Landkreis Harburg. Ausbau der Strecke Hamburg–Hannover schlägt hohe Wellen. Fragen und Gerüchte machen die Runde. Wir haben um Antworten gebeten.

Um die Ausbaupläne der Deutschen Bahn für die Strecke zwischen Hamburg und Hannover ranken sich unzählige Gerüchte und Fragen. Auch, weil die Bahn es lange versäumt hat, offen und transparent mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren. Dementsprechend groß ist die Unsicherheit der Menschen in den betroffenen Regionen. Das Abendblatt die wichtigsten Fragen gesammelt, zu Thesen zusammengefasst und die Bahn damit konfrontiert.

1. „Der Bestandsausbau wurde 2015 beschlossen und ist rechtlich bindend“

Hamburger Abendblatt: 2015 fanden Kommunen, Politik, Bahn und Bürger im Dialogforum Schiene Nord einen breiten Konsens für Alpha-E, den Ausbau der Bestandsstrecke über Lüneburg, Uelzen und Celle. Alpha-E wurde im Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Ist Alpha-E damit rechtlich bindend?

Deutsche Bahn: 2016 wurde im Bundesschienewegeausbaugesetz (BSWAG) das Projekt ABS/NBS Hamburg–Hannover, als „Optimiertes AlphaE plus Bremen“ aufgenommen. Bereits damals von den Bundesgutachtern mit vier statt drei Gleisen und einem Neubau von Radbruch bis Suderburg beschrieben. Handlungsgrundlage für die DB ist – wie immer bei solchen Projekten – eine engpassfreie, pünktliche und volkswirtschaftlich sinnvolle Lösung. Die Annahmen stellen keine Vorfestlegung dar.

2. „Die Bahn handelte bei der Neuplanung ohne politischen Auftrag“

Der Auftrag der DB Netz AG für die Planung einer Neubautrasse durch die Heide – und nur in Teilen an der A7 – ist bis zum heutigen Tag unbekannt. Wer hat die Planung der Neubaustrecke beauftragt?

Die Planungen für den Abschnitt Hamburg–Hannover gründen auf dem Bundesschienenwegeausbaugesetz. In diesem ist das Projekt als ABS/NBS ausgewiesen. NBS steht für Neubaustrecke. Daraus lässt sich ableiten, dass die DB gesetzlich verpflichtet ist, mehrere Varianten zu prüfen, um den drei Kernzielen zu genügen: Mehr Platz auf der Schiene, ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine schnelle Fahrzeit von 59 Minuten zwischen Hamburg und Hannover. Dies ist und wird in der Planungsbegleitung mit den Bundesbehörden regelmäßig abgestimmt.

3. „Die Deutsche Bahn schürt Politikverdrossenheit“

Bürgerinnen und Bürger haben acht Monate lang im Dialogforum gemeinsam an einer Lösung gearbeitet. Am Ende stand eine Einigung. Dennoch begann die Bahn mit der Planung einer Neubautrasse. Ist der Bahn der Bürgerwille egal?

Bei der Deutschen Bahn spielt die breite Öffentlichkeitsbeteiligung und -einbindung eine maßgebliche Rolle für die Planungen. Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sind uns sehr wichtig, daher stehen wir mit den Menschen aus der Region auch in diversen Dialogformaten im Austausch. Wir haben auch bereits viel zusammen erreicht. Beim Abschnitt Rotenburg–Verden beispielsweise hat der Deutsche Bundestag eine dreistellige Millionensumme für Schutzmaßnahmen bereitgestellt, die über das gesetzliche Maß hinaus gehen.

4. „Die Bahn favorisiert die Neubaustrecke durch den Landkreis Harburg“

Die Planer der Bahn haben im Dezember vier Streckenvarianten ans Bundesverkehrsministerium geschickt. Ist die Neubautrasse die von der Bahn AG favorisierte Strecke?

Für den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Hannover und Hamburg hat die Deutsche Bahn im Rahmen der Vorplanung parallel drei Grundvarianten – bestandsnaher Ausbau, bestandsnaher Ausbau mit Ortsumfahrungen und bestandsferner Neubau (zwei Streckenverläufe) untersucht. Die DB hat einen Variantenvergleich der vier möglichen Streckenverläufe Ende Dezember 2022 an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) übergeben. Das BMDV hat die Ergebnisse geprüft und die DB um Konkretisierung und Benennung einer Vorzugsvariante gebeten. Die DB ist dazu derzeit intensiv mit Bund und Land im Austausch.

5. „Ein Ausbau der Bestandsstrecke erfüllt nicht die vorgegebenen Kriterien“

Verkehrlich engpassfrei, betrieblich optimal und ein gesetzlich vorgegebenes Nutzen-Kosten-Verhältnis von mindestens 1 – das sind die Vorgaben für den (Aus-)Bau der Strecke zwischen Hamburg und Hannover. Laut einem erstellten Gutachten (Vieregg-Rössler) erfüllt Alpha-E diese Vorgaben. Laut Bahn nicht?

Die Ausführungen von Herrn Vieregg wurden intensiv von den Fachleuten der DB zusammen mit den Gutachtern des Bundes geprüft und Herrn Vieregg umfangreiche Fragen zur Sache gestellt. Die Ausführungen gründen überwiegend auf bloßen Annahmen und Vermutungen. Wir haben bis heute weder Herleitung noch Datenbasis für die Schlussfolgerungen von Herrn Vieregg erhalten.

6. „Mit Alpha-E ist der Deutschlandtakt nicht umsetzbar“

Die Bestandsstrecke wäre 30 Kilometer länger als die Neubautrasse. Der Deutschlandtakt damit nicht wie geplant umsetzbar?

Beim Deutschlandtakt geht es nicht allein um die zwischen Hannover und Hamburg vorgegebene Zielfahrzeit von 59 Minuten. Beim Deutschland-Takt werden die größten deutschen Städte durch regelmäßige Personenfernverkehrszüge verbunden sein – und das alle 30 Minuten verlässlich zur selben Zeit. Der Regionalverkehr wird auf die halbstündliche Taktung in den Knotenbahnhöfen ausgerichtet. Und sichert so auch die flächendeckende Mobilität in ländlichen Regionen.

7. „Eine schnelle Verkehrswende würde durch den Neubau blockiert“

Auf der neu gebauten Trasse könnte erst nach kompletter Fertigstellung der erste Zug fahren. Der Bestandsausbau kann abschnittsweise erfolgen. Mit welcher Variante ist die Bahn schneller am Ziel?

Richtig ist, dass der Ausbau im Bestand in der Regel sehr zeitintensiv ist, da die Baulogistik auf engstem Raum komplex ist und parallel ja auch die Verkehre weiter rollen sollen. Hierdurch sind jahrelange Einschränkungen für den Personennahverkehr auf der bestehenden Strecke absehbar.

8. „Kommt der Deutschlandtakt, geht in Deutschland das Licht aus“

Der Energiebedarf für die Umsetzung des Deutschlandstakts wird riesig sein. Wie wird die Bahn den Energiebedarf der Züge decken?

Die DB arbeitet an diversen auch alternativen Energiequellen und sieht sich bezüglich der Stromversorgung der Züge bestens aufgestellt. Die Verkehrswende kann nur mit der Deutschen Bahn gelingen – mit Zügen, die mit klimafreundlichem Strom fahren.

9. „Am Bahnhof Harburg hält dann kein ICE mehr“

Die geplante ICE-Trasse startet in HH-Hauptbahnhof, hält nicht in Harburg und endet in Hannover. Werden auch Lüneburg, Celle und Uelzen ihre ICE-Anschlüsse verlieren oder in der Taktung reduziert?

Richtig ist, dass mit dem Deutschlandtakt 13 Halte im Taktfahrplan in Lüneburg, Uelzen und Celle wie bereits heute vorhanden sein werden. Harburg ist im Deutschlandtakt ebenfalls ein Halt. Bis auf wenige Sprinterzüge halten alle ICE-Züge im D-Takt in Harburg. Vorteil für die Menschen an der bestehenden Strecke sind neben den ICE-Linien auch ein besserer Nahverkehrstakt. Mit einem Neubau könnte eine Neuerschließung der Region mit stündlichen Regionalexpresshalten erfolgen, die Hamburg und Hannover teilweise deutlich unter einer Stunde erreichbar machen.

10. „Auf und an der Neubautrasse und der ausgebauten Bestandsstrecke wird es laut“

Im Alpha-E-Konsens wurde ein überdurchschnittlicher Schallschutz vereinbart. Dieser entfällt bei einem Neubau. Welcher Lärmschutz ist generell vorgesehen?

Ob Neu- oder Ausbau: Die Deutsche Bahn wird die Anwohner:innen bestmöglich vor Lärm schützen und das immer in Abstimmung mit den Anwohner:innen.

11. „Der Trassenneubau zerstört die Natur“

Der Neubau umfasst einen Flächenverbrauch der Größe der Stadt Berlin. Er zerschneidet wertvolle Lebensräume, geschützte Biotope, Sumpfgebiete und Naturschutzflächen werden durch den Bau unwiederbringlich zerstört. Wie wird die Bahn als grünes Unternehmen das ausgleichen?

Uns als DB ist am Klima- und Umweltschutz gelegen, das ist Teil unserer DNA. Die DB hat alle Varianten in gleicher Weise einer umweltfachlichen Detailanalyse unterzogen. Auch im Bestand und bei bestandsnahen Varianten können die Eingriffe erheblich sein. Dort wo ein Eingriff notwendig wird, müssen, wollen und werden wir einen entsprechenden Ausgleich schaffen. Hierfür hat die Deutsche Bahn Umweltgutachter, die diese Schritte einleiten und begleiten.

12. „Die Bahn wird Besitzer aller Flächen enteignen“

Die Bahn plant auf fremdem Eigentum. Wie werden die Betroffenen eingebunden?

Die Deutsche Bahn ist immer darum bemüht, mit den Anwohner:innen gemeinsam Lösungen zu finden. Und das möglichst frühzeitig.

13. „Es wird keine Ersatzflächen für Landwirte geben“

Durch die Maßnahme werden viele Flächen zerschnitten, die alle neu sortiert und zugeordnet werden müssen. Wie kommen die Landwirte dann noch an ihre Felder und woher kommen Ersatzflächen?

In der Vorplanung hat die Deutsche Bahn sämtliche Wegebeziehungen geprüft. Die Deutsche Bahn hat Flächenmanager:innen, die sich um diese Belange kümmern. Grundsätzlich suchen wir nach Lösungen immer gemeinsam und im Interesse der Eigentümer:innen.

14. „Die Menschen sind der Bahn egal“

Viele Bürgerinnen und Bürger werden von einer Neubautrasse direkt betroffen sein. Sie werden ihre Häuser verlieren, ihre Existenzen. Ist der Bahn der Mensch egal?

Bei der Deutschen Bahn spielt die breite Öffentlichkeitsbeteiligung und -einbindung eine maßgebliche Rolle für die Planungen. Durch die frühzeitige Beteiligung der Bürger:innen lassen sich lokale Bedürfnisse erkennen. So können diese schon in frühen Planungsphasen mit bedacht werden. Wir sind uns unserer Verantwortung dabei sehr wohl bewusst.

Die Deutsche Bahn hat im Dezember einen Vergleich verschiedener Trassenverläufe für die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover an den Bund überreicht.

In dem Vergleich wurden vier mögliche Trassen bewertet, darunter zwei Neubaustrecken, von denen auch der Landkreis Harburg massiv betroffen wäre.

Die Neubautrasse würde durch die Gemeinde Seevetal sowie die Samtgemeinden Hanstedt und Salzhausen führen, teilweise entlang der A 7 und hätte massive Auswirkungen auf die Menschen und Betriebe, die dort ansässig sind.

Das Abendblatt möchte den Betroffenen eine Stimme geben und sucht für eine Serie Menschen entlang der geplanten Trasse, die ihre Geschichte erzählen wollen. Was halten Sie von den Plänen der Deutschen Bahn? Was sind Ihre Sorgen?

Interessenten melden sich bitte per E-Mail bei hanna.kastendieck@abendblatt.de oder harburg-abendblatt@funkemedien.de.