Unterlüß. In Unterlüß baut Rheinmetall Panzer und Munition, die dringend in der Ukraine gebraucht werden – der Fachkräftebedarf ist enorm.

Die deutsche Rüstungsindustrie boomt sei dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor knapp einem Jahr – auch und insbesondere in der Region. Denn in der Lüneburger Heide baut der Hersteller Rheinmetall seine Produktionsstätte in Unterlüß im Landkreis Celle weiter aus. Der Standort fern der Konzernzentrale in Düsseldorf ist der größte in Deutschland und rückt weiter in den Fokus.

Hunderte neue Mitarbeiter werden gesucht, das Unternehmen stampft neue Fertigungsanlagen aus dem Boden. Politische Entscheider besuchen das Werk – wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der am Montag zu Gast war. Anlass: In der Südheide fertigt Rheinmetall Kriegsmaschinerie und Munition, die sich unmittelbar auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine auswirken sollen. Zudem sei die hiesige Produktion für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr von zentraler Bedeutung.

Rheinmetall: Munition werde im Sommer in die Ukraine geliefert

Der Konzern sagte am Montagabend während des Besuchs von Boris Pistorius zu, dass die vom ukrainischen Militär benötigte Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard wie versprochen im Sommer ausgeliefert werde. Eine dafür neu geschaffene Produktionslinie in der Südheide soll im April, spätestens im Mai anlaufen. Die erste Auslieferung der insgesamt 300.000 Schuss werde im Juli erfolgen, konkretisierte Rheinmetall-Chef Armin Papperger vor Ort.

Boris Pistorius (SPD, r), Bundesverteidigungsminister und Armin Papperger (l), Vorstand Rheinmetall geben am Montag am Standort Unterlüß ein Pressestatement.
Boris Pistorius (SPD, r), Bundesverteidigungsminister und Armin Papperger (l), Vorstand Rheinmetall geben am Montag am Standort Unterlüß ein Pressestatement. © dpa | hilipp Schulze

Er bekräftigte zudem das Versprechen, im März 20 einsatzfähige Schützenpanzer des Typs Marder zur Verfügung zu stellen. Die Panzer stünden „schon quasi fertig“ auf dem Hof in Unterlüß und könnten bis Ende März an die Ukraine ausgeliefert werden. Nach mehreren Medienberichten waren Zweifel daran aufgekommen, ob das Unternehmen die Panzer wie angekündigt instandsetzen kann.

Pistorius will stärker mit Rüstungsindustrie in Dialog treten

Pistorius’ Rundgang durch die Fertigungsanlagen durften Medienvertreter „aus Sicherheitsgründen“ nicht begleiten. Deutschland schickt insgesamt 40 überholte Marder-Schützenpanzer ins ukrainisch-russische Kriegsgebiet.

Der seit Januar amtierende Verteidigungsminister war in die Lüneburger Heide gekommen, um sich einen Eindruck von den Produktionskapazitäten zu machen und – wie angekündigt – stärker mit der Rüstungsindustrie in den Dialog zu treten.

Zuvor hatte er sich am Montag über die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschen Kampf- und Schützenpanzern im nahe gelegenen Munster informiert. Dort besuchte der SPD-Politiker die Panzertruppenschule, wo Ukrainer den Umgang mit dem Leopard 2 und dem Schützenpanzer Marder erlernen.

Rheinmetall baut hier die Schützenpanzer Puma und Lynx

Dieser Bundeswehr-Stützpunkt liegt unweit des Rheinmetall-Standorts in Unterlüß. Mit rund 2200 Mitarbeitern und zahlreichen Produktionslinien für Kriegswaffen und Munition sowie angeschlossenem Versuchsgelände (56 Quadratkilometer) zählt das Rüstungswerk zu den bedeutendsten Niederlassungen des deutschen Konzerns. Rheinmetall baut hier den Schützenpanzer Puma und den modernen Schützenpanzer Lynx. Der im Sommer 2022 vorgestellte digitale Kampfpanzer Panther wurde hier entwickelt.

Wieder aufbereitete Marder-Schützenpanzer stehen im Rheinmetall-Werk in Unterlüß vor einer Halle.
Wieder aufbereitete Marder-Schützenpanzer stehen im Rheinmetall-Werk in Unterlüß vor einer Halle. © dpa | Julian Stratenschulte

Seit der russischen Invasion Ende Februar 2022 läuft die Produktion bei Rheinmetall bundesweit auf Hochtouren. Der Aktienwert des Dax-Unternehmens ist stark angestiegen. Und besonders in Unterlüß wurde die Produktion hochgefahren: „Wir haben die Kapazitäten verdoppelt, in manchen Bereichen verdreifacht“, sagte Chef Papperger am Montag vor Ort auf die dortige Produktion bezogen. „Wir laufen hier auf Volldampf und können die Kapazität noch steigern.“ Er sei sich sicher, dass Rheinmetal alle Aufträge in den nächsten Monaten abarbeiten kann.

So hat Rheinmetall die Waffenproduktion in der Südheide gesteigert

Davon war auch Verteidigungsminister Pistorius nach der Werksbesichtigung überzeugt: „Es geht darum, die Bundeswehr wieder auf den Verteidigungsstand zu bringen, den wir brauchen“, so der Minister. „Und ich konnte mich heute in einem schnellen Durchgang davon überzeugen, dass die Strukturen dafür vorhanden sind.“ Rheinmetall leiste einen „ganz wichtigen Beitrag“. Für die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ seien Partner notwendig. „Dazu gehört die Rüstungsindustrie, dazu gehören Produktionsstätten wie diese hier.“

Laut Papperger habe das Unternehmen speziell im Werk Unterlüß flexibel auf den Ruf der Bundesregierung reagiert. Die besondere Anpassungsfähigkeit sei auch auf die Größe des Standortes zurückzuführen, sagt Rheinmetall-Sprecher Jan-Phillipp Weisswange auf Abendblatt-Nachfrage. Ohnehin gelte die Produktionsstätte in Nordniedersachsen vielen als „eigentliches Herz von Rheinmetall“. Ansässig sind die Gesellschaften Rheinmetall Landsysteme und Rheinmetall Waffe Munition.

Rheinmetall hat großen Fachkräftebedarf

Für die Produktion der Gepard-Munition wurden Mitarbeiter rekrutiert und die Munitionsfabriken um neue Anlagen erweitert. Die Investitionshöhe nennt Rheinmetall nicht. Der Personalzuwachs liege im mittleren zweistelligen Bereich. Das 35-Millimeter-Geschoss „zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte“ ist knapp 30 Zentimeter lang und 3,5 Zentimeter dick und soll der Abwehr von russischen Luftangriffen dienen. Der Auftragswert lieget im niedrigen dreistelligen Millionenbereich (Euro).

Auch die Anlagen zum Testen und zur Abnahme von Waffen, Munition und Fahrzeugen im Erprobungszentrum seien ausgebaut worden.

Gesucht werden Ingenieure, IT-Spezialisten, Mechaniker, Elektroniker

Dass der Konzern vor Ort großen Fachkräftebedarf hat, wird mit einem Blick auf das firmeneigene Jobportal deutlich. Über alle Tätigkeitsbereiche hinweg hat der Konzern derzeit rund 200 Stellen ausgeschrieben, die mit dem Standort Unterlüß in Verbindung stehen. Dass viele Stellen auf zwei oder drei Jahre befristet sind, könnte bedeuten, dass Rheinmetall für diesen Zeitraum mit gestiegener Nachfrage aus Deutschland und der Welt rechnet.

Gesucht werden etwa Ingenieure, IT-Spezialisten, Mechaniker, Elektroniker, Lagermitarbeiter und vieles mehr. Einige der Positionen können auch an anderen Standorten wie beispielsweise Bremen, Kassel oder Kiel besetzt werden. Nur für den Bereich „Waffen und Munition“ und damit fest in Unterlüß sind beispielsweise mehr als 50 Stellen vakant (Stand: 21. Februar 2023).