen gern – auch die Rehe. Und die gucken sie nicht nur an.