Lüneburg. Niedersachsens Verkehrsminister plädiert für eine pragmatische Lösung. Stadt und Landkreis kritisieren vor allem einen Punkt.
Ist ein Ausbau oder ein Neubau sinnvoller? Braucht es drei oder vier Gleise? Das sind die entscheidenden Fragen in der Diskussion um die Planung einer verbesserten Bahntrasse zwischen Hamburg und Hannover. Die Positionen in den betroffenen Regionen gehen weit auseinander, jetzt hat es eine erste Annäherung gegeben: Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lief (SPD) ist am Mittwoch zu einem Austausch nach Lüneburg gekommen, um mit Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) und Landrat Jens Böther (CDU) sowie weiteren Verwaltungsspitzen, Abgeordneten und Bürgerinitiativen aus der Region Gespräche aufzunehmen.
Die Bahn hatte nach jahrelanger Planung vor kurzem vier Varianten vorgelegt, sie muss aber noch eine sogenannte Vorzugstrasse benennen. Zwei dieser Trassenvarianten verlaufen mitten durch den Landkreis Lüneburg: Die Bestandsstrecke zwischen Hamburg und Hannover sowie eine Umfahrung, die bei Radbruch von der Hauptstrecke abzweigt, über Reppenstedt, Lüneburg und Melbeck verläuft und bei Suderburg im Landkreis Uelzen zurückgeführt wird.
Die Neubautrasse würde dagegen entlang der Autobahn 7 auch durch den Landkreis Harburg verlaufen. Eine Entscheidung fällt voraussichtlich im Sommer im Bundestag.
ICE-Trasse: Stadt, Kreis und Land fordern bessere Schieneninfrastruktur
Nach dem zweistündigen Gespräch im Lüneburger Rathaus herrschte zwischen den Vertretern von Stadt, Landkreis und Land zumindest in einer Sache Einigkeit: Dass man sich möglichst einig werden müsse, um gemeinsam eine überzeugende Position gegenüber der Bahn vertreten zu können. Auch beim übergeordneten Ziel gibt es einen Konsens: Die Schieneninfrastruktur in Norddeutschland müsse deutlich besser werden, um sowohl mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern als auch die Situation der Pendler im Personennahverkehr zu verbessern.
„Es gibt einige Punkte, bei denen wir uns bereits einig sind, und andere, wo dies nicht der Fall ist“, fasste Kalisch das Ergebnis des Treffens im Anschluss zusammen. Vor allem in einem Punkt hat die Stadt eine andere Auffassung als der Minister. „Der dreigleisige Ausbau der Bestandsstrecke ist aus unserer Sicht nicht ausreichend, wenn die Gleise dann mit Güterverkehr belegt sind und es keine Verbesserung im Personenverkehr gibt“, sagte die Oberbürgermeisterin. Ein viergleisiger Ausbau durch die Hansestadt wird dort eindeutig abgelehnt, ebenso der sogenannte bestandsnahe Ausbau mit Ortsumfahrung. Es bleibt die Variante eines zusätzlichen Neubaus mit zwei Gleisen.
Minister Lies: Planungen für ICE-Trasse über Jahre nicht vorangekommen
Dies sieht der Landrat ähnlich. „Drei Gleise reichen nicht aus“, betonte Böther. Nur insgesamt vier Gleise könnten die notwendige Leistungsfähigkeit bringen. Die anstehende Entscheidung biete jetzt die Chance, die Schienenkapazitäten ausreichend für die Zukunft auszubauen. Ein Großteil der Teilnehmer des Lüneburger Treffens hatten bereits im Dezember ein Schreiben an Bundesverkehrsminister Volker Wissing verfasst. Darin forderten sie ein rechtssicheres Verfahren, damit die verkehrlich beste Lösung gefunden werde. „Wir brauchen jetzt eine am Bedarf orientierte Investitionsoffensive für die Schieneninfrastruktur“, hieß es in dem Brief.
Das Ziel, die Kapazität auf der Schiene ausreichend auszubauen, verfolgt auch Olaf Lies, Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung. Er verwies nach dem Treffen am Mittwoch zunächst auf das Dialogforum Schiene Nord, in dem 2015 mit Vertretern verschiedener betroffener Regionen eine mögliche Lösung ausgearbeitet worden war: die Variante Alpha-E, die einen dreigleisigen Ausbau der bestehenden Strecke vorsieht. Er kritisierte, dass seitdem von der Bahn keine Entscheidung für eine Vorzugsvariante vorgelegt worden sei. „Wir könnten jetzt schon viel weiter sein.“
Harburg contra Lüneburg: Bahn-Pläne spalten die Region
Lies: Ein dreigleisiger Ausbau der Bestandsstrecke sei eine machbare Lösung
Sein Vorwurf an die Bahn lautet, diese habe den Vorschlag kaputtgeredet, indem sie einen viergleisigen Ausbau durch Lüneburg einbrachte. Dies umzusetzen, sei jedoch „undenkbar“. Auch der sogenannte bestandsnahe Ausbau mit einer Umfahrung über Reppenstedt sei nie Teil der erarbeiteten Lösung aus dem Dialogforum gewesen. „Das ist eine nahezu komplette Neubaustrecke“, so der Minister. Der Bau eines dritten Gleises entlang der bestehenden Bahnstrecke ist aus seiner Sicht nach wie vor die praktikabelste Lösung – auch wenn dies nicht unbedingt die wünschenswerte Variante sei. „Wir müssen das Machbare auch machen. Sonst kommen wir nie in die Umsetzung“, sagte Lies. „Jedes Gleis mehr, das in der Umgebung akzeptiert wird, ist ein positiver Schritt.“
Er räumte ein, dass er sich als Minister in einem Zwiespalt befinde. „Ich muss immer nach einer Antwort für ganz Niedersachsen suchen“, sagte Lies. Die sehr unterschiedlichen Positionen – so lehnt der Landkreis Harburg die Neubau-Varianten durch sein Gebiet vehement ab – zusammenzubringen, sei „extrem schwierig“. Umso wichtiger sei es, diesen Weg gemeinsam zu gehen.
Die Gespräche im Lüneburger Rathaus seien gut und konstruktiv verlaufen, betonten Kalisch, Böther und Lies. Das Ziel der Einladung sei es gewesen, die Lüneburger Position nach Hannover zu transportieren, sagte die Oberbürgermeisterin. Das sei gelungen. Der Minister kündigte an, der Dialog solle „zügig und zeitnah“ fortgeführt werden, um vor dem Sommer zu einer gemeinsamen Position zu finden.