Neu Wulmstorf. Bürgermeister Tobias Handtke reagiert auf Kritik und möchte Quote für Sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen. Welche Schritte nun anstehen.

Trotz des Baubooms können sich viele Menschen das Wohnen in Neu Wulmstorf nicht leisten. Die Mieten in den schicken neuen Wohnquartieren sind für sie unerschwinglich. „Wir bieten in diesem Bereich so gut wie nichts an“, sagt Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke. „Ich sehe die Bedarfslage in Neu Wulmstorf nach Sozialem und geförderten Wohnraum auf jeden Fall.“

Der Sozialdemokrat hat deshalb zusammen mit der Gemeindeverwaltung einen Vorstoß zur Quotenvorgabe für den Sozialen Wohnungsbau gewagt, mit dem diese von zehn auf 20 Prozent erhöht werden soll. Doch zunächst muss darüber der Gemeinderat beraten. „Da darf man jetzt gespannt sein, wie sich die Politik dazu verhält“, so Handtke.

Ein Kirchenvertreter hatte die „Aufschieberitis“ in Sachen Sozialwohungen kritisiert

Die politischen Vertreter waren zuletzt von kirchlicher Seite für ihre „Aufschieberitis“ bei der Schaffung von günstigem Wohnraum scharf kritisiert worden. In Zeiten, in denen infolge der Energiekrise die Lage auf dem Wohnungsmarkt noch einmal kritischer geworden ist, werde das Thema in Neu Wulmstorf immer wieder vertagt und auf kommende Bauprojekte verschoben, so Florian Schneider im Abendblatt. Der Pastor der Lutherkirchengemeinde in Neu Wulmstorf hinterfragte, ob die Schaffung von günstigem Wohnraum tatsächlich ein wichtiges Anliegen der Politik sei, wie von allen Seiten immer betont werde.

Es wird viel gebaut in Neu Wulmstorf, wie hier im Norden des Kernorts. Doch Sozialwohnungen sind und bleiben vorerst Mangelware. Ein Vorstoß der Verwaltung will das ändern.
Es wird viel gebaut in Neu Wulmstorf, wie hier im Norden des Kernorts. Doch Sozialwohnungen sind und bleiben vorerst Mangelware. Ein Vorstoß der Verwaltung will das ändern. © HA | Sabine Lepél

Die Diskussion über die Quotenvergabe beim Sozialen Wohnungsbau könnte nun neuen Zug in die Thematik bringen – oder aber mögliche Investoren abschrecken. Der GdW, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., warnte bereits Anfang des Jahres vor trüben Aussichten: 21 Prozent, also mehr als ein Fünftel der für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen, würden die Wohnungsunternehmen nicht realisieren können, so der Verband.

Der neue Vorschlag würde eine Verdopplung der aktuellen Quote bedeuten

Eine Verkettung von „historisch schlechten Baubedingungen und eklatante Fehler der Regierung“ ließen den bezahlbaren Wohnungsbau dramatisch einbrechen. „Die Wohnungswirtschaft ist zu berücksichtigen, aber in erster Linie geht es um die Menschen“, entgegnet Tobias Handtke. „Wir müssen dafür sorgen, dass beispielsweise Alleinerziehende und Leute mit geringerem Einkommen, die den Laden mit ihren Jobs hier teilweise am Laufen halten, auch in unserer Gemeinde wohnen können.“

Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, dass bei Planungen ab zehn Wohneinheiten grundsätzlich mindestens 20 Prozent der künftigen Wohnungen als Sozialwohnungen im Sinne des Wohnungsbindungsgesetzes geschaffen werden sollen. Das entspricht einer Verdoppelung der Quote. Anspruch auf eine Sozialwohnung sollen diejenigen haben, die im Besitz eines Wohnberechtigungsscheines sind.

Der Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum wächst stetig

Die Höchstgrenzen der Kosten der Unterkunft soll sich nach den jeweiligen aktuellen festgelegten Werten des Landkreises Harburg richten, heißt es in der entsprechenden Vorlage. „Mein Eindruck ist, dass der Vorstoß der Verwaltung von der Politik insgesamt positiv aufgenommen wurde“, so Handtke. „Aber es ist ja kein fertiges Modell. Wir müssen uns jetzt Gedanken darüber machen.“ Das wollen die Fraktionen offenbar tun: Im Bauausschuss der Gemeinde wurde eine Empfehlung des Verwaltungsvorschlags erst einmal vertagt.

Im Rahmen des derzeitigen Verfahrens in der Gemeinde beim kostengünstigen und sozialverträglichen Wohnraum hatte die Verwaltung festgestellt, dass Neu Wulmstorf mit der bisherigen Regelung im Vergleich zu anderen Kommunen eher geringe Anforderungen stellt. Außerdem wurde evaluiert, dass der Bedarf an günstigem Wohnraum „nach aktuellen Erkenntnissen“ stetig wächst und im Rahmen der vorhandenen Regelung künftig keine ausreichende Deckung sichergestellt werden kann. Zudem sei das jetzige Vergabeverfahren, bei dem man sich bei der Gemeinde um geförderten Wohnraum bewerben muss, aufwendig und die personellen Kapazitäten nicht ausreichend.

Die Förderkulisse in Niedersachsen sei momentan günstig, sagt Handtke

Handtke hält den Zeitpunkt für einen Vorstoß seiner Verwaltung in Sachen Sozialer Wohnungsbau für gut: „Die Förderkulisse ist in Niedersachsen momentan günstig“, so der Bürgermeister. Die rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Schaffung von 100.000 zusätzlichen Mietwohnungen angekündigt, davon 40.000 Sozialwohnungen. Dazu will das Land noch in diesem Jahr eine gemeinnützige Landeswohnungsgesellschaft gründen, die nach Aussagen des zuständigen Ministers Olaf Lies (SPD) Anfang des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen soll.

Laut Koalitionsvertrag soll die Landeswohnungsgesellschaft gemeinnützig und nicht gewinnorientiert sein und als zentrale Aufgabe den „Kauf, die Sanierung und die Schaffung von Wohnraum“ erhalten. Die Landesgesellschaft könnte zum Beispiel Grundstücke erwerben, auf denen dann ein Dritter als Bauherr aktiv wird – vorausgesetzt, dass derjenige die Wohnungen zu bezahlbaren Mieten anbietet. Ein Vorzug der Aktivität einer Landesgesellschaft könne in der Möglichkeit liegen, ein niedriges Zinsniveau zu ermöglichen, so Niedersachsens Bauminister Lies.