Buxtehude. Fische sollen so eine alte Staustufe umgehen können. Doch dafür muss jetzt eine wichtige Einfallstraße fast drei Monate lang gesperrt werden.
In offiziellen Mitteilungen der Hansestadt Buxtehude ist von einem „Umgehungsgerinne“ die Rede. Damit solle die „ökologische Durchgängigkeit“ der Este für Fische und Kleinstlebewesen nahe der Mühlenteich-Stauanlage beim früheren Granini-Werk wiederhergestellt werden, heißt es dort. Doch was da beim flüchtigen Lesen nach einer neuen, kleinen Rohrleitung klingt, entpuppt sich beim näheren Hinsehen doch als großes Bauwerk: Ein erster Teil ist bereits weitgehend fertig und erinnert mehr an einen neuen Flusslauf denn an eine Rinne. Und tatsächlich wird über diese etwa 590 Meter lange und im Mittel fünf Meter breite Strecke vom Sommer an immerhin rund zwei Drittel des normalen Estewasser-Volumens fließen.
„Das wird ein richtig schöner Wasserlauf“, sagt Martina Deckwerth, die bei den städtischen Betrieben Buxtehudes Projektleiterin für diese Baumaßnahme ist. Wie umfangreich der Bau dieser neuen Este-Schleife ist, wird sich im Übrigen von Anfang Februar an auch für Autofahrer zeigen. Dann soll unter der Moisburger Straße dafür ein etwa drei Meter breiter und 2,5 Meter hoher Durchlass gebaut werden. Mit rund drei Monaten Sperrung dieser wichtigen Einfallstraße allein für diesen Bauabschnitt rechnet man derzeit bei den städtischen Betrieben. Im Juli, so der Plan, soll die neue Wasserstrecke dann komplett fertig gebaut sein. Inklusive neuer Fußgänger-Brücken und einem Sicherungszaun an einem Spielplatz.
Strecke wird oberhalb des aufgestauten Mühlenteichs beginnen
Die Strecke wird oberhalb des aufgestauten Mühlenteichs beginnen, zunächst parallel zum Teich verlaufen, dann eben unter der Moisburger Straße geführt und im Bogen um ein relativ neues Wohngebiet auf dem früheren Granini-Gelände wieder zur Este fließen.
Hintergrund der geplanten Umgehungsstrecke ist eine europäische Wasserrahmenrichtlinie, die zur Schaffung eines guten ökologischen Zustands von Gewässern auffordert. 90 Prozent der geplanten Gesamtausgaben von 2,5 Millionen Euro der Buxtehuder Maßnahme werden daher vom Land Niedersachsen und der EU gefördert. „Allein sauberes Wasser reicht für diese Richtlinie aber nicht aus“, sagt Projektleiterin Deckwerth. Für einen guten ökologischen Zustand eines Gewässers komme es eben auch auf seine Vielseitigkeit an. Also darauf, Lebensraum für möglichst viele Fischarten und wirbellose Kleinstlebewesen zu bieten. Und da sind Staustufen wie am Mühlenteich mancherorts ein Problem, weil sie wie eine Barriere wirken.
Schon seit dem 17. Jahrhundert ist die Este hier aufgestaut, zunächst um eine Korn- und eine Papiermühle anzutreiben. Viel später in den 1950er Jahren diente die Staustufe am Buxtehuder Mühlenteich sogar der Stromerzeugung für den Obstverwerter Klindworth, der später vom Safthersteller Granini übernommen wurde. 1994 zog sich Granini aus Buxtehude zurück. Die Staustufe aber blieb.
Fischtreppe aus Holz soll dort lachsartigen Fischen wie Forellen das Aufsteigen erlauben
Die Turbinen sind allerdings längst ausgebaut und eine Fischtreppe aus Holz soll dort lachsartigen Fischen wie Forellen das Aufsteigen erlauben, um zurück zu ihren Laichplätzen im Oberlauf zu gelangen. Doch das schafften nur einige guter Schwimmer, sagt Projektleiterin Deckwerth. Und Kleinstlebewesen wie Larven, Würmer oder Schnecken schafften es an dieser Stelle schon gar nicht weiterzukommen.
Das soll sich nun mit der neuen Este-Schleife ändern, die wie ein natürlicher Fluss als Strömungsgewässer konzipiert ist. Das „genetische Programm“ von Fischen und Kleinstlebewesen lässt sie gegenanschwimmen und so den sicheren Weg zum Oberlauf finden. Von einer „Lockströmung“ sprechen die Planer daher. Große Steine in der Sohle sollen dabei wie in einem natürlichen Flussbett zudem Ruhezonen im Strom bei dem kräftezehrenden Aufstieg schaffen. Aber auch für sich stromabwärts bewegende Este-Bewohner ermöglicht das neue Gewässer einen einfacheren Weg als über das alte Stauwehr, über das ab Sommer nur noch ein kleiner Teil des Este-Wassers fließen wird.
Umgehungsstrecken auch im Oberlauf in Moisburg und Bötersheim im Gespräch
Gleichwohl wurde die Technik an der alten Staustufe im Zuge der Arbeiten ebenfalls modernisiert. Hier kann der Wasserstand im Mühlenteich weiter reguliert werden. Hin und wieder muss beispielsweise das Wasser abgelassen werden, um Sand auszubaggern, der sich im Teich ablagert. So dienen der Mühlenteich und seine Staustufe heute nicht nur als Stadtteil-Park, sondern auch als Sandfang, um ein Versanden des Hafens im weiteren Verlauf der Este zu verhindern. Für Fische und Kleinstlebewesen im Fluss ist dieses Nadelöhr mit Inbetriebnahme des „Umgehungsgerinnes“ indes bald keine Barriere mehr. Ähnliche Umgehungsstrecken der Este sind daher auch für zwei weitere Staustufen im Oberlauf in Moisburg und Bötersheim im Gespräch, dafür gebe es bereits Machbarkeitsstudien, sagt Deckwerth. „Wir sind an der Este nur die ersten, die das machen“, sagt sie.