Winsen. Winsener Museum im Marstall zeigt sich als digitaler Möglichkeitsraum, lockt mit 72 Veranstaltungen und zwei Sonderausstellungen.
Hugo Haase hätte seine wahre Freude an diesem Museum und den Menschen gehabt, die es mit Ideen und Leben füllen. Allerdings ist Haase, Karussellbauer aus Winsen und Schöpfer neuartiger Attraktionen bei Autodrom und Achterbahn seit 89 Jahren tot. Als Pappfigur aber wacht er noch heute über das rege Treiben an einem der wohl kreativsten Orte der Luhestadt. Und der Erfinder von Freizeitparks und Vergnügungsangeboten wäre höchst zufrieden mit dem, was das kleine, vierköpfige Team im Museum im Marstall und seine vielen Ehrenamtlichen in den vergangenen drei Jahren auf die Beine gestellt haben.
Das kleine Heimatmuseum am Rande des Winsener Schlossparks ist weiterhin auf Erfolgskurs. Nicht nur, dass das Museum mit 12.500 Besucherinnen und Besuchern in den vergangenen zwölf Monaten auf ein Rekordjahr zurückblickt, während viele kleinere und mittlere Museen deutliche Besucherrückgänge verzeichnen. Auch im Ehrenamt, ohne das Einrichtungen dieser Größenordnung nicht existieren könnten, entwickelt sich das Museum entgegen dem Trend.
50 Männer und Frauen sind ehrenamtlich in dem Haus in Winsen aktiv
50 Männer und Frauen sind ehrenamtlich im Haus aktiv. Und es kommen regelmäßig neue hinzu. Männer und Frauen, die mitgestalten wollen in dieser Einrichtung, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet und für alle Generationen zugänglich macht.
„Wir wollen ein Museum für alle sein“, betont Rolf Wiese vom Vorstand des Heimat- und Museumvereins Winsen (Luhe) und Umgebung e.V.. Gemeinsam mit seiner Frau Giesela hat der ehemalige Museumsdirektor des Freilichtmuseums am Kiekeberg 2020 den Vorstand übernommen. Seitdem haben die beiden mit Unterstützung von Museumschefin Ilona Johannsen, Museumspädagoge Tammo Hinrichs und Projektleiterin Dorothea Lepper die Besucherzahlen mehr als verdoppelt, neue Forschungsprojekte und Digitalisierungsprozesse angeschoben, dutzende Veranstaltungen ins Haus geholt und die museumspädagogische Arbeit nicht nur im, sondern auch außerhalb des Museums ausgebaut.
Toast Hawaii, Käsewürfel und Ananas aus der Dose
So vermittelt Museumspädagoge Hinrichs nicht nur vor Ort im alten Fachwerkhaus am Schlossplatz Kindern und Jugendlichen in der Kinderbauhütte Einblicke in die regionale Baugeschichte. Mit dem Angebot „Museum vor Ort“ geht er zudem raus, hin zu den Menschen, besucht soziale Einrichtungen und zeigt Kindern auf der Straße, wie spannend Geschichte sein kann. „Mit diesem niederschwelligen Angebot erreichen wir auch diejenigen, die niemals zu uns in das Museum kommen würden“, sagt Rolf Wiese, der das Angebot künftig auch auf Altenheime ausweiten und dort sogenannte „Erinnerungssitzungen“ anbieten möchte. „Bei Toast Hawaii, Käsewürfeln und Ananas aus der Dose kommen die Seniorinnen und Senioren ganz sicher schnell ins Erzählen von früher“, davon ist Wiese überzeugt.
Auch in der Elbmarsch hat das Museum seine Fühler ausgestreckt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Kultur und Geschichte der Winsener Marsch zwischen Seevetal und Bardowick entstehen derzeit an fünf Standorten Informationsorte zur „Elbmarschforschung“. Das Projekt ist Teil des LEADER-Projektes „Ein Fluss erzählt...“.
Geschichte wird erlebbar – mit VR-Brillen
Zudem setzt sich das Museum niedersachsenweit dafür ein, Geschichte erlebbar zu machen. „Wir erarbeiten derzeit in dem Modellprojekt ‘Kleines Museum als digitaler Möglichkeitsraum’, wie auch kleinere Museen die Chancen von Digitalisierung und neuen Medien nutzen können“, sagt Rolf Wiese. Dabei geht es um die Digitalisierung der alltäglichen Museumsarbeit sowie die Ergänzung der Museumspädagogik um digitale Inhalte.
„Wir bauen eine Tool-Box, also eine Art Werkzeugkasten, aus dem sich die Museen bedienen können, um erfolgreich digital zu kommunizieren und arbeiten zu können“, so Wiese, der als Vorsitzender des Niedersächsischen Museumsverbands über 720 Museen betreut. Digitalisierung sei nicht nur für die Vermittlung von Themen an die Museumsbesucher wichtig. Auch Schulen würden mehr und mehr auf digitale Inhalte, Unterrichtsmaterialien und Filme der Museen zurückgreifen.
Doch am schönsten ist es für das Museumsteam natürlich, wenn die Menschen zu ihnen ins Museum kommen. Dafür haben sie in diesem Jahr 78 Veranstaltungen geplant. Mittelpunkt ist die große Sonderausstellung „Gartenlust und Ernteglück“, die am 4. März eröffnet. „Exkursionen, Vorträge und Veranstaltungen wie ein Stiefmütterchenverkauf oder der Rosenmarkt begleiten die Ausstellung thematisch“, sagt Museumsleiterin Ilona Johannsen. „Die Ausstellung selber beschäftigt sich mit der Freude am (Schreber-)garten ebenso wie mit dem gewerblichen Obst- und Gemüseanbau in der Winsener Marsch.“ Ein Bereich widmet sich den Jahreszeiten und wird sich der Erntesaison entsprechend wandeln. „Damit lohnt es sich, die Ausstellung, die bis in den Oktober laufen wird, mehrfach zu besuchen“, sagt Johannsen.
Neues Buch im Verlag des Heimat und Museumvereins
Pünktlich zur Ausstellungseröffnung erscheint ein neues Buch im Verlag des Heimat und Museumvereins. Hartmut Blecken, Heimatforscher und Gärtnermeister, gibt darin spannende Einblicke in die Geschichte des gewerblichen Obst-, Gemüse- und Blumenanbaus im Landkreis Harburg. Eine zweite Sonderausstellung widmet sich in diesem Jahr dem „Winsener Silberschatz“. Die kunstvolle Schmucksammlung lagerte Jahrzehnte im Landesmuseum Hannover. Jetzt kommt sie in Teilen wieder dorthin, wo sie entstanden ist — zurück nach Winsen.