Seevetal. Gemeinderat stimmt für Sanierung der Decatur-Brücke über den Rangierbahnhof Maschen – obwohl sie in 20 Jahren abgerissen werden muss.

735 Meter lang und fast 50 Jahre alt ist das 38-Millionen-Euro-Problem der Gemeinde Seevetal. Es geht um die Decatur-Brücke, die über den Rangierbahnhof Maschen führt und seit mehreren Jahren wegen einer möglichen Einsturzgefahr für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist. Was mit ihr passieren soll? Darüber gehen die Meinungen in der Seevetaler Politik auseinander. Einig sind sich die meisten Lokalpolitiker nur in einem: dass diese Brücke ein großes Dilemma ist.

„Eine gute Lösung gibt es nicht”, sagte auch Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede (CDU) gleich zu Beginn der jüngsten Diskussion im Seevetaler Rat über die Zukunft des Bauwerks. Dass es das Problem in der Gemeinde überhaupt gibt, liegt an einer Gesetzesänderung in den 1970er-Jahren, wodurch die Brücke vom Bund an die Gemeinde gegeben wurde. Zusätzlich zum Besitzerwechsel gab es damals noch 3,5 Millionen D-Mark für die Gemeinde Seevetal. Das Geld ist jedoch längst nicht mehr da – es ist für andere Investitionen ausgegeben worden.

Am Donnerstagabend während der Ratssitzung gab es nun zwei unterschiedliche Lösungsvorschläge, die beide ihre ganz eigenen Probleme mit sich bringen könnten.

Das Land Niedersachsen trägt 21,4 Millionen Euro. Den Rest muss Seevetal übernehmen

Lösung eins sieht eine Sanierung oder wie es im Amtsdeutsch heißt: eine „Ertüchtigung“ der maroden Brücke vor. Der Vorschlag wurde von der Mehrheit des Rats mit 27 Stimmen von CDU, SPD, FDP und den meisten Grünen-Mitgliedern angenommen. Kostenpunkt: Etwa 38 Millionen Euro, davon trägt das Land Niedersachsen 21,4 Millionen Euro. Den Rest muss die Gemeinde Seevetal übernehmen.

„Die Decatur-Brücke ist ein Monstrum, die uns finanzielle und personelle Kapazitäten kostet, wie sie bei einer Gemeinde unserer Größe eigentlich nicht beheimatet sind”, sagte Frank Schmirek (CDU). Nur die Brücke sei eben da, und man müsse mit ihr umgehen.

Die Absperrung zur Decatur-Brücke über dem Rangierbahnhof Maschen im siebten Jahr der Vollsperrung aus Richtung Hörsten.
Die Absperrung zur Decatur-Brücke über dem Rangierbahnhof Maschen im siebten Jahr der Vollsperrung aus Richtung Hörsten. © JOTO | Joto

Gerade der Zuschuss vom Land überzeugte im Rat, für eine Sanierung zu stimmen. Danach könne auch endlich wieder der Bahnhof Maschen einfacher erreicht werden, hieß es vonseiten der SPD-Fraktion. Denn der liegt auf der „falschen“ Seite des Rangierbahnhofs und kann von Maschen aus seit 2016 nur über einen sieben Kilometer langen Umweg über Stelle erreicht werden. Für die Mehrheit der Grünen-Fraktion stand die Rechtssicherheit im Mittelpunkt. Schließlich kommen über die Brücke auch jetzt noch die Mitarbeiter der Bahn zu ihren Arbeitsstellen in der Mitte des Rangierbahnhofs.

Im schlimmsten Fall könnte die Gemeinde zu einem Neubau verpflichtet werden

Die Gemeinde Seevetal ist verpflichtet, diese Grundstücke an das Straßennetz anzubinden. Sollte es keine Brücke mehr geben, könnte das zu einem langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren mit dem Bund als Bahneigentümer kommen. Wonach die Gemeinde im schlimmsten Fall zu einem Neubau verpflichtet werden könnte.

Doch eine Lösung für immer ist die nun erfolgte Zusage für die Ertüchtigung nicht. Denn: Ein Gutachten bescheinigt dem Betonbauwerk eine Restlebensdauer von etwa 20 Jahren.

Die zweite Lösung sah vor, die Brücke mit den notwendigsten Arbeiten instandzuhalten

„Die für die Restnutzungsdauer der Brücke gewonnenen Jahre können dafür genutzt werden, den Abriss in Ruhe und vor allem rechtssicher vorzubereiten“, sagte Wolfgang Ivens (FDP). Während der zwei Jahrzehnte sollen dann auch neue Wege zu den beiden Bahnhöfen geplant werden.

Die im Rat abgelehnte Lösung sah vor, die Brücke weiter mit den notwendigsten Arbeiten instandzuhalten, bis genügend Geld in den kommenden Haushalten für einen Abriss gespart worden wäre. Der Antrag wurde mit neun Stimmen von den Freien Wählern, der AfD und einem Mitglied der Grünen favorisiert. Die Kosten liegen bei etwa 25 Millionen Euro, eine Förderung durch das Land ist dabei unwahrscheinlich.

Wenn alles nach Plan läuft, könnten die ersten Bauarbeiten im Frühjahr 2024 beginnen

„Sich heute für eine Ertüchtigung zu entscheiden, hat ernsthafte Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen“, sagte Timo Röntsch von den Freien Wählern. Denn niemand könne sagen, wie sich die Baukosten entwickeln würden. Das Problem des Abrisses würde zudem einfach in die Zukunft verschoben. Auch die AfD befürchtet weitere Kostensteigerungen. So seien die Kosten für die Ertüchtigung alleine von der ersten Planung 2017 bis jetzt schon um mehr als 21 Millionen Euro gestiegen. Das liegt unter anderem an den gestiegenen Baukosten und dem Fund von Asbest im verbauten Material der Brücke.

Mit großer Mehrheit entschied sich der Rat nach einer einstündigen Diskussion für eine Sanierung der Brücke. Wenn alles nach Plan läuft, könnten die ersten Bauarbeiten im Frühjahr 2024 beginnen. Dabei gibt es enge zeitliche Grenzen. So müssen für die Arbeiten entweder die Bahnstrecke Hamburg – Lüneburg oder Teile des Rangierbahnhofs gesperrt werden. Welche Auswirkungen die Bauarbeiten auf den Nahverkehr haben werden, steht noch nicht fest.