Jesteburg. Kunststätte in Jesteburg erhält riesiges Bronzerelief als anonyme Schenkung aus der Schweiz – Museumsprogramm für 2023 steht
Fesselnde Ausstellungen, publikumswirksame Aktionen und eine neue Errungenschaft, deren Geschichte sich fast wie ein kleiner Kunstkrimi liest: Der Kunststätte Bossard in Jesteburg steht ein lebhaftes Jahr bevor. „Es wird nach langer Zeit hoffentlich einmal wieder ein Jahr ohne Einschränkungen“, sagt Museumsleiterin Heike Duisberg-Schleier. Da war Corona und da waren die Bauarbeiten am nun sanierten Kunsttempel auf dem Gelände in Jesteburg-Wiedenhof. 2023 soll es eine Atempause geben, in der das Museumsteam Luft holen und sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann. Die Kunststätte startet mit Volldampf in die neue Saison und will die Zeit nutzen, bevor im kommenden Jahr schon wieder Schluss ist mit der Ruhe, weil dann das Wohnhaus von Johann und Jutta Bossard umfangreich saniert werden soll.
Ein Höhepunkt der noch jungen Museumssaison stellt die erstmalige Präsentation eines großen Bronzereliefs von Johann Bossard dar, das auf ungewöhnliche Weise zur Kunststätte gekommen ist: Das prächtige Stück wurde dem Museum von einem Schweizer geschenkt, der anonym bleiben möchte. Er hatte sich im Sommer 2022 direkt bei Kuratorin Katharina Groth gemeldet, ein Foto geschickt und angefragt, ob es sich bei der gezeigten Bronzearbeit, die er bei Umbauarbeiten entdeckt hatte, um ein Werk von Johann Bossard handeln könnte. Der Besitzer hatte eine vorgezogene Wand einreißen lassen, wobei das riesige Kunstwerk dahinter zum Vorschein kam. „Das war eine schöne Überraschung“, so Groth.
Auftragswerk von Johann Bossard für die Schweizer Volksbank
Nach Rücksprache mit Stefanie Nagel, der Restauratorin der Kunststätte Bossard, und nach Sichtung von Schriftverkehr und Fotos aus dem Bestand im Schaumagazin konnte gesichert festgestellt werden, dass es sich bei dem Fund tatsächlich um ein Auftragswerk von Johann Bossard für die Schweizer Volksbank handelt. Es entstand 1909 und nennt sich „Der Pflanzer“. Das Relief ist aus Vollbronze, etwa 150 Kilogramm schwer und zirka 2,40 Meter breit.
Die Arbeit selbst war zwar eine Schenkung, jedoch musste der Transport aus Bern finanziert werden, was der Freundeskreis des Museums übernahm. Präsentiert wird die Bronzearbeit erstmals in der neuen Sonderausstellung, die am kommenden Sonntag eröffnet wird und in der auch einige andere, noch nie gezeigte Werke von Johann Bossard zu sehen sind: „Von kosmisch bis weltlich: Typische Motive von Johann Michael Bossard“ lautet der Titel der Ausstellung, die bis zum 11. Juni präsentiert wird. Mit ihr ermöglicht die Kunststätte einen weiteren kritischen Zugang zur Auseinandersetzung mit Bossards Werken vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungen zu dessen ambivalenter Geisteshaltung und seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus.
Aus heutiger Sicht teils krudes und mit Recht umstrittenes Weltbild
Die Ausstellung wurde mit viel Expertise und Herzblut von der jungen Kunsthistorikerin Svenja Weikinnes kuratiert und nimmt immer wieder Bezug auf Bossards Gesamtkunstwerk und sein aus heutiger Sicht teils krudes und mit Recht umstrittenes Weltbild. Zeit seines Lebens drängte es Bossard, seine spirituell-religiösen Weltanschauungen und seine sozialutopischen Vorstellungen mit zahlreichen, immer wiederkehrenden Motiven und Themen in seinen Werken zu visualisieren.
„Wir wollen zeigen, dass wir die Neuausrichtung der Kunststätte Bossard auf allen Ebenen sehr ernst nehmen“, sagt Museumsleiterin Duisberg-Schleier. Und so geht auch eine weitere Sonderausstellung ab dem 14. Mai dorthin, wo es weh tut: „Der Blinde Fleck“ von Daniel Wrede wird eine ortsspezifische Installation im Baumkreis auf dem Bossard-Gelände sein, die aus gelbleuchtender Gelatine besteht – ein weiterer Störfaktor in der vermeintlichen Idylle des Bossard-Anwesens und ein weiterer Ansatzpunkt in der aktuellen Debatte um das Gesamtkunstwerk.
Haltung des Ehepaars Bossard zum Nationalsozialismus
In der neuen Museumssaison soll auch die Forschungsarbeit, die sich mit der Haltung des Ehepaars Bossard zum Nationalsozialismus befasst, weitergehen. Die Finanzierung dafür ist inzwischen gesichert. Schwerpunkte der Forschung werden Bossards Vernetzung mit anderen zeitgenössischen Künstlern sein, der Blick ins Private sowie die Rolle von Jutta Bossard. Zudem soll die Vermittlung der Forschungsergebnisse und der Museumsarbeit vorangetrieben werden, etwa mit einem neuen Programm für Schulklassen, das sich an die Klassenstufen 8 bis 10 richtet und sich mit der Person Johann Bossard und dem Einfluss der nordischen Mythologie auf ihn auseinandersetzt.
Außerdem wird das von Bossard konstruierte Heldenbild kritisch beleuchtet und welche Einflüsse bestimmte pseudowissenschaftliche Strömungen auf seine Kunst hatten. „Wir werden aktiv an die Schulen herantreten“, sagt Duisberg-Schleier.
Schülerbeförderung zur Kunststätte
Im Zusammenarbeit mit dem Landkreis kann erstmals eine Schülerbeförderung zur Kunststätte angeboten werden, die sich auf einen Eigenanteil von drei Euro beschränkt. Die zusätzlichen Kosten teilen sich der Landkreis und die Bossard-Stiftung. Darüber hinaus hat das Museumsteam ein neues Jahresprogramm erstellt, das ab sofort als Flyer oder im Internet zur Verfügung steht. Neben Sonderausstellungen, Märkten und Aktionstagen, Konzerten und Theateraufführungen umfasst es wieder ein umfangreiches Kreativ-Angebot für Kinder und Erwachsene sowie das Museumsfest am 2. Juli mit einem besonderen Geburtstag: Der Freundeskreis der Kunststätte als großer Unterstützer feiert 20-jähriges Bestehen.