Buchholz. Das „Duo Ccino“ in Buchholz ist das wohl kleinste Restaurant im Landkreis Harburg – wie Wirt Erdal Aslan der Gastro-Krise trotzt.
Das vermutlich kleinste Restaurant im Landkreis Harburg, das Duo Ccino, duckt sich unter hohen Bäumen am Rand des Buchholzer Rathausparks. Hinter der Restaurant-Terrasse ein Bauzaun mit Baggern. Vor dem Eingang an der Steinstraße eine handgeschriebene Tafel mit den Köstlichkeiten der italienischen Küche. Und drinnen, im Duo Ccino, am Herd der historischen Kate, die der Stadt Buchholz gehört und früher das Lokal „Remise“ beherbergte, der Wirt Erdal Aslan.
Wie hält der 55-Jährige durch, wenn gleichzeitig viele Restaurants aufgeben müssen? Was inspiriert ihn und worauf hofft er? Ein Ortstermin.
duftet es nach Kräutern, Olivenöl, ein wenig nach Knoblauch
Ein winziger Gastraum, der an kleinen Tischen Platz für 20, bei Veranstaltungen auch 30 Gäste bietet. Dunkle Holzbalken, die den Blick auf den Dachstuhl freigeben. An den Wänden helle Kacheln, Weinregale und das Bild einer Villa am See. Neben der Kasse summt ein Kaffeevollautomat, aus der offenen Küche duftet es nach Kräutern, Olivenöl, ein wenig nach Knoblauch. Hier zelebriert Aslan mit seinen zwei Mitarbeitern italienische Küche.
Die Küche seiner Kindheit. Er, der Sohn eines türkischen Kurden alevitischen Glaubens und einer orthodoxen Italienerin, wuchs in Mittelanatolien auf. Und zwar auf der kurdischen Seite. Als er 14 Jahre alt war, zogen seine Eltern, die in Anatolien vielen politischen Repressionen ausgesetzt gewesen waren, mit ihm nach Deutschland.
Vom Modedesigner zum Restaurantbetreiber
Aslan machte Karriere als Modedesigner. Entwarf edle Handtaschen und Damendessous, die er selbst fertigen ließ. Zu Spitzenzeiten beschäftigte er rund 300 Mitarbeiter. Doch um die Jahrtausendwende kamen immer mehr chinesische Billigtextilien auf den Markt. Viele Kunden waren nicht mehr bereit, für hochwertige Modeartikel auch hohe Preise zu zahlen. Ausstände häuften sich. Und Aslan sattelte um. Er führte zunächst ein Restaurant in Kiel, dann eines in Hamburg, bis er über Bekannte von der Galerie in Buchholz erfuhr, wo er ebenfalls ein italienisches Restaurant übernahm.
Doch Aslan wollte mehr. Er kreierte die Marke „Duo Ccino“. Ein Fantasiebegriff, der die italienische Zwei beinhaltet. Denn ursprünglich plante der Wirt, zusätzlich zur Gastronomie Kaffee zu vermarkten. Daraus wurde nichts. Immerhin hat sein kleines Restaurant jetzt einen Namen, mit dem es sofort in jeder Suchmaschine zu finden ist.
Eines der letzten architektonischen Überbleibsel des bäuerlichen Buchholz
Das Restaurant war ursprünglich eine Scheune auf dem Hof Schröers, dem Hof Nummer 4. Das Wohngebäude des Hofes wurde 1801 erbaut, die Remise, eine Art Abstellraum, entstand wohl ein paar Jahre später, wie Stadtsprecher Heinrich Helms recherchiert hat. 1972 wurde das Wohnhaus des Hofes abgerissen. Die Remise blieb und ist heute neben der einstigen Bücherkate das einzige architektonische Überbleibsel des bäuerlichen Buchholz.
Fast sechs Monate brauchte Aslan, um die Scheune nach seinen Vorstellungen umzubauen. „Als ich kam, war hier alles voller Schimmel und Fettspritzer“, erinnert er sich. Er investierte in neue Wandverkleidungen, neue Sanitärräume, eine neue Küche und ließ die Terrasse neu pflastern. Dann kam die Corona-Pandemie mit all ihren drastischen Folgen. Die Gastwirtschaft musste schließen.
Von den Ravioli über das Brot, die Panna Cotta bis zur Pizza – alles selbstgemacht
Seither hat sich manches verändert. „Es wird nicht gerade besser“, sagt Aslan. Er macht sein Geschäft im Sommer. In den Wintermonaten zählt er auf seine Stammgäste. Und hält an seinem Konzept fest, hochwertige saisonale Produkte zu servieren. „Ich verhandle mit den Großhändlern um jeden Cent“, schildert er.
Nur mit Mühe gelingt es ihm, die Preise für Speisen und Getränke konstant zu halten. Denn zum Konzept des Duo Ccino gehört, dass hier alles selbst gemacht wird. Von den Ravioli über das Brot, die Panna Cotta bis hin zur Pizza, für deren Boden Aslan nach dem Rezept seiner Mutter vier verschiedene Mehle verwendet. Überhaupt: Die Küche seiner Mama ist für ihn ein Vorbild. „Diese Soßen, diese Aromen, diese Tagliatelle, die meine Mutter zu einem Dessert verarbeitet hat – ich schmecke das noch heute und werde es nie vergessen“, schwärmt er.
Die Zubereitung einer Dorade kann schon einmal 40 Minuten dauern
In seinen über 40 Jahren in Deutschland hat er miterlebt, wie sich die Einheimischen immer mehr fremden kulinarischen Einflüssen öffneten. Sie haben gelernt, dass eine Melone vor dem Genuss von der harten Schale befreit werden muss, dass auch trockene Weine gut schmecken und Soßen nicht unbedingt Mehl zum Binden brauchen. Seine Kundinnen und Kunden, die meisten sind zwischen 30 und 60 Jahren alt, kennen sich gut aus und wissen genau, was sie essen und trinken wollen, berichtet Aslan. Der italienischen Rotwein, den er nahe Ancona an der italienischen Adriaküste auf eigenen Feldern anbauen lässt, ist entsprechend begehrt.
Neben Pizza und Pasta laufen vor
allem Fischgerichte. Doch dass die Zubereitung einer Dorade durchaus einmal 40 Minuten dauern kann, verstehen manche nicht, berichtet der Wirt. Insbesondere im Sommer, wenn auf der Terrasse Platz für 76 weitere Gäste ist, werde schon mal gemeckert. Nordheidjer scheinen es beim Essen immer noch eilig zu haben, das habe sich mit den Jahren wohl nicht verändert, vermutet Aslan. Während er in Kiel und in Hamburg selten vor 1 Uhr nachts sein Restaurant schloss, ist in Buchholz gegen 21 Uhr meist Schluss. „Die Leute essen. Und dann gehen sie nach Hause“, stellt er mit Verwunderung fest.
Ein Wintergarten könnte noch mehr Gästen Platz im Restaurant bieten
Die Neugestaltung des Rathausparks, der Ende März fertig sein soll, macht Aslan Hoffnung. Denn in der neuen Saison will er noch einmal richtig durchstarten. Gegenwärtig sucht er einen Koch und eine Hilfe beim Service. „Ich bin alleinerziehender Vater, meine Töchter sind sieben und fünf Jahre alt, und ich möchte mich ihnen etwas mehr widmen können“, erklärt er.
In einer Zeit, in der überall Fachkräfte fehlen, ein frommer Wunsch? Doch Aslan lässt sich nicht beirren, weder von den aktuell hohen Preisen für Lebensmittel noch von den immensen Energiekosten. Vielmehr träumt er davon, bald zu bauen und damit zu wachsen: ein Wintergarten schwebt ihm vor, der dem kleinen, feinen Restaurant wetterunabhängig weitere Gäste bescheren könnte. Und der Nordheidestadt eine weitere Visitenkarte, nämlich einen Ort der Ruhe und des Genusses direkt am Rathauspark.