Jesteburg. Gebäude muss saniert werden. Kunstverein Jesteburg präsentierte dem Wirtschaftsausschuss sein Zukunftskonzept

Mitten in Jesteburg verkommt in bester Lage ein Gebäude: das Kunsthaus Jesteburg. Die Besitzerin, die Gemeinde Jesteburg, hat kein Geld, um das Haus zu renovieren. Ausgaben für Kinderbetreuung, Schulen, Feuerwehr und für die Instandsetzung maroder Straßen nagen am Gemeindesäckel. Der Kunstverein Jesteburg, alleiniger Nutzer des Kunsthauses, wüsste schon, wie und wo Mittel für eine Instandsetzung zu beschaffen wären, dafür aber müssten sich die Besitzverhältnisse ändern – und wohl so mancher Politiker über seinen Schatten springen.

Die 7500-Einwohner Gemeinde Jesteburg hat seit jeher einen gewissen Stolz: „Wir sind DIE Kulturgemeinde im Naturpark Lüneburger Heide und in der Metropolregion Hamburg“, heißt es selbstbewusst im Leitbild der Kommune. Zu dieser Kommune gehören neben dem Kunsthaus die Kunststätte Bossard, eine Naturbühne und ein unvollendeter Kunstpfad. In einer Bürger*Innen-Akademie wird mit externen Gästen über Kunst in öffentlichen Räumen debattiert. Und nicht zuletzt ist Jesteburg die Heimat zahlreicher – auch prominenter – Maler, Musiker, Schauspieler und Schriftsteller.

Der schlechte Zustand des Kunsthauses ist seit langer Zeit Jesteburger Ortsgespräch

Der schlechte Zustand des Kunsthauses ist seit langer Zeit Ortsgespräch. Die Fenster blind, die Wände feucht, die bröselnden Treppen für Rollstuhlfahrer unbezwingbar. „Im Sommer herrscht hier Barackenklima“, so die künstlerische Leiterin des Kunsthauses Isa Maschewski über die Arbeitsbedingungen in der warmen Jahreszeit. Kunsthaus-Mitarbeiter seien schon in der Hitze umgekippt, sie selbst habe beim Versuch, ein Oberlicht zu öffnen, eine Scheibe auf den Kopf bekommen. Auf 70.000 bis 80.000 Euro wurden in einem Gutachten die notwendigen Investitionen geschätzt.

Die neue erste Vorsitzende des Kunstvereins Jesteburg, Corinna Koch, und Kuratorin Isa Maschewski
Die neue erste Vorsitzende des Kunstvereins Jesteburg, Corinna Koch, und Kuratorin Isa Maschewski © HA | nanette franke

Wie und warum kam die Gemeinde überhaupt an dieses Haus? Von 1971 bis 2004 war die Volksbank in dem Flachdachgebäude untergebracht. Dann erwarb ein Jesteburger Unternehmer das Haus, um darin das Café Miro zu betreiben, das 2008 in die Insolvenz ging. Der 1998 gegründete Verein Kunstwoche, der alle zwei Jahre Bilder in den Schaufenstern der örtlichen Läden ausgestellt hatte, bespielt das Kunsthaus seit 2006. Im Jahr 2012 kaufte die Gemeinde Jesteburg das Haus, das sie zuvor für 25.000 Euro jährlich gemietet hatte, dem Unternehmer für 375.000 Euro ab. Damals hatte Jesteburg noch keinen Investitionsstau und war finanziell hervorragend aufgestellt. Der Hauskauf sei eine gute Geldanlage in Zeiten, in denen Banken kaum noch Zinsen zahlten, so der damalige Gemeindedirektor Hans-Heinrich Höper. Im Jahr 2013 wurde aus dem Verein Kunstwoche der Jesteburger Kunstverein, der das Kunsthaus mietfrei nutzt. Auch die Nebenkosten trägt die Gemeinde. Über das Programm des Kunstvereins scheiden sich jedoch er die Geister. Viele Jesteburger fremdeln mit dem Projekt. „Das ist eine blackbox. Man weiß nicht, was darin vorgeht“, sagt Hansjörg Siede von der Unabhängigen Wählergemeinschaft UWG. „Die Ausstellungen sind bewusst elitär gestaltet. Ich kenne keinen Jesteburger, der da hineingeht“, so Siede weiter.

Angebot eher Bespaßung eines elitären Zirkels?

Schon oft wurde Isa Maschewski vorgeworfen, mit ihrem Programm eher für die Bespaßung eines elitären Zirkels sorgen zu wollen als für ein Angebot, mit dem die Dorfbewohner etwas anfangen können. Wäre es in Zeiten klammer Kassen nicht vernünftiger, das Kunsthaus der Gemeindeverwaltung auf dem benachbarten Niedersachsenplatz zuzuschlagen, die bekanntlich unter Raumnot leidet und für die kürzlich der Entwurf eines Erweiterungsbaus für sechs Millionen Euro vorgestellt wurde? „Wir sind nicht elitär, sondern wir nehmen die Aufgaben eines klassischen Kunstvereins wahr in der Tradition der Kunstvereine, deren Dachverband wir seit 2013 angehören“, erklärte Isa Maschewski jetzt in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses, zu der sich mit der neuen Vorsitzenden des Kunstvereins Corinna Koch geladen war.

Kunstverein: „Wir sind nicht elitär. Wir erfüllen eine Bildungsaufgabe“

Der Kunstverein sehe es als seine Aufgabe an, Kunstproduktion zu ermöglichen, indem er junge Künstler der Gegenwart mit Ausstellungen unterstütze. Zu seinen Aufgaben gehöre es, innovative moderne Kunst zu vermitteln und auch wenig kunstaffinen Menschen im Dialog einen Zugang zu den Werken zu ermöglichen. Der Kunstverein Jesteburg erfülle eine Bildungsaufgabe. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können, werbe er öffentliche Gelder ein, etwa beim Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, beim Lüneburgischen Landschaftsverband, bei Stiftungen wie der Kulturstiftung des Bundes oder der Reemtsma-Stiftung. Um eine Chance auf öffentliche Gelder zu haben, müsse der Verein Bilder auswählen, die eine gewisse Relevanz haben, so wie die Werke der Künstlerin Pae White, die schon bei der Documenta in Kassel und bei der Biennale in Venedig ausgestellt habe. Aufgrund der großen Resonanz sei ihre Ausstellung in Jesteburg verlängert worden, es habe sogar „Besucherschlangen“ vor dem Eingang gegeben.

Auch die Jesteburger Landfrauen hätten die Ausstellung besucht, manche sogar mehrfach. „Jeder ist uns willkommen, und jede Meinungsäußerung über die Bilder interessiert uns“, so Maschewski, die den Jesteburger Kunstverein als „einen der erfolgreichsten ländlichen Kunstvereine in ganz Deutschland“ bezeichnete. Der Kunstverein zählt nach Maschewskis Worten inzwischen über 400 Mitglieder, 80 Prozent aus der Region, viele davon Studenten. Die Jugendförderung sei dem Kunstverein wichtig.

Zusammenarbeit mit Anton Spielmann, bekannt geworden mit der Band 1000 Robota

Maschewski berichtete über die intensive Zusammenarbeit mit der Oberschule Jesteburg, mit dem Schulzentrum Seevetal, mit Buchholzer Schulen, mit dem Kinderheim Forellenhof und über Workshops für Jugendliche, die bis zu 30 Teilnehmer zählten und in denen die Einbindung sozialer Medien, die Digitaltechnik und die Künstliche Intelligenz eine große Rolle spielten. Um die Angebote noch genauer auf die Zielgruppen abzustimmen, sei ein weiterer Verein gegründet worden: Nykto – was auf Altgriechisch „Nacht“ bedeutet. Ein Verein für interkulturelle Begegnung, in dem es nicht nur um Malerei, sondern auch um digitale Medien, Musik und Theater gehen soll. Als ein Projekt in diesem Zusammenhang nannte Maschewski die Zusammenarbeit mit dem deutschrussischen Filmkomponisten Anton Spielmann, der in Jesteburg aufwuchs und 2010 mit der Band 1000 Robota international Erfolge feierte. Der Kunstverein würde, so beteuerte Maschewski, gern seine Arbeit im Jesteburger Kunsthaus weiterführen.

Deshalb habe der Verein angeboten, das Kunsthaus zu kaufen. Doch die Gemeinde wolle sich nicht von dem zentralen Grundstück in der Ortsmitte trennen, es gebe unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich des Preises und mögliche Probleme im Zusammenhang mit der Gemeinnützigkeit. Nach einer Gesprächsrunde mit dem niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs, über die Förderung von Bauprojekten kleiner Kunstvereine schlug Maschewski dem Wirtschaftsausschuss jetzt einen Erwerb des Hauses auf Basis eines Erbpachtvertrages für 25 bis 30 Jahre vor.

Die Gemeinde behält das Grundstück, bekommt das Vorkaufsrecht für das Haus und spart sich die kostenintensive Renovierung. Und der Verein kann in eigenem Namen für das eigene Haus Zuschüsse einwerben. „Wir wollen, dass Jesteburgs Zentrum belebt ist, dass es dort Aufenthaltsqualität und ein kulturelles Angebot gibt, ohne dass die Finanzen der Gemeinde weiter in den Keller rauschen“, so die Kuratorin. Der Ausschuss will das Konzept prüfen und weiter beraten.