Handeloh. Denkmalpflege und Naturschützer untersuchen historisches Bauwerk im Büsenbachtal. Es ist in Karten verzeichnet, aber in Vergessenheit geraten.
Wer auf dem Heidschnuckenweg im Büsenbachtal unterwegs ist, kann es gar nicht verfehlen – und wird das Bodendenkmal dennoch zumeist nicht wahrnehmen. Durch einen alten Laubwald führt der Weg. Knorrige, alte Eichen recken ihre Äste in den Himmel. Fast unmerklich macht der Weg eine kleine Steigung. Eine kleine Anhebung, ein Hügel ist es nur, dann folgt eine Vertiefung, fast ein kleiner Graben, bevor der Weg wieder eben wird – und sich nach wenigen Metern die freie, offene Fläche des Büsenbachtals vor dem Wanderer öffnet.
Die kleine Anhebung ist keine Laune der Natur, keine zufällige Erdverschiebung, sondern bewusst angelegt. Sie hatte einst eine wichtige Funktion – und ist ein Kulturdenkmal. Es handelt es sich um eine historische Wallanlage, die den alten Eichenwald umgrenzte und schützte.
Einst begann der Eichenwald am Büsenbachtal wohl erst hinter dem Wall
Die Kreisdenkmalpflege hat den Wall zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg untersucht und eine Grabung vorgenommen. Willi Müller kniet sich in die längliche Grube, die die Mitarbeiter des Archäologischen Museums Hamburg mit einem Schnitt durch den Wall und den Graben davor angelegt haben.
Mit dem Zollstock zeigt der archäologische Grabungstechniker auf die verschiedenen Erdschichten – durch unterschiedliche Verfärbungen klar zu erkennen und wie mit dem Lineal voneinander abgegrenzt. Das macht auch deutlich, wo der ursprüngliche Waldboden beginnt. „Hier kann man den Aufbau gut sehen. Wir haben knapp einen Meter von der Wallspitze bis zur Grabensohle“, sagt er. Zwei Tage lang waren Müller und seine Kollegen vor Ort, um mit der Grabung die genaue Anlage des Walls, den Aufbau und seine einstige Höhe herauszufinden.
Einst begann der Eichenwald am Büsenbachtal wohl erst hinter dem Wall, davor breitete sich die Heide aus. Mittlerweile ist der Wall längst überwuchert, von Moos und Bäumen bewachsen und weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Untere Naturschutzbehörde will das ändern. „Das ist ein wichtiger Teil der Kulturlandschaft und der Geschichte der Region“, sagt Armin Hirt. „Doch er wird nicht wahrgenommen. Daher wollen wir im Rahmen der Pflege und Entwicklung des Gebietes auch auf diesen Wall hinweisen.“
Informationstafel soll Fakten zur Geschichte und Bedeutung liefern
Eine Informationstafel soll Fakten zur Geschichte und Bedeutung liefern. Auch über den Eichenwald will die Naturschutzbehörde informieren: Die Bedeutung alter Eichenwälder für die Artenvielfalt und gefährdete Arten wie den Hirschkäfer wird auf den Tafeln ebenso Thema wie die Rolle für die Grundwasserbildung. Ein kleiner Steg soll über den Wall führen.
Klaus-Detlef Kröger aus Wörme hat den Landkreis auf den alten Wall aufmerksam gemacht, der diesen Wald umgeben hat. Mit etwas Aufmerksamkeit ist er an vielen Stellen gut zu sehen. Er ist immerhin rund 4,5 Kilometer lang, reicht im Süden bis zum Höckeler Weg und umschließt die Waldstücke Hengsthoop und im Riepen mit insgesamt rund 85 Hektar. Das Gehege schneidet dabei in seinem südlichen Teil historische Wegespuren, die zu der alten Poststraße von Schneverdingen nach Harburg gehören, ebenso wie mittelalterliche Wölbäcker, also zur Mitte hin aufgewölbte und längsseits durch Furchen begrenzte Ackerflächen.
„Wichtiger Bestandteil der historischen Kulturlandschaft“
„Diese denkmalpflegerisch bislang vernachlässigten Gehege sind ein wichtiger Bestandteil der historischen Kulturlandschaft“, sagt Kreisarchäologe Dr. Jochen Brandt. Wie alt der Wall genau ist, lässt sich derzeit aber nur schätzen – und vielleicht mit akribischer Detektivarbeit herausfinden. Die Grabung jedenfalls beantworte diese Frage nicht, sagt Willi Müller. Sicher ist aber, dass der Wall schon vor gut 250 Jahren existierte.
Denn auf alten Karten der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus den 1770er-Jahren sind Wall und Graben bereits eingezeichnet.
Dass sich die Menschen die Mühe gemacht haben, mitten in der Landschaft einen Wall aufzuwerfen, hatte durchaus seine Bedeutung. In der kargen, sandigen Heide mit ihren übernutzten Böden war Wald selten und kostbar. Oft gab es nur kleine Gehölzinseln. Der Wall schützte den Eichenwald vor einer weiteren Ausbreitung der Heide und vor allem vor Weidetieren wie den Schafen. Denn der Hengsthoop und im Riepen waren wohl immer Waldstücke, schon seit der Eiszeit. Die Bauern nutzten den Wald zwar, sammelten Brennholz oder entnahmen Bauholz. „Aber der Wald wurde nie ganz abgeholzt“, weiß Kröger aus Erzählungen – seine Familie betreibt immerhin seit 16 Generationen einen Bauernhof in Wörme – und der alten Hofchronik.
Eichenwald war wohl nicht nur wertvoll, sondern auch ein mystischer Ort
„Einst war das sogar Klosterbesitz und die Bauern mussten fragen.“ Doch der alte Eichenwald war wohl nicht nur wertvoll, sondern auch ein mystischer Ort mit einer besonderen Bedeutung. „Bei uns in der Familie wird mündlich überliefert, dass der Hengsthoop eine alte Thingstätte ist“, erzählt Kröger. Die Eiche, Symbol für Kraft und Ewigkeit, war für sie von besonderer Bedeutung. Sie wurde in heiligen Hainen verehrt, und hier am Büsenbachtal hielten sie, so zumindest die Überlieferung, ihre Rats- und Gerichtsversammlungen ab.
Büsenbachtal ist bereits seit 1939 besonders geschützt
Das Büsenbachtal ist bereits seit 1939 als Landschaftsschutzgebiet besonders geschützt – und gleichzeitig ein attraktives Naherholungsgebiet. Nicht nur Wanderer und Familien, auch viele Kindergartengruppen und Schulklassen nutzen das Büsenbachtal als Ausflugsziel. In den 1950er-Jahren kaufte der Landkreis weitere Heideflächen, die jedoch bisher keinen besonderen Schutzstatus erhielten. Das ändert sich.
„Wir arbeiten aktuell an einer neuen Naturschutzverordnung für das Büsenbachtal, dabei finden auch Abstimmungen mit den benachbarten Grundeigentümern statt, damit die angrenzenden, kultur- und naturgeschichtlich herausragenden alten Wälder einbezogen werden können“, sagt Niels Vollmers von der Unteren Naturschutzbehörde. „So wird das Naturschutzgebiet von bisher 60 auf rund 215 Hektar fast vervierfacht.“
Ganz neue Blicke vom 79 Meter hohen Pferdekopf
Die Untere Naturschutzbehörde betreut das Heidegebiet Büsenbachtal intensiv und wertet es auf – und davon profitieren Tier- und Pflanzenwelt und Erholungssuchende gleichermaßen. So wurde beispielsweise kürzlich aus einer Fischteichanlage ein naturnahes Biotop. Vom 79 Meter hohen Pferdekopf, über den der beliebte Heidschnuckenweg verläuft, bieten sich dadurch ganz neue Blicke. In dem Waldgebiet, das von den Wällen umschlossen wurden, gestaltet der Landkreis mit Fichten bestandene Bereiche zu einem artenreichen, naturnahen Laubwald um, angepasst bereits an den Klimawandel. Dazu wurden Anfang des Jahres gut 14.000 Eichen gepflanzt.