Jesteburg. Mit Wassertemperaturen zwischen 14 und 17 Grad lockt das Freibad nur die ganz Eisernen an. Dabei hat es eine besondere Geschichte.
Morgens um 8 Uhr im Freibad Jesteburg: 8 Grad zeigt das Thermometer, 17 Grad Wassertemperatur. Böiger Wind. Aquamarinblau lockt das Schwimmerbecken. Will da ernsthaft jemand eintauchen? Doch: Vera Schütt aus Jesteburg will. Die 55-Jährige eilt im schwarzen Badeanzug unter die Dusche, um gleich darauf mit beherztem Schwung ins Schwimmbecken zu gleiten.
Sie gehört zum Club der Eisernen, die dem kleinen Jesteburger Freibad die Treue halten, obwohl es das derzeit kälteste im gesamten Landkreis Harburg sein dürfte. Der Grund dafür: Die Gemeinde Jesteburg möchte Energie sparen. Und verlässt sich deshalb Bei der Erwärmung des Wassers auf die Solaranlage, die auf dem Dach des Freibads installiert ist.
Die Solaranlage schafft es nicht, das Wasser auf angenehme Wärmegrade zu bringen
Vergangenes Jahr klappte das gut. Der Mai war mild. Und keiner merkte, dass im Jesteburger Bad energietechnisch jeder Cent zweimal umgedreht wurde. Doch jetzt, bei nach wie vor niedrigen Nachttemperaturen, schafft es die Anlage nicht, das Wasser auf angenehme Wärmegrade zu bringen. Erst im Juni, also dann, wenn das jahreszeitlich typische sonnige Klima ohnehin temperiertes Wasser verspricht, soll zusätzlich geheizt werden – aber keineswegs immer, wie die Verwaltung betont. Eine Logik, die sich nicht sofort erschließt.
Die Idee zum Sparen stammt aus dem Förderverein „Unser Freibad Jesteburg“. „Das Aufheizen des Wassers zu Saisonstart verbraucht sehr viel Energie und verursacht entsprechend hohe Kosten“, so die Vereinsvorsitzende Carola Boos. Der Verein unterstütze deshalb die Sparmaßnahme der Gemeinde. „Natürlich haben wir uns das auch anders vorgestellt“, räumt Boos ein. Gemeindesprecher Stefan Ahrens sagt, dass eine Alternative gewesen wäre, die Saison zu verkürzen. Das sei aber wegen des anhaltenden Interesses an der Nutzung des Freibades verworfen worden.
In Jesteburg schmeißen Freiwillige den Laden – beziehungsweise das Freibad
Dem Förderverein ist zu verdanken, dass es das Schwimmbad Jesteburg überhaupt noch gibt. Gegründet wurde die Vereinigung im Jahr 2004. Damals stand das Freibad vor dem Aus: Zu hohe Betriebskosten und ein Sanierungsstau überforderten die Gemeindefinanzen.
Seither packen die Freiwilligen aus dem Verein kräftig an. In Arbeitseinsätzen pflegen sie Grünanlagen und Becken, investieren in Spielgeräte, geben Schwimmunterricht, verkaufen Jahresabos und Einzeleintrittskarten an der Kasse. Kurzum: Die Engagierten schmeißen den Laden und halten dadurch die Aufwendungen für die Gemeinde niedrig.
Die Jesteburger Bürger danken es ihnen. Schon jetzt sind mehr Saisonkarten verkauft worden als im vergangenen Jahr, berichtet Vereinsvorsitzende Boos.
Am Eröffnungstag am 8. Mai hatte das Wasser gerade einmal 14 Grad Celsius
Vera Schütt, die mit leicht geröteter Haut wieder aus dem Becken gestiegen ist, kommt jeden Tag zum Schwimmen hierher. Schon seit dem Eröffnungstag am 8. Mai mit damals 14 Grad Wassertemperatur. Sie sagt: „Irgendwo muss man mit dem Sparen ja anfangen.“ Klar, auch sie würde eine höhere Wassertemperatur gut finden. „Aber wenn es zumindest in den Ferien warm ist, bin ich glücklich für die Kinder.“
Zug um Zug zieht inzwischen Stephanie Steinberg, ebenfalls aus Jesteburg, ihre Bahnen. „Schwimmen ist die schönste Art, den Tag zu beginnen“, sagt die 54-Jährige. Immerhin eine volle halbe Stunde bleibt sie im kalten Nass. „Wenn ich anderen von meinem Frühsport erzähle, werde ich oft als Verrückte dargestellt“, erzählt sie.
„Der Großteil unserer Gäste sind Frauen, die können wohl mehr ab“
Was sie motiviert: Das Schwimmen ist Balsam für ihre kranke Schulter. Steinbergs spezieller Trick, um es im Jesteburger Freibad auszuhalten: „Ich dusche jeden Tag eiskalt, auch im Winter.“ Sagt’s und läuft schon los in Richtung Duschen. Die sind übrigens richtig warm einzustellen, wenn auch sehr kurz getaktet.
Im Vorübergehen sagt Steinberg noch ein Dankeschön an Reinhard Zich aus Buchholz und Rolf Stehrenberg aus Stade. Die beiden Rettungsschwimmer machen an diesem Morgen Badaufsicht. Und haben heute nicht viel zu tun.
Das Kombibecken mit Nichtschwimmerbereich und Rutsche ist leer. Im 25-Meter-Becken krault jetzt ein Senior. Eine Ausnahme. „Der Großteil unserer Gäste sind Frauen, die können wohl mehr ab“, verrät Zich und beschreibt den Weg, der auch Warmduscher zu Jesteburger Stammschwimmern machen soll: „Langsam anfangen. Erst nur zwei Bahnen schwimmen. Dann langsam steigern. Der Körper gewöhnt sich.“ Gemeindesprecher Ahrens hat ebenfalls einen nützlichen Hinweis parat: An der Tafel im Eingang sei die jeweils aktuelle Wassertemperatur angegeben. „So kann jeder sogar noch vor dem Eintritt entscheiden, ob er oder sie wirklich schwimmen möchte.“