Winsen. Aus scheinbar Nutzlosem etwas Neues machen: Das geht öfter als man denkt. Upcycling-Initiative in Winsen findet erstaunliche Lösungen.
Er fällt sofort ins Auge, der rote Rock von Anna Bretschneider. Nicht nur durch seine leuchtende Farbe. Es sind vor allen Dingen die kreisrunden, von silbernen Metallringen gefassten Löcher kurz über dem Saum, die ihn zum Blickfang machen und den Betrachter stutzen lassen. Seltsam! So etwas hat man doch schon gesehen. Aber wo?
Anna Bretschneider freut sich, wenn ihrem Gegenüber irgendwann ein Licht aufgeht. Na klar! Der Rock war einmal eine Gardine! Als Vorhang nicht mehr gebraucht, aber aus tadellosem Stoff, hat Annas Mutter sie geschickt umfunktioniert. Die Tochter trägt ihre ausgefallene Kleidung mit Stolz. „Man muss nicht ständig neue Sachen kaufen. Lieber Ressourcen sparen. Wir haben schließlich nur diesen einen Planeten“, sagt die junge Frau, die der katholischen Gemeinde Guter Hirt in Winsen angehört.
Wer möchte, kann ausgediente Gegenstände mitbringen – oder eine Nähmaschine
Die Bretschneiders sind mit dieser Haltung nicht allein. Eine eigene Gruppe hat sich gegründet, die sich schlicht „Umweltteam Guter Hirt“ nennt. Zu ihren Zielen gehört, scheinbar Nutzloses so umzugestalten, dass es einen neuen Zweck erfüllt. Upcycling wird diese Methode genannt.
Das Umweltteam, das zum Winsener Netzwerk Klimaschutz gehört, möchte ihre Ideen weiter verbreiten und lädt deshalb alle Interessierten ins Pfarrheim ein, um ihre Werke zu präsentieren und gemeinschaftlich Neues zu kreieren. „Am kommenden Sonnabend möchten wir uns austauschen und gemeinsam weitere Konzepte entwickeln“, sagt Birgit Götte, die zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe gehört. „Wir freuen uns, wenn ausgediente Gegenstände mitgebracht werden, denen wir zu neuem Leben verhelfen können. Wer eine Nähmaschine hat, darf auch sie gerne mitbringen. Wir werden aber einiges für den Aktionstag vorbereiten, etwa für Kinder geeignete, einfache Projekte.“
Alte Jeans-Hosen werden zu Einkaufsbeuteln oder Tragetaschen für Yogamatten
Sie selbst nutzt am liebsten ausgemusterte Jeans zur Aufwertung. Umweltbelastend ist da ja schon die Herstellung: Der Verbrauch an Wasser und Pestiziden für die Baumwollproduktion ist enorm. Hinzu kommen Chemikalien und Schwermetalle für die Färbung, die die Gesundheit der Textil-Arbeiterinnen belasten.
Birgit Götte nutzt deshalb jeden Teil der Hose. Aus dem oberen Part näht sie Einkaufsbeutel, aus den Gesäß-Taschen und Hosenbein-Enden werden kleinere Etuis geschneidert. Für eine praktische Hülle ihrer Yogamatte genügte es, ein Bein abzuschneiden und einen Trageriemen daran zu befestigen.
Hundespielzeug aus geflochtenen T-Shirt-Streifen? Nichts leichter als das
Birgit Götte hat inzwischen einen Blick für allerlei andere wiederverwertbare Materialien entwickelt. Aus Tetra-Paks beispielsweise lassen sich so unterschiedliche Dinge wie Blumenübertöpfe, Stiftebecher und sogar Geldbörsen machen. Das Portemonnaie mit Schraubverschluss eigene sich zwar nicht für den täglichen Gebrauch, wohl aber als pfiffige Verpackung für Geldgeschenke.
Anke Schaefer-Kropp kombiniert Ausgedientes gern mit Naturmaterialien. Ein nützlicher Blickfang sind ihre Insektenhotels, die aus leeren, mit bunten Wollresten umwickelten Konservendosen bestehen. Die so dekorierten Metallringe füllt sie mit Stroh, Reisig, Tannenzapfen und Moos. Als Aufhängung dient ein alter Gürtel. Austernschalen aus glänzendem Perlmutt befestigt sie an Schnürsenkeln und schafft so originelle Halsketten. Reagenzgläser und Birkenzweige werden zu Blumenvasen gebündelt, alte Wolldecken zu Kissenbezügen umfunktioniert.
Hundespielzeug aus geflochtenen T-Shirt-Streifen? Für die Upcycling-Damen ein Kinderspiel
Die Frauen bieten ihre Kreationen auch zum Verkauf an. Besonders begehrt sind Kinderkleidchen. Dorothea Bretschneider hat dazu Stoff von Polohemden und Herrenoberhemden kombiniert – mit so wenig Aufwand wie möglich. Auch, um Nachahmerinnen zum Upcycling zu animieren. Hundespielzeug aus geflochtenen Streifen eingelaufener oder verwaschener T-Shirts? Gehört zu ihren einfachsten Übungen.
Herkömmliches Geschenkpapier kaufen die Bretschneiders schon lange nicht mehr. Präsente wickeln sie in große bunte Blätter von Wandkalendern des Vorjahres ein. Auch ihren Rock trägt Anna Bretschneider nicht ausschließlich aus modischen Erwägungen. Er ist darüber hinaus ein Statement. „Natürlich wissen wir, dass wir mit Upcycling nicht die Welt retten“, erklärt sie. „Aber wir werden achtsamer. Und wir setzen ein Signal gegen Verschwendung.“